Für den Nahverkehr in Großstädten: Entwurf des Bauunternehmens Max Bögl für eine Magnetschwebebahn. (Bild: Max Bögl)
Verkehr

Rückkehr des Transrapid

Auferstehung einer Technologie, die vor zehn Jahren beinahe tot war: Das Bauunternehmen Max Bögl aus der Oberpfalz hat eine Magnetschwebebahn für den Personennahverkehr entwickelt. Interessenten aus China haben schon angefragt.

Stefan Bögl hat eine Vision –und für ihre Realisierung engagiert sich der Vorstandsvorsitzende des bayerischen Bauunternehmens Max Bögl schon jahrelang: Seit 2010 tüfteln die Ingenieure der Baugruppe an einer Magnetschwebebahn für den Personennahverkehr – dem Transport System Bögl, kurz TSB. „Viele Städte wachsen. Luftverschmutzung, Verkehrsstaus und Lärm sind die Folge“, erklärt Bögl seine Vision.

Metropolen brauchen eine Verlagerung vom Individual- zum  Personennahverkehr.

Stefan Bögl, Bauunternehmer

Und die passende Technik dazu will sein Baukonzern bieten. Schon einmal hat sich das renommierte Unternehmen aus dem oberpfälzischen Sengenthal für ein Magnetschwebebahn-Projekt engagiert: Von Ende 2000 bis März 2008 war die Firmengruppe Max Bögl in einem Konsortium vertreten, das den Transrapid in München realisieren wollte.

Die Magnetschwebebahn sollte mit einer Spitzengeschwindigkeit von bis zu 350 Kilometern den Flughafen München mit dem Münchner Hauptbahnhof verbinden. Als Vertreter von Bund und Land das Projekt wegen der gestiegenen Kostenprognose von 1,85 auf mehr als drei Milliarden Euro stoppten, war bei Max Bögl die Enttäuschung groß. „So eine zukunftsfähige Technologie soll keine Anwendung finden? Das wollten wir so nicht stehen lassen“, erinnert sich der Unternehmenschef.

Also fassten die Bauexperten nach einiger Zeit den Entschluss, „ihr Wissen zu bündeln und ein neues System für den Personennahverkehr zu entwickeln“. Die aktuell rund vierzig Mann starke Projekttruppe beschäftigt sich seither mit dem Fahrweg, dem Fahrzeug und der Betriebsleittechnik. Inzwischen steht das TSB kurz vor seiner Zulassung, erste Interessenten haben bei Max Bögl bereits angeklopft.

Jedes Detail zählt

Autofahrer, die in der Oberpfalz auf der B299 bei Sengenthal unterwegs sind, können immer wieder eine Bahn auf einer rund 800 Meter langen Teststrecke beobachten, die fahrerlos hin- und hergleitet. „Unser Ansatz ist eine spurgebundene, automatische Transportlösung für den Personennahverkehr in den Großstädten dieser Welt“, wirbt Bögl. Das Projektteam konzipiert das TSB daher insbesondere für Streckenlängen zwischen einem und 30 Kilometern.

Im Gegensatz zur Technik bisheriger Magnetbahnsysteme umgreift das Bögl-Fahrzeug seine Schiene innerhalb der Trasse, sodass der Betonfahrweg die – ohnehin schon kaum hörbaren – Fahrgeräusche zusätzlich abschirmt: „Das führt zu deutlich reduzierten Schallemissionen“, erklärt Bögl. Positiver Nebeneffekt: Das TSB ist witterungsunabhängig und kann selbst bei starkem Eis und Schnee ohne Einschränkungen betrieben werden.

Der Kurzstator-Linearantrieb

Ein besonderer Motor, ein asynchroner Kurzstator-Linearantrieb, den die Bögl-Experten im Fahrzeug verbauen, macht zudem Komponenten im Fahrweg überflüssig. Das senkt die Kosten.

Einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag hat das Bauunternehmen in das Vorhaben TSB investiert. Der 43-jährige Maschinenbauer Bögl, der das Unternehmen mit seinen Geschwistern in dritter Generation führt, ist trotz der langen Entwicklungsphase davon überzeugt, dass sich die immense Investition lohnt: „Der TSB lässt sich ideal im städtischen Bereich einsetzen, um Vorstädte, Industriegebiete, Messen oder Flughäfen an das bestehende Verkehrsnetz anzubinden – und um den Straßenverkehr zu entlasten.“ Mit etwa 150 Kilometern pro Stunde fahre der TSB „deutlich schneller als eine Straßen- oder S-Bahn“.

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Stefan Bögl

Die Kosten für den Bau einer Strecke fallen laut Branchenexperten wesentlich geringer aus als bei vergleichbaren Verkehrsmitteln: Während sich die Ausgaben für den Bau eines Kilometers U-Bahn in beide Fahrtrichtungen durchaus auf 250 bis 300 Millionen Euro summieren können, schätzen sie die Kosten für eine identisch lange, doppelspurig aufgeständerte Strecke des TSB nur auf etwa 50 Millionen Euro.

Interesse aus China

Bereits Anfang 2018 hat der Baukonzern einen Kooperationsvertrag abgeschlossen: Mit dem chinesischen Unternehmen Chengdu Xinzhu Road & Bridge Co. Ltd. Der Vertrag sieht den Bau einer mehr als 3,5 Kilometer langen Teststrecke in der Provinz Sichuan vor, um die Zulassung für das Magnetschwebesystem in China erhalten zu können. Das chinesische Unternehmen übernimmt darüber hinaus die Vermarktung und Produktion des Systems in China.

Unternehmer Bögl schätzt den chinesischen Markt als enorm wichtig ein: „Speziell in China entsteht in vielen Millionenstädten die Infrastruktur völlig neu. Das erfordert neue Konzepte, wie man den Personennahverkehr mit einem leistungsstarken System attraktiv macht.“ In den kommenden Jahren sollen mehrere Tausend Kilometer im Personennahverkehr geplant und gebaut werden. Spurgebundene Massenverkehrsmittel sollen den Individualverkehr so weit wie möglich ersetzen.

Bahn an der Bundesstraße

Ehe aber Millionen Menschen weltweit ihren Weg zur Arbeit, zum Flughafen oder zur Messe tatsächlich mit einer ganz alltäglich gewordenen Magnetschwebebahn zurücklegen werden, verblüfft das Bögl-System weiterhin nur die Autofahrer, die auf der B299 bei Sengenthal unterwegs sind.