In Davos beginnt am 20. Januar das 46. Weltwirtschaftsforum. Unter den 2.500 Teilnehmern werden auch 40 Staats- und Regierungschefs sein. Foto: imago/EQ Images
Weltwirtschaft

In Davos die Welt retten

Mit rund 2.500 Politikern, Managern und Wissenschaftlern aus mehr als 100 Ländern hat im Schweizer Alpenkurort Davos die Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) begonnen. Neben Themen wie Digitalisierung und Konjunktur ist die anhaltende Flüchtlingskrise eines der zentralsten Themen beim 46. Jahrestreffen im schweizerischen Nobelkurort.

Konjunkturschwäche, Flüchtlingskrise, Folgen der zunehmenden Digitalisierung: Über 100 Seiten und ein breites Themenspektrum deckt das Programm des Weltwirtschaftsforum (WEF) ab, das am Mittwoch im schweizerischen Davos begonnen hat und bis Samstag dauern wird. Das Motto lautet: „Die Meisterung der vierten industriellen Revolution“. Darunter versteht das WEF die fortschreitende technologische Entwicklung des Internets, leistungsfähiger Sensoren, künstlicher Intelligenz und des maschinellen Lernens.

Gauck warnt vor dem Zerbrechen Europas

Mit großem Interesse wurde in Davos die Eröffnungsrede von Bundespräsident Joachim Gauck zu Folgen und Herausforderungen der Flüchtlingskrise erwartet. Gauck sprach bei einer Plenarsitzung zum Thema „In der Hoffnung auf Wohlstand: Flucht und Migration nach Europa“. Um die Bewältigung der Flüchtlingskrise geht es auch am Abend bei einer Diskussionsrunde mit Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD).

Mit drastischen Worten warnte Gauck vor einem Zerbrechen Europas in der Flüchtlingskrise. Zugleich verlangte er eine offene Debatte über die Begrenzung des Zuzugs.

Wollen wir wirklich, dass das große historische Werk, das Europa Frieden und Wohlstand gebracht hat, an der Flüchtlingsfrage zerbricht?

Joachim Gauck

Scharfe Kritik übte er an der mangelnden Solidarität innerhalb Europas in der Flüchtlingskrise. Eine Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen könne moralisch gerechtfertigt sein und helfen, die Akzeptanz zu erhalten, betonte Gauck. Für die Aufnahmefähigkeit von Gesellschaften gebe es keine mathematische Formel. Begrenzungsstrategien zu entwickeln sei Element verantwortlichen Regierungshandelns. „Wenn nicht Demokraten über Begrenzungen reden wollen, wird Populisten und Fremdenfeinden das Feld überlassen“, sagte Gauck weiter. Er riet beim Umgang mit der Flüchtlingskrise zu mehr Realitätssinn und Sachlichkeit.

 Zu einem bewegten Herzen und der Begeisterung für Menschlichkeit und das Gute gehört die Kalkulation der Tatsache, dass wir immer mit begrenzten Kräften an der Herstellung des Guten agieren.

Joachim Gauck

Preisverleihung als Auftakt

Neben gut 40 Staats- und Regierungschefs sind traditionell in Davos auch viele Prominente aus Wirtschaft, Medien und Kultur zu Gast. Unter ihnen auch Schauspieler Leonardo DiCaprio. Er hatte bereits am Dienstagabend den Ehrenpreis des WEF, den „Crystal Award“, erhalten. Damit würdigte das WEF DiCaprios ehrenamtlichen Einsatz für den Schutz der Umwelt.

Mit seiner 1998 gegründeten „Leonardo DiCaprio Foundation“ habe der Schauspieler mehr als 30 Millionen Dollar zur Förderung von 70 innovativen Umweltprojekten in 40 Ländern gesammelt, erklärte das Weltwirtschaftsforum. Dabei gehe es zum Beispiel um den Schutz der Weltmeere sowie von bedrohten Tierarten. „Saubere Luft und sauberes Wasser sowie ein lebenswertes Klima sind unveräußerliche Menschenrechte“, erklärte DiCaprio. Die Klimakrise zu überwinden, sei „keine Frage der Politik, sondern eine Frage unseres eigenen Überlebens“.

