Bargeld ade? Drei Viertel der Deutschen sind gegen die Abschaffung von Münzen und Geldscheinen. Foto: Fotolia
Finanzpolitik

Das Ende des Bargelds

In Deutschland ist die Debatte um das Bargeld entbrannt: Peter Bofinger hatte kürzlich die Abschaffung von Münzen und Geldscheinen gefordert. Jetzt hagelt Kritik auf den Würzburger Wirtschaftsweisen ein. Markus Ferber (CSU) sieht darin "eine massive Beschneidung der Freiheit". In einer Umfrage sind drei Viertel der Deutschen dagegen.

Die große Mehrheit der Deutschen wollen bei ihren Einkäufen auch in Zukunft nicht auf Bares verzichten. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov hervor. „Die Forderung nach der kompletten Abschaffung des Bargelds geht eindeutig an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei“, so kommentierte der CSU-Europaabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Markus Ferber, die Debatte Bargeld aus dem Zahlungsverkehr zu ziehen und alle Zahlungen nur noch elektronisch abzuwickeln. „Der mündige Bürger muss die Option behalten, ob er mit Bargeld oder bargeldlos bezahlen will.“

Ähnlich sieht es CSU-Fraktionsvize und Haushaltsausschussmitglied Karl Freller: „Das geht doch total am wahren Leben vorbei!“ Abschaffung von Bargeld hätte vielleicht für Banken Vorteile, aber wäre völlig ungeeignet für den normalen Bürger. „Praktisch niemand zahlt seine ‚Drei im Weggla‘ oder den Döner an der Imbissbude mit der EC-Karte!“

 Schon heute könne jeder individuell entscheiden, ob und wie oft er Bargeld nutzen möchte. Vorzuschreiben, keines mehr zu benutzen, sei eine Entmündigung des Bürgers, so Freller. „Bargeld hat seinen Sinn – die Menschen haben ein festes Zahlungsmittel in Händen, über das sie in größter Freiheit selbst entscheiden können ohne Einbindung Dritter wie Banken oder Kreditunternehmen.“ Auch die Eigenschaft ‚mit Geld umgehen zu können‘ sei ohne Bargeld an Kinder und Jugendliche nur schwer zu vermitteln.

 Den Vorschlag des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger hält Freller auch aus ganz anderer Sicht für wenig ‚weise‘: „Die Abschaffung von Bargeld öffnet Tür und Tor für den gläsernen Bürger und einen Überwachungsmissbrauch bis zum letzten Cent des Eigentums.“

 

Professor Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, sagte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk: „Manches würde zusammenbrechen, wenn man von einem Tag auf den anderen sagen würde, wir schaffen das Bargeld ab. Selbst im hochtechnologisierten Bayern haben wir noch nicht die Infrastruktur dazu. Wir müssen doch sehen: Wo kann man überhaupt mit Kreditkarte zahlen? Wenn ich auf einer einsamen Hütte ankomme, die ist noch nicht auf Kreditkarten eingestellt. Wenn ich mit meinem Handy bezahle, selbst da habe ich nicht überall einen Zugang, weil die Handymasten nicht entsprechend ausgerüstet sind. Also, das dauert zum Glück noch eine Zeit.“

Kriminalität und Notenbankpolitik kein Argument für Abschaffung

„Die Abschaffung des Bargelds wäre eine massive Beschneidung der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger“, sagt Europaabgeordneter Ferber weiter. Dass ein System ohne Bargeld kriminelle Handlungen, wie Steuerhinterziehung und Geldwäsche massiv erschweren würde, ist für Ferber kein Argument gegen Münzen und Scheine. „Die Mitgliedsstaaten und die Europäische Union müssen ihre Gesetze und Instrumente anwenden, um gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen. Aber dafür müssen wir nicht das Bargeld abschaffen.“

Befürworter argumentieren auch damit, dass die Abschaffung des Bargelds Banken erlauben würde auf die Einlagen ihrer Kunden Negativzinsen, also Strafgebühren, zu erheben und so die Wirksamkeit der Notenbankpolitik erhöht würde. Ferber hielte dies für ein fatales Signal. „Wir wollen doch das Vertrauen in Banken und Markt zurückgewinnen. Damit würden wir jedoch genau das Gegenteil bewirken. Die Abschaffung des Bargelds wäre eine Enteignung des kleinen Sparers.“

 Ziel: Alle Bezahlmethoden sicher machen

Der CSU-Europaabgeordnete betonte, dass die Realität doch die sei, dass die Menschen nach wie vor überwiegend mit Bargeld bezahlen. „Deswegen sollten wir uns nicht einer sinnlosen Debatte pro oder contra Bargeld widmen. Vielmehr sollten wir daran arbeiten, dass alle Bezahlmethoden, ob Bar, mit Karte oder mit neuen Diensten wie mit dem Handy so einfach wie möglich sind und gleichzeitig ein sicherer Daten- und Verbraucherschutz gewährleistet wird.“

Die Umfrage zur Abschaffung des Bargelds

Laut der oben genannten Umfrage würden es drei von vier Befragten (74 Prozent) ablehnen, wenn in Deutschland der Annahmezwang für Bargeld wegfallen würde. Immerhin jeder Fünfte (21 Prozent) in Deutschland würde ein solches Gesetz allerdings befürworten.

