„Ich bin Eure Stimme!”
Amerika zuerst, ein anderes Land sofort: Unter dieses Motto will Donald Trump seine Präsidentschaft stellen, sollte er am 8. November zum US-Präsidenten gewählt werden. Jetzt ist er offiziell Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner. Mit seiner bislang besten Rede hat der New Yorker Immobilienmilliardär auf dem Convent in Cleveland die Nominierung seiner Partei angenommen.
US-Wahlkampf

„Ich bin Eure Stimme!”

Amerika zuerst, ein anderes Land sofort: Unter dieses Motto will Donald Trump seine Präsidentschaft stellen, sollte er am 8. November zum US-Präsidenten gewählt werden. Jetzt ist er offiziell Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner. Mit seiner bislang besten Rede hat der New Yorker Immobilienmilliardär auf dem Convent in Cleveland die Nominierung seiner Partei angenommen.

Viel mehr Amerika. Viel weniger Welt. Mehr Arbeitsplätze, weniger Leiden, mehr Wohlstand − und er, der Milliardär, als ein unerbittlicher Anwalt der Entrechteten: Das sind nur einige der Versprechen, die Donald Trump in die Waagschale des Wahlkampfs wirft. Nun will er sofort losziehen, Amerika wieder groß zu machen. Und er sieht sich berufen: Niemand kenne das System besser als er − also könne auch niemand anders es heilen. Schon deswegen habe er antreten müssen. Luftballons, grenzenloser Jubel, das war Cleveland.

„I am your voice!“

Als Ivanka Trump ihren Vater ankündigt, sehr persönlich und weich, das Bild eines titanischen Menschen mit unglaublichen Fähigkeiten für die USA zeichnet, da treiben die vier Tage des Konvents auf ihren Höhepunkt zu. Tränen der Rührung im Block von Tennessee, heiser gebrüllte Begeisterte in Virginia.

„I am your voice!“ − „Ich bin Eure Stimme”, rief Trump dann seinen Unterstützern zu. Der Milliardär will sich als Anwalt all derer in Amerika sehen, die lange ignoriert oder vernachlässigt worden seien. Seine Rede war deutlich substanzieller und um Längen besser gearbeitet als bisherige Auftritte. Sie kombinierte alle von Anhängern umjubelten Elemente seiner bisherigen Kampagne mit Ernsthaftigkeit und Emotionalisierung. Sie kam im Saal ausgezeichnet an. Trump versuchte, sich präsidentiell zu geben.

Niemand kennt das System besser als ich, deswegen bin ich der Einzige, der es reparieren kann.

Donald Trump

Konkrete Vorschläge ließ die etwa 75-minütige Rede gleichwohl vermissen, das Programm ist gleichsam Trump selbst. „Ich habe die politische Arena betreten, damit die Mächtigen nicht länger auf Menschen einschlagen können, die sich nicht verteidigen können. Niemand kennt das System besser als ich, deswegen bin ich der Einzige, der es reparieren kann”, rief Trump aus. Die Themen Handelsverträge und Arbeitsplätze sowie Recht und Ordnung nahmen in der Rede bei weitem den größten Raum ein. Er werde Millionen Jobs zurück in die USA bringen, so Trump. Unter riesigen Jubel wiederholte er, dass er an der Grenze zu Mexiko eine Mauer bauen werde. „Es kann ohne Gesetz und Ordnung kein Wachstum geben.”

Amerikanismus, nicht Globalismus, wird unser Credo sein.

Donald Trump

Er könne nicht wegsehen, wenn unschuldige Menschen litten, so Trump. „Ich habe Milliarden von Dollar mit Geschäftsdeals gemacht – jetzt will ich unser Land wieder reich machen.” Eine neue Wirtschaftspolitik werde Billionen zurück in die USA fließen lassen. Zum Thema Einwanderung sagte er, Jahrzehnte der Immigration hätten zu sinkenden Löhnen geführt und die Arbeitslosigkeit der Bürger erhöht, besonders für Afro-Amerikaner und Latinos. „Wir werden ein Einwanderungssystem haben, das funktioniert, aber eines, das für Amerikaner funktioniert.” Trump weiter: „Amerikanismus, nicht Globalismus, wird unser Credo sein.”

Auch, wer Trump nicht mag: Diese Rede war seine bisher wichtigste, und er hat diese Hürde spielend genommen.

Riesiger, kaum enden wollender Jubel: „USA,-USA”-Rufe gellen, „Baut die Mauer” (zu Mexiko) und immer wieder „Sperrt sie ein”. Sie, die größte Hassfigur des Konvents, Hillary Clinton. Endlich haben sie ihn, ihren Kandidaten. Es war eine geschickte, sehr gut gearbeitete Rede, seinen Anhängern sprach sie vollkommen aus dem Herzen. Auch, wer Trump nicht mag: Diese Rede war seine bisher wichtigste, und er hat diese Hürde spielend genommen.

