Die Hälfte der rund 15 Millionen Senegalesen ist jünger als 18 Jahre. Das Solarunternehmen Nadji.Bi bietet Ausbildungs- und Arbeitsplätze. (Foto: Staatskanzlei/Urban)
Fluchtursachen

Sonne, Strom und Hoffnung

Gastbeitrag Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Marion Krüger Hundrup hat Beate Merk begleitet, als sie im westafrikanischen Senegal erkundet hat, wie die Menschen zum Bleiben in ihrer Heimat bewegt werden können. Der Freistaat stellt Millionen Euro für Hilfen bereit.

Hinter der unscheinbaren Gebäudefassade am Place du Martyr Mamadou Diop in der senegalesischen Kleinstadt Mbour verbirgt sich ein hochmodernes Unternehmen. In den einstöckigen Flachbauten produziert die Firma „Nadji.Bi“ Solarstationen, mit Sonnenlicht betriebene Taschenlampen, Ladegeräte und Akkus für Smartphones. Stolz präsentiert Firmenchef Julien Potron der Delegation aus Bayern mit Europaministerin Beate Merk an der Spitze seine innovativen Erzeugnisse, die vor allem in ländlichen Regionen zum Einsatz kommen. Die Elektrifizierung hat das Land bisher kaum erreicht. Aber Sonne gibt es satt, ideal für die Erzeugung von Strom. Obendrein sichert Potron rare Arbeits- und Ausbildungsplätze. Aufmerksam hört Ministerin Merk zu, als Zahlen genannt werden: 30 Prozent der senegalesischen Hochschulabsolventen sind langzeitarbeitslos. Da bekommt es ein besonderes Gewicht, dass „Nadji.Bi“ allein im Jahr 2016 rund 1.000 junge Menschen in Sachen erneuerbare Energien fortgebildet hat mit dem Ziel, sie in dörflichen „Solarboutiquen“ einzusetzen. Darin werden die Dorfbewohner im Umgang mit den Solargeräten geschult sowie Reparaturen erledigt.

Ein Bistum als Partner

Als die bayerische Europaministerin Beate Merk mit ihrer Delegation aus der Staatskanzlei in den westafrikanischen Senegal aufbrach, war ihre Mission klar umrissen: Im Zuge des Sonderprogramms der Staatsregierung „Perspektiven für Flüchtlinge in ihren Heimatländern“ wollte sie erkunden, durch welche Projekte gerade junge Senegalesen zum Bleiben und zur Rückkehr ermutigt werden können. „Bayern als Zielland für Migration stellt sich der Verantwortung, im Rahmen seiner Möglichkeiten die Situation von Flüchtlingen und Migranten in ihrer Heimat oder deren unmittelbaren Nachbarländern zu verbessern“, sagt Merk. Denn wenn sichtbar dazu beigetragen werde, den Menschen vor Ort eine bessere Lebensperspektive zu geben, werde der Migrationsdruck auf Europa verringert: „Wer eine Perspektive für sich und seine Kinder sieht, bleibt in seiner Heimatregion“, so die Ministerin.

Startschuss vor Ort

Ihren Besuch im Senegal inklusive Empfang durch Staatspräsident Macky Sall versteht Merk als „politischen Startschuss“ für die künftige Freigabe von drei Millionen Euro, die der Freistaat dort bis 2018 investieren will. Auf der Arbeitsebene waren schon zuvor Kontakte mit möglichen Projektpartnern geknüpft worden. Dabei kristallisierte sich das Erzbistum Bamberg als der am besten geeignete Partner heraus: Seit nunmehr zehn Jahren pflegt Bamberg eine Diözesanpartnerschaft mit dem Bistum Thiès und unterstützt dort unter anderem etliche Schul- und Berufsausbildungseinrichtungen. „Wir wollen Synergieeffekte nutzen und uns in der Region Thiès engagieren“, erklärt Ministerin Merk. Wenn die katholische Kirche von Bamberg intensiven Kontakt mit Thiès habe, „ist das auch für uns Anlass zu sehen, wie wir diesen weiter unterstützen können“, fügt sie hinzu.

Wer eine Perspektive für sich und seine Kinder sieht, bleibt in seiner Heimatregion.

