Volkswagen steht in der Kritik. (Bild: VW)
Machtkampf bei VW

Das Ende der Ära Piech

Kommentar Bis vor ein paar Tagen war es undenkbar: VW und Ferdinand Piech sind geschieden. Der Mann, der VW im schwersten Fahrwasser im Jahre 1993 übernommen hatte und den Konzern zum Erfolg geführt hat, wurde vor die Tür gesetzt. Ein Comeback ist ausgeschlossen. Wie geht es jetzt weiter bei VW?

Der VW-Konzern als Ganzes ist erfolgreich und hat im letzten Jahr einen Gewinn vor Steuern von 14,8 Milliarden Euro ausgewiesen. Es scheint blendend zu laufen. Fünf Milliarden Euro davon hatte Audi verdient, vier Milliarden kommen aus dem China-Geschäft und 2,7 Milliarden Euro von Porsche. Die Kernmarke VW, die für die Hälfte des Konzernumsatzes steht, hat mit 2,5 Milliarden Euro weniger als David Porsche zum Gewinn beigetragen. Eine andere Kennzahl illustriert das noch anschaulicher. Die Marke VW hat im letzten Jahr pro Neuwagen 540 Euro Gewinn erzielt, Skoda 1026 Euro und der Wettbewerber Toyota gar 1650 Euro. Selbst GM und Ford lagen trotz großer Rückrufaktionen deutlich über VW. Das Herz des VW-Konzerns krankt. An den Rändern wird das Geld verdient. Ein schwaches Herz ist ein Risiko für den Konzern.

Blamables US-Geschäft: VW hinter Subaru

Die Gründe dafür sind bekannt. Mehr als 600000 Mitarbeiter, die weniger Fahrzeuge bauen wie der Weltmarktführer Toyota mit 350000 Mitarbeitern. Ein Großteil der Mitarbeiter sitzt im Hochland Deutschland, ein bedeutender Teil in Komponentenwerken, die Zulieferteile herstellen, die Zulieferer unter deutlich besseren Kosten produzieren. Dazu kommen ein blamables US-Geschäft und trotz neuer Fabrik und US-Passat sinkende US-Marktanteile. Selbst Subaru hat VW in den USA überholt. In Europa kämpft die Marke in einer Sandwich-Position und muss hohe Rabatte gewähren. Die Stammkunden wandern entweder zu Skoda oder Audi ab.

Zusätzlich schwächt sich in den letzten Monaten das wichtige China-Geschäft ab. Die seit Jahren angekündigten Kostenvorteile durch die Baukasten-Architekturen, den sogenannten Längs- und Querbaukasten, sind nicht zu erkennen. Entwicklungen, die Piech genau seit langem beobachtet und ihn haben zur Erkenntnis kommen lassen, dass sein ausgewählter Kronprinz – Vorstandschef Martin Winterkorn – die Probleme nicht in den Griff bekommt. Winterkorn ist detailversessen und optimiert die Schraube an der Rücksitzverstellung, aber eine erfolgreiche US-Strategie hat er nicht geschafft. Deshalb hatte Piech den Sturz betrieben. Seine letzte Chance hatte Winterkorn bei Piech vermutlich beim Effizienzprogramm im Sommer verspielt. Bereits nach drei Tagen wurde McKinsey vom Betriebsrat vor die Tür gesetzt und das Effizienzprogramm zur Farce degeneriert.

Piech ist weg, aber die Probleme bleiben. Der VW-Betriebsrat ist jetzt mächtiger denn je. Winterkorn ist nach der gescheiterten Piech-Revolte ein Vorsitzender, der von der Gnade des Betriebsrats lebt. Sollte Piech seine VW-Aktien verkaufen, verschiebt sich das Kräfteverhältnis noch stärker. Es ist nicht vorstellbar, dass ein gro-ßer, starker Investor bei VW mit seinem Kapital einsteigt.

Das Vetorecht des Landes Niedersachsen gemeinsam mit den 50 Prozent Sitzen der Arbeitsnehmer im Aufsichtsrat macht jede Strategieumkehr so gut wie unmöglich. Also bleiben Kleinaktionäre, die der IG-Metall und dem Betriebsrat wenig entgegensetzen können. Der VW-Konzern könnte sich zu einer Art „Verteilgesellschaft“ entwickeln und vielleicht in fünfzehn Jahren dort stehen, wo Piech übernommen hat.

Starker Aufsichtsratsvorsitzender für den Neuanfang

VW braucht die Therapie der Herzschwäche. Mit dem heutigen VW-Management und den -Aufsichtsräten ohne Ferdinand Piech ist das nicht zu machen. Wer es über fünf Jahre nicht schafft, eine Besserung zu erreichen, dem gelingt es auch in den nächsten zehn Jahren nicht. Wesentlich für den Neuanfang ist neben einem neuen Vorstandsvorsitzenden ein starker Aufsichtsratsvorsitzender. Der kann nur von außen kommen. Wolfgang Reitzle wäre ein solcher Kandidat. Er versteht das Autogeschäft und hat bei BMW und zuletzt Linde die erfolgreiche Neuausrichtung geschafft.

Ob er sich für solch eine Rolle hergibt, kann angezweifelt werden, denn der Machkampf mit der starken Gewerkschaft und dem Betriebsrat ist zermürbend. Der Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne hat mit seiner rauhen Art und hohem Tempo Fiat gerettet und Fiat-Chrysler geformt. Persönlichkeiten dieser Couleur braucht VW an der Spitze seines Kontrollgremiums. Ob es gelingt, solche Persönlichkeiten für VW zu gewinnen, ist eher zweifelhaft.

Die Automobilindustrie ist eine sehr wettbewerbsintensive Branche. Schwächen und Ineffizienzen werden hart bestraft. Das hat sogar der mehr als 30 Jahre als Markführer agierende US-Konzern General Motors erfahren müssen, als er im Jahr 2009 in die Insolvenz ging.

Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.