Ted Cruz‘ Akt der politischen Sabotage

Fast täuschte das darüber hinweg, was für eine pannenreiche Strecke die Tage von Cleveland waren, und wie groß die Probleme der Partei sind. Mit Luft gefüllte bunte Ballons werden sie nicht richten, auch wenn die Strategen streuen, dass sich über alles außer Kandidat und Rede sofort der Nebel amerikanischen Vergessens legen wird.

Wählt nach Eurem Gewissen!

Ted Cruz

Tags zuvor hatte sich Ted Cruz in einem bemerkenswerten Akt politischer Sabotage ausgerechnet den Konvent ausgesucht, um auf diesem Hochamt öffentlicher Einigkeit den Nominierten ausdrücklich nicht zu unterstützen. 90 Minuten nach seinem sibyllinischen „Wählt nach Eurem Gewissen!” nutzte Clintons Wahlkampfteam, stets etwas um griffige Slogans verlegen, diese unerwartete Vorlage dankbar aus und twitterte die Phrase nebst einem Link zur Wählerregistrierung. Texanische Delegierte waren abends beim Bier trotzdem ganz begeistert von ihrem Senator.

Eine Riesensupershow hatte Trump für Cleveland versprochen, am Ende war es dann doch alles recht konventionell. Viele Dutzend Reden, stampfende Musik, Fähnchen und Plakate, Partys der Delegierten. Dazu schräge Fehler im Programm, ein sehr unprofessioneller Umgang mit Plagiatsvorwürfen, hier kam eine Organisation an ihre Grenzen. Außerdem war der Konvent so weiß, dass dies weder die demografische Gegenwart noch die Zukunft der USA abbildet − einschließlich der Partei.

Negativer Wahlkampf

„Es gab noch nie einen so negativen Grundton wie bei dieser Convention”, beobachtet der Wahlforscher Geoff Skelly von der Universität Virginia in Cleveland. „Auch, wenn es einen generellen Trend zu negativen Kampagnen gibt: Das hier war wirklich ungewöhnlich.”

Trump und Clinton sind einander paradox verbunden. In einer Art lähmender Zwangssymbiose saugen sie auf den Gipfeln ihrer Unbeliebtheit Zustimmung und Energie aus ihrer Antipathie. Was wäre, stünde auf nur einer Seite ein anderer, nicht so vorbelasteter Kandidat? Von ihren Bannerträgern überhaupt nicht überzeugt, hält ihre tiefe Feindschaft ja auch die eigenen Lager bei der Stange.

Trump ist auf die Unterstützung der unabhängigen Wähler im Land angewiesen, will er eine Siegchance haben.

Auch für seine Anhänger wird Trump inhaltlich irgendwann liefern müssen. Dafür ist ein Wahlparteitag womöglich nicht der richtige Ort. Aber Trump ist auf die Unterstützung der unabhängigen Wähler im Land angewiesen, will er eine Siegchance haben. Denen könnte das Absingen des immergleichen Anti-Clinton-Lieds zu wenig sein. Wie will Trump das Land flott machen, das er im Niedergang wähnt?

Ein Präsident, der gar nicht regieren will?

Welche Rezepte, Programme, Ideen? Wie also weiter? Die New York Times will erfahren haben, Trump habe vor Mike Pence Ohios Gouverneur John Kasich die bisher mächtigste Vizepräsidentschaft der USA angetragen. Jener Kasich, den Trump noch vor kurzem übel verspottet hatte und der Trump nicht leiden kann, hätte nichts weniger als die Verantwortung für die gesamte Innen- und die Außenpolitik bekommen sollen. Trump wollte währenddessen Amerika wieder groß machen, als eine Art bundespräsidialer Markenbotschafter der USA. Das könnte tief blicken lassen, wie Trump sich eine Präsidentschaft vorstellt. Er gibt den Trump, mit den Niederungen der Politik sollen sich andere abarbeiten. Nicht nur das Portal Vox hält das ironisch für konsequent: „Lasst uns einen König wählen. Eine mächtige Präsidentschaft ist eh eine schlechte Idee. Mehr delegieren.”

Trump stellt Nato-Beistand für angegriffene Nato-Partner in Frage.

Amerikas Alliierte hingegen dürften die Vorstellung einer Präsidentschaft Trumps nicht witzig finden. Sollte er sein jüngstes Hinterfragen eines Beistands der Nato für angegriffene Bündnispartner ernst meinen? Auch für den Konvent war das am Donnerstag neues Störfeuer, als hätte es der Debakel hier nicht genug gegeben. Womöglich begönne mit einem Präsidenten Trump tatsächlich eine neue Zeitrechnung. Hillary Clinton wird sich ab Montag in Philadelphia nach Kräften bemühen, genau davor eindringlich zu warnen. (dpa/H.M.)