Moderator Marc Beise (Süddeutsche Zeitung), Prof. Michael Hengartner (Rektor Universität Zürich), Prof. Tobias Kretschmer (LMU), Prof. Manfred Prenzel (Wissenschaftsrat Köln), Prof. Martin Wirsing (LMU) und Prof. Bernd Huber (Präsident LMU) (v.l.n.r) Fotos: Anne Meßmer
Hochschulsymposium

Die Universität der Zukunft

Wie werden sich die Universitäten durch die fortschreitende Digitalisierung und den demographischen Wandel innerhalb der Gesellschaft verändern? Mit diesen Fragen setzten sich die Teilnehmer beim XI. Hochschulsymposium an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) am Freitag auseinander.

In einem Punkt waren sich alle Teilnehmer des Forums „E-Learning: Ist die Zukunft des Lernens digital?“ einig: Die Digitalisierung ist längst in den Hörsälen der Universitäten angekommen. „Schon heute werden Unterlagen digital zur Verfügung gestellt, gibt es Diskussionsforen und werden Vorlesungen aufgezeichnet. Dennoch ist der Austausch zwischen Studenten und Dozenten wichtig“, so Michael Hengartner, Rektor der Universität Zürich. Es gehe insbesondere darum, wie die fortschreitende Digitalisierung sinnvoll und effektiv in die Lehre und das Lernen eingebunden werden kann, pflichtete ihm sein Kollege Tobias Kretschmer, Vorstand am Institut für Strategie, Technologie und Organisation an der LMU bei.

Dass dieses Thema in Bayern schon lange auf der Tagesordnung steht, zeigt das Beispiel der „Virtuellen Hochschule Bayern“, die seit 15 Jahren die klassische Lehre an den Universitäten durch E-Learning-Angebote unterstützt.

Von der Kreidetafel zum Tablet

Es könne nicht die richtige Lösung sein, einfach Powerpoint-Präsentationen statt Overhead-Folien zu verwenden, die Vorlesung aufzuzeichnen und anschließend in ihrer Gänze ins Netz zu stellen. Technik soll da eingesetzt werden, wo sie Lehre und Lernen sinnvoll unterstützen kann. Denn das Wissen müssen sich die Studenten immer noch selbst aneignen. Das Angebot digitaler Inhalte kann dabei aber eine große Hilfestellung sein.

Lehre ist nicht mehr als Vorbereitung zu sehen, sondern als Kontext.

Martin Wirsing, Vizepräsident für den Bereich Studium der LMU

Auch wenn es darum geht, mehr Studenten zu erreichen, als in einen Hörsaal passen. Martin Wirsing erinnerte in diesem Zusammenhang an die Erstsemestervorlesungen aus dem Jahr der doppelten Abiturjahrgänge. Die Hörsäle der LMU waren damals hoffnungslos überfüllt. Also entschied man sich dazu, die Vorlesungen aufzuzeichnen und anschließend ins Netz zu stellen. „Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht und auch positives Feedback von den Studenten bekommen“, so Wirsing.

Mit der digitalen Aufbereitung von Vorlesungen hat auch Tobias Kretschmer gut Erfahrungen gemacht. Mit Hilfe der sogenannten MOOCs (freizugängliche Onlinevorlesungen, siehe Kasten) erreichte er mit seinen Vorlesungen bereits bis zu 750.000 Hörer auf der ganzen Welt. Doch ihre Bereitstellung ist aufwendig und nicht gerade günstig. Michael Hengartner räumte ein, dass die Produktion eines qualitativ hochwertigen MOOCs durchaus mal 100.000 Euro kosten kann.

Dafür können die Studenten es sich bei Bedarf unbegrenzt oft ansehen. Manfred Prenzel, Vorsitzender des Wissenschaftsrates aus Köln, brachte noch einen anderen Aspekt in Diskussion: Wie wolle man zukünftig mit der Abnahme von Prüfungen und Zertifizierungen umgehen – ein wichtiger Punkt bei der Diskussion um die Digitalisierung.

Qualität kostet ihren Preis.

Manfred Prenzel, Vorsitzender des Wissenschaftsrates, Köln

Einig waren sich die Wissenschaftler darin, dass Angebote wie MOOCs zwar die Arbeit an den Universitäten verändern werden, jedoch kein Ersatz für die Institution sein werden. „Unsere Bibliotheken sind voll. Die Studenten wollen nach wie vor miteinander lernen und diskutieren“, versichert Martin Wirsing von der LMU. Außerdem können digitale Angebote nicht fächerübergreifend gleich eingesetzt werden. MOOCs beispielweise können zwar den Frontalunterricht ersetzen, nicht aber die experimentelle Arbeit in einem Labor. Hier gilt es die richtige Balance zu finden.

Wie wird sich die Zahl der Studenten entwickeln?

