Lernort der Demokratie
Sie ist eine bundesweit einzigartige Einrichtung: Die Akademie für Politische Bildung Tutzing bietet einen Ort für kritische Debatten und die Auseinandersetzung mit historischen und aktuellen Themen. Jetzt feiert sie ihren sechzigsten Geburtstag.
Bildung

Lernort der Demokratie

Sie ist eine bundesweit einzigartige Einrichtung: Die Akademie für Politische Bildung Tutzing bietet einen Ort für kritische Debatten und die Auseinandersetzung mit historischen und aktuellen Themen. Jetzt feiert sie ihren sechzigsten Geburtstag.

Die Lage ist überaus idyllisch – fast zu schön, um über so ernste Themen wie die gesellschaftliche Integration von Flüchtlingen oder die Diskriminierung von Homosexuellen zu reden. Direkt am Ufer des Starnberger Sees gelegen veranstaltet die Akademie für Politische Bildung Tutzing jedes Jahr an die 150 Seminare zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen.

Festakt im Landtag

Allein für die vergangenen zehn Jahre listet die Statistik 1441 Veranstaltungen auf. Nun feiert die Akademie ihr 60-jähriges Bestehen mit einem Festakt am 31. Mai im Bayerischen Landtag in München. Seit der Gründung richtete sie an die 5500 Tagungen aus und erreichte damit rund 230.000 Menschen.

Am 27. Mai 1957 unterzeichnete der bisher einzige SPD-Ministerpräsident des Freistaats Bayern, Wilhelm Hoegner, das Gesetz zur Errichtung der Akademie für Politische Bildung. Es trat rückwirkend zum 1. April des Jahres in Kraft. Entworfen hatte es ein weiterer SPD-Politiker: der heute 91-jährige frühere Münchner Oberbürgermeister und SPD-Bundesvorsitzende Hans-Jochen-Vogel, damals Mitarbeiter von Hoegner in der Münchner Staatskanzlei.

Angesichts aktueller extremistischer Tendenzen ist es wichtig, dass eine Einrichtung wie die Akademie für Politische Bildung verlässliche Informationen zu bayerischer, deutscher und europäischer Politik vermittelt.

Kultusminister Ludwig Spaenle

Das bundesweit einzigartige Gesetz bestimmt nicht nur, dass die vom Bayerischen Landtag als Anstalt des Öffentlichen Rechts gegründete Akademie überparteilich arbeitet. Es trifft auch Festlegungen über die Berufung und Zusammensetzung des Kuratoriums, das die Tätigkeit der Akademie überwacht. In der Präambel des Akademiegesetzes heißt es: „Dem Staat erwächst … die Pflicht, alle Maßnahmen zu unterstützen und zu ergreifen, die der Pflege der politischen Bildung dienen.“

Ort der Weiterbildung

Die Akademie versteht sich als Forum der Information und Kommunikation über aktuelle und grundsätzliche Themen der nationalen und internationalen Politik. Sie will aber auch Raum bieten für eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und der DDR. Außerdem sieht sie sich als Stätte der Weiterbildung für alle, die zur politischen Meinungsbildung beitragen. Schließlich ist sie Treffpunkt für Akteure aus Politik, Wissenschaft, Bildung, Medien und Öffentlichkeit. Für ihre Arbeit darf die Akademie in diesem Jahr gut vier Millionen Euro ausgeben. Das meiste Geld stammt aus dem Staatshaushalt. Sie beschäftigt derzeit knapp 50 Mitarbeiter.

Wir wollen, dass die Menschen in unseren Veranstaltungen mit politischer Urteilskraft bereichert werden und so von uns weggehen in dem Gefühl, mehr zu wissen und damit auch etwas für die Demokratie bewegen zu können.

Akademie-Direktorin Ursula Münch

Die seit 2011 amtierende Direktorin Ursula Münch legt Wert darauf, „dass wir in der Akademie den Menschen kein politisches Urteil, keine Meinung aufdrücken“. Vielmehr wolle sie, „dass die Menschen in unseren Veranstaltungen mit politischer Urteilskraft bereichert werden und so von uns weggehen in dem Gefühl, mehr zu wissen und damit auch etwas für die Demokratie bewegen zu können“.

Auseinandersetzung mit sozialen Netzwerken

In Zeiten von „fake News“ analysiert die Akademie in ihren Tagungen zunehmend, wie sich die sozialen Netzwerke auf das Informationsverhalten der Bürger auswirken. „Dabei beschäftigt uns natürlich auch die Frage, welche Auswirkungen es auf die politische Urteilskraft und die politische Teilhabe hat, wenn sich ein Teil der Bevölkerung vor allem durch soziale Netzwerke informiert und zunehmend darauf verzichtet, journalistische Angebote wie zum Beispiel sorgfältige Recherche, Faktenprüfung, redaktionelle Betreuung und Hintergrundberichterstattung in Anspruch zu nehmen.“

Für Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) ist die Akademie aktueller denn je. „Angesichts aktueller extremistischer Tendenzen ist es wichtig, dass eine Einrichtung wie die Akademie für Politische Bildung verlässliche Informationen zu bayerischer, deutscher und europäischer Politik vermittelt, politische Diskurse ermöglicht und als Forum für Verantwortliche aus Gesellschaft, Politik, Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft fungiert.“

Ein Brite spricht über Europa

Der 60. Geburtstag wird am kommenden Mittwoch im Landtag gefeiert. Den Festvortrag hält der britische Historiker Timothy Garton Ash, der am Donnerstag den Internationalen Karlspreis zu Aachen erhielt. Es dürfte interessant werden, wenn ausgerechnet ein Wissenschaftler aus dem EU-Austrittsland im Maximilianeum über „Die Zweite Chance: Eine Tutzinger Rede zu Deutschland und Europa“ spricht. (dpa)