Für soziales Engagement auf verschiedenen Gebieten wurden auch die chinesische Schauspielerin Yao Chen, der dänisch-isländische Künstler Ólafur Elíasson und der amerikanische Rapper und Hip-Hop-Produzent will.i.am mit „Crystal Awards“ geehrt.

Eine wahre Großveranstaltung

Dass das Treffen in Davos ein Treffen der Superlative ist, zeigen auch die Zahlen. 1.000 Polizisten und 3.000 Soldaten sind im Einsatz, 2.000 weitere in Reserve. Kampfjets sichern den gesperrten Luftraum, am Boden gibt es Flugabwehrwaffen, Straßensperren und Sicherheitsschleusen. Dem WEF gehören 1.000 der weltgrößten Unternehmen an. Der WEF-Jahresbeitrag liegt – je nach Firmengröße und Umfang der Beteiligung – zwischen 50.000 und 500.000 Franken (458.000 Euro).

Und abseits der wirtschaftlichen und politischen Debatten darf auch mal gefeiert werden. Es gibt gut ein Dutzend Partys pro Nacht, die begehrtesten mit Vertretern des Hochadels und Hollywoods. Gastronomen haben den Gesamtumsatz voriges Jahr auf 35 Millionen Euro geschätzt.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde in Davos nicht nur diskutiert, es wurden auch weitreichenden Beschlüsse gefasst. So wurde beispielsweise die „Davos Declaration“, die Griechenland und die Türkei in letzter Minute davon abhielt, einen Krieg zu beginnen, 1988 von diesen beiden Ländern unterzeichnet. Beim Jahrestreffen 1992 traten der südafrikanische Präsident Frederik Willem de Klerk, Nelson Mandela und Mangosuthu Buthelezi erstmals gemeinsam außerhalb Afrikas auf.

Doch es gibt auch Kritik an der Veranstaltung. Da es sich beim WEF um eine von Globalisierungskritikern als „neoliberal“ angesehene Organisation handelt, zieht es die Aufmerksamkeit zahlreicher linker Gruppen auf sich, die im WEF ein Symbol des Kapitalismus sehen – ähnlich wie im G8-Gipfel. Ende der 1990er Jahre gerieten das Forum, der G8-Gipfel, die Weltbank, die WTO und der IWF unter die massive Kritik von Globalisierungskritikern, weil deren „Kapitalismus“ und „Globalisierung“ die Armut verstärken und die Umwelt zerstören würden. Auch fehlende Unabhängigkeit von den Interessen der stärksten Wirtschaftsvertreter der Welt, die ja das Rückgrat des WEF bilden, wird kritisiert.

Das Weltwirtschaftsforum ist eine in Cologny im Kanton Genf (Schweiz) ansässige gemeinnützige Stiftung.

Sie ist die in erster Linie für das von ihr veranstaltete Jahrestreffen bekannt ist, das alljährlich in Davos im Kanton Graubünden stattfindet. Bei diesen Treffen kommen international führende Wirtschaftsexperten, Politiker, Intellektuelle und Journalisten zusammen, um über aktuelle globale Fragen, dazu zählen neben der Wirtschafts- auch die Gesundheits- und Umweltpolitik, zu diskutieren. Führende Politiker nutzen Davos als neutrale Plattform zur Beilegung ihrer Differenzen.

Seine Wurzel hat das Treffen im Jahre 1971. In diesem Jahr lud Klaus Schwab, damals Professor für Unternehmenspolitik an der Universität Genf, 444 Führungskräfte westeuropäischer Firmen zum ersten „European Management Symposium“ ein, das in dem damals neu erbauten Kongresszentrum von Davos stattfand. 1974 waren neben Vertretern der Wirtschaft zum ersten Mal auch Politiker nach Davos eingeladen.