CSA-Vizechef Reiner Meier sprach mit zahlreichen Gästen über die Herausforderungen der Sozialpolitik in einer globalisierten Welt. (Bild: CSU)
Arbeitnehmer-Union

„Unser Sozialstaat trägt zum inneren Frieden bei“

In der Schrift "Rerum Novarum" befasste sich Papst Leo XIII. 1891 mit der sozialen Frage im Zuge industrieller Veränderungen. Jetzt, 125 Jahre später, sprachen Abgeordnete der Arbeitnehmergruppe der Unions-Bundestagsfraktion mit Vertretern von Kirchen, Gewerkschaften und Arbeitgebern über die heutige Bedeutung des Papiers. Denn, so stellten die Teilnehmer fest: Das Thema ist aktueller denn je.

Am 15. Mai 1891 veröffentlichte Papst Leo XIII die Enzyklika „Rerum Novarum“ – zu deutsch „Neue Dinge“. Darin befasste sich das Oberhaupt der katholischen Kirche intensiv mit der sozialen Frage im Zuge der industriellen Revolution. Die Auseinandersetzung mit einer gerechten Arbeitswelt angesichts der neuen technischen Möglichkeiten legte einen wichtigen Grundstein für die Entwicklung der christlichen Soziallehre.

Fast auf den Tag genau 125 Jahre später diskutierten Abgeordnete der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei einem Fachkongress mit Vertretern von Kirchen, Gewerkschaften und Arbeitgebern über die heutige Bedeutung von „Rerum Novarum“.

„Der Sozialstaat als Garant des inneren Friedens“

Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe, Peter Weiß, verwies in seiner Begrüßung auf die große Bedeutung der christlichen Soziallehre als Leitplanken und Wegweiser für christlich-soziale Politik. „Unser Sozialstaat trägt zum inneren Frieden bei und ist gelebter Ausdruck der Personalität, Solidarität und Subsidiarität.“ Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder erinnerte in seinem Grußwort an die Rede Papst Benedikts XVI. vor dem Deutschen Bundestag 2011. Aus dem Naturrecht folgten elementare menschliche Grundwerte, an denen sich die Gesetzgebung orientieren müsse. „Die ständige Relativierung von Werten in unserer Gesellschaft kann nicht akzeptiert werden.“

Auch für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, stand in seiner Rede der Mensch im Mittelpunkt. Er schlug den Bogen vom historischen Kontext der Enzyklika „Rerum Novarum“ mit der ersten Industriellen Revolution und einer Massenauswanderung von Europa in die neue Welt hin zur Gegenwart. „Wir empfinden die Zeit als beunruhigend und verunsichernd. Was wird aus unserem Land? Was wird aus Europa?“

Kardinal Marx: „Die kirchliche Soziallehre ruht auf drei Säulen“

In diesem Zusammenhang steht heute die Soziallehre der Kirche, die auf drei Säulen ruht: Zum einen speist sie sich ganz wesentlich aus der Basis der christlichen Sozialbewegung. Zum anderen wird sie von der Wissenschaft und dem kirchlichen Lehramt flankiert und konkretisiert. Dieser Ansatz zeigt sich auch an der Enzyklika „Rerum Novarum“, die die Auseinandersetzung über soziale Fragen zugleich mitten in der Gesellschaft aber auch in der akademischen Diskussion führt.

Dabei fordert „Rerum Novarum“ eine Eigentumsordnung, die so gebaut ist, dass alle am Eigentum teilnehmen und niemand ausgestoßen wird. Eine besondere Verantwortung trifft dabei den Staat, der eine Grundordnung vorgeben muss, ohne den es keine freie Wirtschaft geben kann. Kardinal Marx erinnerte an die Enzyklika „Centesimus Annus“, in der Papst Johannes Paul II bereits 1991 eine soziale Marktwirtschaft gefordert hatte, die der gesamten Menschheit und nicht einzelnen Gruppen dient. Kardinal Marx sprach sich in diesem Zusammenhang für mehr multilaterale Wirtschaftsabkommen im Rahmen der WTO aus, bei denen auch die ärmeren Staaten einbezogen werden.

Klare Worte fand „Rerum Novarum“ nach Auffassung des Kardinals auch für den Wert der Arbeit. „Arbeit ist keine Ware!“ Gerade im Kontext der ungleichen Verhandlungspositionen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern müssten Arbeit und Kapital ein neues Verhältnis eingehen. Dass dieses Verhältnis immer noch nicht optimal justiert sei, habe sich auch in der Finanzkrise gezeigt. Noch immer sei die Trennung von Real- und Finanzwirtschaft nicht behoben. „Ein entkoppelter Kapitalismus, der nicht in Arbeit und in Menschen investiert, sondern nur um sich selbst kreist, ist nicht akzeptabel.“

„Wer acht Stunden arbeitet, muss von seiner Arbeit leben können“

In der Diskussionsrunde mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, dem Vorsitzenden des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer in Deutschland (AEU), Peter Barrenstein, und der stellvertretenden Vorsitzenden des DGB, Elke Hannack, kamen im Anschluss aktuelle Themen wie der Mindestlohn aber auch die künftige Entwicklung der Arbeitswelt durch die Arbeit 4.0 zur Sprache.

„Die Soziale Marktwirtschaft wäre nie entstanden, ohne dass es eine christliche Soziallehre als Wertefundament gegeben hätte“, resümierte Staatssekretär Laumann. In der heutigen Zeit müssten diese Ideen an die neuen Anforderungen angepasst werden wobei die verschiedenen oft widerstreitenden Interessen der Bevölkerungsgruppen gerecht abgewogen werden müssen. Laumann verwies auf die Diskussionen bei der Einführung des Mindestlohnes: „Jemand, der acht Stunden am Tag fleißig arbeitet, muss von den Früchten seiner Arbeit leben können.“ Kritikern des Mindestlohns hielt Laumann zugute, dass sie von der Sorge um die Entwicklung der einfachen Arbeit in Deutschland motiviert gewesen seien, auch wenn die wissenschaftlichen Prognosen am Ende nicht eingetreten seien.

Der Gesetzgeber braucht einen sozialen Wertekompass, um der Verantwortung unsere Gesellschaftsordnung gerecht zu werden.

Reiner Meier, CSA

In seinem Schlusswort bezeichnete der stellvertretende Landesvorsitzende der CSA, Reiner Meier, die Diskussion über die Rolle des Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft als einen ständigen Prozess, der allein wegen der technischen Entwicklung immer wieder neue Fragen aufwerfe. „Der Gesetzgeber braucht einen sozialen Wertekompass, um der Verantwortung unsere Gesellschaftsordnung gerecht zu werden.“