Ein Grund dafür könnte laut „YouGov“, sein, dass immer noch mehr Menschen ihre Einkäufe mit Bargeld bezahlen als mit Karte. Mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent) bezahlt zum Beispiel im Supermarkt immer oder meistens mit Bargeld, nur jeder Vierte (24 Prozent) meistens oder immer mit EC- oder Kreditkarte.

Für die meisten Deutschen ist es vollkommen selbstverständlich, kleinere und mitunter größere Einkäufe bar zu bezahlen. Berechnungen zufolge werden in der Bundesrepublik 82 Prozent der Einkäufe mit Barem beglichen. Zum Vergleich: In den USA sind es 46, in Frankreich 56 Prozent.

Der Beginn der Debatte

Für ein Ende des Bargelds hatte sich kürzlich der Würzburger Wirtschaftsweise Peter Bofinger ausgesprochen. „Bei den heutigen technischen Möglichkeiten sind Münzen und Geldscheine tatsächlich ein Anachronismus“, sagte er dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Mit anderen Worten: Bargeld ist veraltet und letztlich überflüssig. Außerdem werde Bargeld für illegale Aktivitäten bevorzugt verwendet, beispielsweise für das Reinwaschen von Drogengeld, bei der Steuerhinterziehung oder in der Schwarzarbeit. Ein Bargeld-Stopp würde dem einen Riegel vorschieben.

Das zweite Argument: Da die Spar- und Kreditzinsen im Euroraum derzeit nicht nur extrem tief, sondern teils sogar schon im Minus liegen, steigt für Verbraucher und Unternehmen der Anreiz, Geld nicht mehr auf ihr Konto zu stellen, sondern in Münzen und Geldscheinen zu horten. Das bedeutet: Bargeld begrenzt die Möglichkeiten einer Notenbank, in Krisenzeiten die Wirtschaft durch Negativzinsen – also superbilliges Geld – anzuschieben.

Die Reaktion auf Bofinger war heftig. „Es gab einen regelrechten Shitstorm“, klagte der Professor gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Kritiker der Bargeldabschaffung argumentieren, eine Abschaffung des Bargelds diene in erster Linie dazu, den Notenbanken ihren extrem lockeren und – so die Kritiker – verfehlten Krisenkurs zu erleichtern. Eine Folge von sehr niedrigen Zinsen oder gar negativen Zinsen ist nämlich, dass Sparer belastet und Kreditnehmer entlastet werden. Mit der Abschaffung des Bargelds würde den Sparern die Möglichkeit genommen, einer Entwertung ihrer Guthaben auszuweichen.

Ein Bankraub forciert die Debatte

Schwung kam 2010 in die Debatte in Skandinavien, als in Schweden Bankräuber mit einem Hubschrauber auf einem Gelddepot gelandet waren und Bares in Höhe von vier Millionen Euro mitgehen ließen. Für die Polizei und viele Banker Schwedens war das Verbrechen Wasser auf die Mühlen. Sie hatten schon länger die Abschaffung der Banknoten gefordert. Der Slogan „Geld braucht nur noch deine Oma – und der Bankräuber“ war geboren.

Fünf Jahre später wird in Schweden Bares nur noch mit gerümpfter Nase und spitzen Fingern angefasst: „Bargeld brauchen nur noch alte Leute“, sagte jüngst Finanzministerin Magdalena Andersson. Auch in Dänemark droht Scheinen und Münzen die Verbannung: Tankstellen, Restaurants und kleine Geschäfte sollen ab 2016 kein Bargeld mehr annehmen müssen. Dem Großteil der Dänen dürfte es egal sein: Sie sind es längst gewohnt, mit Karte und Smartphone zu bezahlen. So wurde 2014 in dem Land nur noch ein Viertel aller Zahlungen mit Bargeld oder Scheck abgewickelt, und die Zentralbank will mangels Nachfrage ab Ende 2016 gar keine Banknoten mehr drucken. Adieu Bares!

Erwin Huber ist für Plastikgeld

Der CSU-Politiker Erwin Huber fordert indes auch in Deutschland die Gleichstellung von Bar- und „Plastikgeld“: „Es ist altmodisch und überholt, wenn wir zuerst zur Bank gehen, am Geldautomaten mit Karte und PIN Geld abheben, damit einkaufen und der Händler bringt abends das Geld wieder zur Bank zurück“, sagte Huber jüngst der Passauer Neuen Presse. „Schneller, einfacher, bequemer und sicherer ist es doch, gleich mit Plastikgeld einzukaufen“, meint der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bayerischen Landtag. Mit der Verbannung von 500- und 200-Euro-Scheinen aus dem Zahlungsverkehr hätte der CSU-Politiker überhaupt kein Problem. Im Gegenteil: Krumme Geschäfte wie Hehlerei, Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung würden sehr erschwert, „wenn es keine großen Scheine mehr gäbe“, so Huber. Sie könnten bequem durch Plastikgeld ersetzt werden, „zumal viele Geschäfte, etwa Tankstellen, die Annahme dieser Banknoten ablehnen“.