Im Schatten der türkischen Flagge: Journalist Deniz Yücel (r.) mit einem türkischen Abgeordneten bei der Aufzeichnung einer ZDF-Talkshow im Juli 2016. (Foto: Imago/Müller-Stauffenberg)
Türkei

Presse-Unfreiheit in Erdogans Staat

Der in der Türkei festgesetzte deutsche Journalist Deniz Yücel muss in Untersuchungshaft gehen. Ein Haftrichter hat dies nach zweiwöchigem Polizeigewahrsam festgelegt. Die Bundesregierung protestiert gegen diese Entscheidung.

Die gegen den deutschen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei verhängte Untersuchungshaft hat in Deutschland bei Regierung, Parteien und Journalistenverbänden Unverständnis und Empörung ausgelöst. Die U-Haft kann fünf Jahre dauern, bis es zur Freilassung oder zu einem Prozess kommt, in dem die Schuldfrage geklärt wird. Dem 43-jährigen Korrespondenten werden von den türkischen Justizbehörden „Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung“ vorgeworfen. Yücel ist der erste deutsche Korrespondent, der seit Regierungsübernahme der islamisch-konservativen AKP des heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2002 in Untersuchungshaft kommt. Allerdings hat der Journalist auch einen türkischen Pass, weshalb er von der Türkei als Türke angesehen wird – und damit weit weniger Schutz vor Verfolgung genießt als ausländische Reporter.

Enttäuschte Kanzlerin

Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Anordnung der Untersuchungshaft „bitter und enttäuschend“ und erklärte: „Diese Maßnahme ist unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat.“ Die Bundesregierung erwarte, dass die türkische Justiz dies im Fall Yücel berücksichtige.

Wir hoffen, dass er bald seine Freiheit zurückerlangt.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Unter dem derzeit geltenden Ausnahmezustand in der Türkei können Verdächtige bis zu 14 Tage in Gewahrsam gehalten werden. Zum Ablauf dieser zwei Wochen war der Reporter einem Haftrichter vorgeführt worden. Bereits der lange Polizeigewahrsam für Yücel war in Deutschland auf Kritik gestoßen. Yücel hatte sich am 14. Februar bei der Polizei in Istanbul gemeldet, weil nach ihm gefahndet wurde, und war festgenommen worden.

Die Medien solidarisieren sich

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International nannte den Haftbefehl „inakzeptabel“. Reporter ohne Grenzen erklärte: „Dass ein Korrespondent einer namhaften ausländischen Redaktion sich jetzt gegen solche Anschuldigungen erwehren muss, bedeutet eine neue Qualität der Verfolgung, die deutlich über die bisherigen Schikanen wie Einreisesperren oder verweigerte Akkreditierungen hinausgeht.“ Yücel und alle anderen inhaftierten Journalisten müssten sofort freigelassen werden, forderte RoG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner bezeichnete das Vorgehen der türkischen Justiz als „Mechanismus der Einschüchterung“ eines autokratischen Systems. „Sein Fall ist kein Einzelfall, er ist Teil eines Systems, von neuer Qualität ist er nur deshalb, weil hier der Korrespondent einer nichttürkischen Zeitung betroffen ist“, schrieb der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger in einem auf welt.de veröffentlichten Beitrag.

(dpa)