Eine weitere zentrale Frage, mit der sich die Wissenschaftler am Freitag auseinandersetzen ist die, wo sich die Universitäten mit Blick auf den demographischen Wandel positionieren sollten. Hier gab es durchaus kontroverse Meinungen. Bert van der Zwaan, Rektor der Universität im niederländischen Utrecht, muss sich etwa regelmäßig überlegen, wo er die Gelder seiner Universität investieren will: In Personal und Digitalisierung oder in den Bau neuer Gebäude. „Mit Blick auf die nächsten 25 Jahre, dem Zeitraum, von dem wir beim Thema demographischer Wandel sprechen, investiere ich eher in Personal und den Ausbau der Digitalisierung“, räumt er ein. Aus seiner Sicht wird der Campus weniger wichtig.

Universität von heute hat keine Ähnlichkeit mit der von 1965.

Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg

Beate Schücking, Rektorin der Universität Leipzig und Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg sehen die Prognosen zum demographischen Wandel eher kritisch. „Schon 1980 wurde gesagt, die Zahl der Studenten würde zurückgehen. Das ist bisher nicht eingetreten“, so Schücking. Ihr Kollege Lenzen ist der Ansicht, dass es Veränderungen in der Welt gibt, die bei der Erhebung der Statistiken nicht bedacht werden und die Ergebnisse daher oft nicht einträten.

Dem wollte Ludger Wößmann, Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomie nicht gänzlich zustimmen. Er ist der Auffassung, dass die Statistiken durchaus eine gute Grundlage abgeben. „Die Gruppe der 20- bis 30-Jährigen, die ja den Hauptteil der Studierenden ausmacht, wird in den nächsten Jahren besonders stark ausdünnen“, glaubt er.

Die Universitäten müssen sich den neuen Herausforderungen stellen

Es müssen bereits heute Lösungsansätze erarbeitet werden, um den demographischen Wandel an dem Universitäten abfangen zu könnne. Denkbar wäre, den Prozentsatz der ausländischen Studierenden zu erhöhen oder vermehrt ältere Personen aus dem Arbeitsmarkt in die Hörsäle zu holen. Zudem wäre es möglich, dass die Universitäten sich verkleinern. Bert van der Zwaan hält eine Größe unter 20.000 Studenten für ideal, um ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Größe und Qualität der Universität zu schaffen.

Ein zunehmendes Problem sieht der Rektor der Universität Utrecht darin, dass durch die älterwerdende Gesellschaft immer mehr Geld für den Gesundheitssektor benötigt wird – und dieses wird aus dem Bildungssektor abgezogen. „Das sieht man bereits heute in Europa und den USA“, so van der Zwaan.

Es wird bunter werden.

Beaten Schücking, Rektorin der Universität Leipzig

Der demographischen Wandel bezieht aber nicht nur auf die alternde Gesellschaft, sondern auch auf die wachsende Internationalität. Die aktuelle Flüchtlingswelle hat auch Auswirkungen auf die Universitäten. Dieter Lenzen berichtete, bei der Universität Hamburg haben sich rund 2500 Flüchtlinge gemeldet, die dort gerne studieren würden. Doch oft reicht ihre Vorbildung nicht aus. Diese Problem sieht auch Ludger Wößmann. „Es ist illusorisch zu glauben, man könne die Flüchtlinge einfach so ins Hochschulsystem integrieren.“

Lenzen sieht hier auch die Politik in der Pflicht, denn bei der Zulassung von Flüchtlingen an den Universitäten gibt es auch juristische Hürden. Beispielsweise der Numerus Clausus, der für viele Fächer erreicht werden muss. „Wir müssen die Flüchtlinge genauso behandeln wie alle anderen ausländischen Bewerber auch“, erklärt Lenzen. Für dieses Problem muss es eine Lösung von Seiten des Gesetzgebers geben.

Es bricht eine spannende Zeit an

Etwas, das die Universitäten schon heute tun können, um den Flüchtlingen den Zugang zur Hochschulbildung zu erleichtern, ist es, Möglichkeiten zu schaffen, damit diese schneller Deutsch lernen als in den bisher angebotenen Deutschkursen, so die Meinung von Beate Schücking. Denn: „Die Sprache ist der Schlüssel.“

Die Universitäten, nicht nur in Deutschland, müssen sich in den nächsten Jahren vielen Herausforderungen stellen. Sei es auf den Feldern der Digitalisierung, des demographischen Wandels oder der Internationalität. Eines, so betont Bert van der Zwaan, darf dabei aber nicht leiden: die Qualität der Hochschulbildung.

Die Standards dürfen nicht gesenkt werden.

Bert van der Zwaan, Rektor der Universität Utrecht (Niederlande)

Die Bezeichnung MOOC steht für Massive Open Online Course.

Sie werden von den Universitäten kostenlos zu Verfügung gestellt, auch an nicht Studierende. MOOC sind mehr als ein simpler Mitschnitt einer Vorlesung. Vielmehr wird dabei die traditionelle Form der Wissensvermittlung (z.B. Lesematerial, Videos) mit Foren, in den sich Dozent und Hörer austauschen können, kombiniert.