Europaministerin Beate Merk

Im Gespräch mit dem Bischof von Thiès, André Gueye, hatte Merk die Gelegenheit, konkrete Initiativen zu besprechen. „Der Flüchtlingsstrom lässt sich durch internationale Solidarität eindämmen, die Perspektiven zum Bleiben im Senegal eröffnen“, sagte der Bischof. Und nannte auch gleich seinen Wunschkatalog: Die Wasserversorgung im Agrarbereich müsse verbessert werden inklusive Installation von erneuerbaren Energien wie Solarpumpen. Der Bedarf an Fortbildungen in diesem Sektor sei hoch, ebenso wie die generelle Berufsausbildung, „damit junge Leute nicht auf die Idee kommen, wegzugehen“, so der Bischof.

Der Flüchtlingsstrom lässt sich durch internationale Solidarität eindämmen.

André Gueye, Bischof von Thiès

Tatsächlich versuchen derzeit Tausende Senegalesen, ihre Heimat zu verlassen. Es kursiert die Zahl von rund 14.000 Senegalesen, die 2015 ihrem Land fluchtartig den Rücken gekehrt haben sollen. Häufigste Zielländer waren Italien, Deutschland und Spanien.

Träume vom Paradies

Nur 1,5 Prozent der Asylanträge wird stattgegeben. Der Senegal zählt zu den sogenannten „sicheren Herkunftsländern“. Doch fluchtwillige Senegalesen lassen sich davon nicht abhalten. Wie etwa der 22-jährige Fodé aus einem Dorf bei Thiès. „Ich habe keine Zukunft, keine Perspektiven hier!“, stößt Fodé hervor. Jeder fünfte Senegalese ist zwischen 15 und 24 Jahre alt, drängt auf den Arbeitsmarkt, auf dem es keine Arbeit gibt. „Ich finde nichts“, klagt Fodé, der am liebsten Agrarwissenschaft in Dakar studieren möchte. Doch um in der Hauptstadt leben, wohnen und lernen zu können, bräuchte er monatlich etwa 300.000 CFA-Franc (rund 360 Euro). Eine utopische Summe für den jungen Mann, dessen Eltern sich als Bauern mühsam über Wasser halten. Und so will Fodé nur weg. Notfalls mit dem Boot über das Mittelmeer nach Europa, „ins Paradies!“. Also dorthin, wo nach seiner Vorstellung Geld und Arbeitsplätze auf den Bäumen wachsen und es obendrein einen „Männermangel“ gibt. Europäische Frauen würden doch nur auf junge, kräftige Afrikaner warten, glaubt er. Dass er bei der Bootsfahrt ins Ungewisse sein Leben verlieren könnte, ist Fodé egal. „Ich bekomme das Boot nicht mehr aus dem Kopf“, bricht es aus ihm hervor.

Neue Jobs schaffen

Verzweifelte wie Fodé von der gefährlichen Migration abzuhalten, hat sich Ministerin Merk auf die Fahne geschrieben. Dabei ist ihr klar, dass sie das Migrationsproblem nicht nur durch die deutsche Brille betrachten darf. Auswanderung hat im Senegal seit jeher Tradition. In nahezu allen afrikanischen Ländern haben sich Senegalesen ein neues Zuhause geschaffen. Von den rund 15 Millionen Einwohnern Senegals ist die Hälfte jünger als 18 Jahre – „eine immense Herausforderung“, betont Ministerin Merk. Die jungen Menschen sollen hoffnungsvoll in die Zukunft blicken und ihrem Land helfen können, sich zu entwickeln.

Dabei will das Sonderprogramm der Staatsregierung helfen, die mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kooperiert. Das BMZ hat das Neuvorhaben „Réussir au Sénégal“ ins Leben gerufen, eine Beschäftigungs- und Qualifikationsoffensive, die die deutschen Erfahrungen im Energiesektor nutzen will, um für Jugendliche und Rückkehrer mehr moderne, attraktive Jobs zu schaffen.

Ich bekomme das Boot nicht mehr aus dem Kopf.

Fodé, 22 Jahre alt, aus dem Senegal

In den kommenden Wochen wird Merk mit ihrem Mitarbeiterstab und Trägern der Entwicklungszusammenarbeit wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ihre Erfahrungen in konkrete Schritte umsetzen. Im Rahmen des Sonderprogramms ist dies bereits für die weiteren begünstigten Länder Libanon, Nordirak und Tunesien geschehen. Das Fördervolumen für die vier Länder umfasst 20 Millionen Euro verteilt auf die Jahre 2017 und 2018.