Krisen überall: Fußballverbände im Wandel. (Bild: Fotolia, 103tnn.)
Fußball

„Wir wollen den Wechsel!“

FIFA-Boss Sepp Blatter muss sich beim UEFA-Kongress in Wien wie im Feindesland gefühlt haben. Der Schweizer traf auf ungewohnt offenen Widerstand innerhalb des Verbandes. Der Niederländer Michael van Praag will neuer FIFA-Präsident werden.

Seine drei Konkurrenten um das Präsidentenamt wurden alle von europäischen Verbänden aufgestellt: Portugals Fußballheld Luis Figo, der niederländische Verbandschef Michael von Praag und der jordanische Prinz Ali bin al-Hussein. Und im Gegensatz zu Blatters gefügigen Vasallen aus oft käuflichen Kleinstaaten und korrupten Dynastien sparten sie nicht mit überdeutlicher Kritik an Blatter und der FIFA.

„Mehr Einfluss als jedes Land der Erde“

In Wien sollte auch vorgefühlt werden, wer aus dem Trio am Ende wirklich am 29. Mai in den Ring gegen den von Fußballfans auf der ganzen Welt verhassten Blatter stehen wird. Der ewige FIFA-Boss zog es vor, nur salbungsvolle Eröffnungsworte zu sprechen. Eigene Pläne für seine nächste Amtsperiode stellte er nicht vor: „Mein Programm ist meine Arbeit, das, was ich in der FIFA geleistet habe.“ Dieser Satz schreckt die Europäer nur noch mehr ab. Kurz vor dem Kongress billigte Blatter seiner FIFA gar „durch die positiven Emotionen, die der Fußball auslöst“, mehr Einfluss zu „als jedem Land der Erde und jeder Religion“. Größenwahn oder Missionsglaube?

Die UEFA jedenfalls will mit allen Mitteln verhindern, dass der 79-jährige Schweizer in seine fünfte Amtszeit geht, nachdem er das Ansehen des Weltverbands durch chronische Korruptionsskandale auf den absoluten Tiefpunkt geführt hat. Prinz Ali nannte es „unerträglich“, dass die Imagewerte der FIFA in den Keller rauschen. „Wenn man zur Zeit den Begriff FIFA googelt, erhält man jede Menge Treffer zu Korruption und zu den Deals, welche die Organisation macht. Das müssen wir ändern“, forderte Luis Figo. Am härtesten aber teilte der Niederländer Michael van Praag aus: „Jeder Nationalverband erhält jetzt eine Bonuszahlung von 500000 Dollar. Aber warum nicht 200000 oder 700000? Wir wissen überhaupt nicht, wie diese Beträge zustande kommen. Es gibt keine Transparenz!“ Blatter verteile FIFA-Mittel nach Gutsherrenart, das ist der Vorwurf. Letztes Jahr habe die FIFA 27 Millionen in einen – nebenbei: höchst peinlichen und Blatter beweihräuchernden – Hollywoodfilm gesteckt, aber Blatters Vorstandskollegen aus der FIFA-Exekutive hätten nichts davon gewusst. „Ich will nicht für die nächsten 20 Jahre Präsident sein, sondern nur für die nächsten vier Jahre, um 2019 eine offenere und glaubwürdigere Organisation an die neue Generation zu übergeben“, betonte der Niederländer mit Blick auf den ewigen Sepp. Und van Praag legt nach: „Wer weiß denn, ob er (Blatter) 2019 nicht wieder antritt? Er hat schon 2011 versprochen, dies sei die letzte Amtszeit!“ Weitere vier Jahre Blatter seien „Zeitverschwendung“. Alle offenen Fragen rund um den Korruptionsreport zu den WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar harrten einer Lösung, so van Praag. Ein Drittel der damals Abstimmenden flogen wegen Korruption mittlerweile aus der FIFA-Exekutive. Alle FIFA-Ausgaben und das Präsidentengehalt will der Niederländer künftig offenlegen. Die stete Nutzung teurer Privatjets durch Blatter geißelte der Herausforderer schon vor Wochen. Van Praag hat weitere Ziele veröffentlicht: Er will der FIFA-Exekutive viele Privilegien wie die Übernachtungen in Fünf-Sterne-Hotels streichen, die Korruption in der FIFA bekämpfen, das Gehalt des Präsidenten kürzen, die Weltmeisterschaft auf 40 statt 32 Startplätze ausbauen und künftig jedem Nationalverband eine Million Dollar pro Jahr zahlen.

Verärgerung über die Winter-WM in Katar

Die Winter-WM in Katar mit Endspiel am vierten Advent hat bei allen wichtigen Fußballligen der Welt große Verärgerung ausgelöst. Trotzdem bleibt Blatter am 29. Mai klarer Favorit, weil er bei den vergangenen Wahlen insbesondere die vielen Kleinstaaten auf seine Seite ziehen konnte. Meist gab es dabei Korruptionsgerüchte und dubiose Geschenke-Orgien, für einen klaren Beweis gegen Blatter reichte es jedoch nie. Eigentlich darf der Schweizer im Wahlkampf weder Personal noch Mittel des Weltverbands einsetzen. In Wien wurde aber gemunkelt, vor dem Züricher FIFA-Sitz stünden wieder ungewöhnlich viele Besucher. Da ist es nur ein kleiner Lichtblick, dass bisher keine kontinentalen Blatter-Wahlzusagen aus Afrika oder Südamerika kamen. In Wien waren viele Beobachter aus anderen Erdteil-Verbänden anwesend. Um zu beobachten, dass es eine bessere Fußballwelt ohne Blatter geben kann? DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, in Wien neu in die FIFA-Exekutive gewählt, stellte jedenfalls klar: „Europa hat das klare Signal gesetzt: Wir wollen den Wechsel!“