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Digitale Infrastruktur

„Schnelles Internet ist ein Standortvorteil“

Gastbeitrag Der Ausbau der digitalen Infrastruktur in Bayern und ganz Deutschland ist für die Bundesregierung eines der wichtigsten Zukunftsprojekte. Für den BAYERNKURIER erläutert Staatssekretärin Dorothee Bär, mit welchen Konzepten und Maßnahmen schnelles Internet in alle Regionen bringen will.

Eine der größten Verbesserungen für Landwirte auf dem afrikanischen Kontinent in den vergangenen Jahren wurde nicht etwa durch klassische Agrikulturunterstützung erreicht, sondern durch die Digitalisierung: Die zunehmende Verbreitung von Mobiltelefonen erlaubte plötzlich die Übermittlung der erzielbaren Preise auf dem nächsten Großmarkt oder auch die Bezahlung von Gütern via SMS. Aber auch in der Deutschen Landwirtschaft hält die Digitalisierung mit großen Schritten Einzug, ebenso wie in allen anderen Bereichen unseres Lebens. Ein Landwirt sitzt heutzutage nicht mehr in einem Mähdrescher, sondern in einem fahrenden Computer, der Bodenbeschaffenheit, Wetter sowie den genauen Standort bestimmt.

Der Ausbau der Infrastruktur hat Vorrang

Die vielleicht wichtigste Voraussetzung für die Digitalisierung ist das Vorhandensein der entsprechenden Infrastruktur, gleichsam der Nährboden für die Früchte des technischen Fortschritts. Deshalb investiert das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur insgesamt 2,7 Milliarden Euro, um Wirtschaftlichkeitslücken beim Breitbandausbau zu schließen. Weitere 8 Milliarden Euro investieren alleine in 2015 die innovations- und investitionswilligen Unternehmen, die sich in der vom Ministerium gegründeten „Netzallianz Digitales Deutschland“ versammelt haben. Bayern selbst geht mit gutem Beispiel voran und investiert 1,5 Milliarden Euro in den Ausbau.

Digitaler Ausbau bedeutet auch Ausbau des mobilen Internets

Die digitale Infrastruktur beschränkt sich aber nicht auf Breitband- und Mobilfunknetze. Besonders stark verändert die Digitalisierung den Bereich der Mobilität. Es ist heute kein Statussymbol mehr, ein möglichst großes Auto zu fahren. Das Ziel ist, mobil zu sein. Ein besonderes Potenzial birgt daher der Bereich des automatisierten Fahrens. Hier muss Deutschland mit seiner gut ausgebauten Verkehrsinfrastruktur und seiner innovativen und leistungsstarken Industrie eine führende Rolle im weltweiten Wettbewerb spielen. Vor kurzem haben wir das „Digitale Testfeld Autobahn“ auf der A9 in Bayern in Betrieb genommen. Dort entsteht die erste intelligente und voll digitalisierte Straße mit modernster Sensorik, Mobilfunkstandards der nächsten Generation und hochpräzisen Geo- und Mobilitätsdaten. Das Testfeld erlaubt Unternehmen die Erprobung zukunftsweisender Technologien und wird dazu beitragen, dass wir auch zukünftig die Standards setzen. Die Technologie und ihre Weiterentwicklung gibt uns damit die Chance, dort, wo wir ohnehin schon gut sind, noch besser, ja: die Besten zu werden.

Anstrengungen von Politik und Wirtschaft

Natürlich erfordern sowohl Breitbandausbau als auch das automatisierte Fahren noch einige Anstrengungen von Politik und Wirtschaft. Erstere muss einen geeigneten und fairen Rahmen schaffen, Letztere muss Investitionen leisten und Eigeninitiative zeigen. Gerade im Mittelstand muss aus Interesse noch Begeisterung werden. Dabei ist wichtig – und dies ist eine Frage, die sich Politik und Wirtschaft gleichermaßen stellen müssen: Wie nehmen wir die Bürgerinnen und Bürge mit auf unseren Weg in die digitale Gesellschaft?

Reicht es, mit Streaming-Angeboten amerikanischer Videoportale zu werben? Braucht man einen Breitbandausbau mit Glasfaserkabeln, um seine abonnierten YouTube-Channels regelmäßig zu sehen? Wozu sollte ein Privathaushalt einen Gigabit-Anschluss haben? Wo ist der Mehrwert? Wozu also der ganze Ausbau und die Zielsetzung einer Mindestübertragungsgeschwindigkeit in Stadt und Land?

Nirgendwo sind die Menschen skeptischer als hier, wenn es um Sinn und Unsinn technologischer Entwicklung geht – auch, was das automatisierte Fahren angeht.

Diskussion über Chancen und Risiken

Deshalb dürfen wir den öffentlichen Diskurs nicht nur den Bedenkenträgern überlassen. Natürlich müssen wir über die Chancen und Risiken diskutieren, die diese vierte industrielle Revolution für uns alle mit sich bringt. Aber in der gegenwärtigen Debatte befassen wir uns derzeit fast mit der Frage, was alles schief gehen könnte, und wovor man sich schützen soll. Während andere Länder die Vorteile für sich nutzen, weisen wir auf Gefahren für Leib und Leben hin und diskutieren, als wären wir Statisten in einem überdimensionierten Verbraucherschutzmagazin. Wir müssen die Chancen der Digitalisierung deutlicher machen, müssen von den konkreten Vorteilen reden, wenn etwa Sohn oder Tochter nicht zwingend in die Großstadt ziehen müssen, um zu studieren, sondern zumindest einen Teil des Studiums über Onlinekurse, virtuelle Labore oder andere Plattformen absolvieren können. Wir müssen zeigen, dass die Großeltern heute nicht mehr unbedingt in ein Pflegeheim müssen, um betreut zu werden, sondern dank moderner eHealth-Anwendungen länger selbstbestimmt im eigenen Haus wohnen können. Wir müssen erklären, wie das automatisierte Fahren dazu beiträgt, dass der graue Star heute kein Grund mehr sein muss, auf das Auto zu verzichten, um zum Supermarkt, zum Arzt oder zum Treffen mit Freunden oder den Enkelkindern zu gelangen.

Und jüngere Eltern wären sicher dankbar, wenn sie sich auf längeren Fahrten ganz um ihre kleinen Mitreisenden kümmern könnten, anstatt bei jedem Streit auf der Rückbank Angst haben zu müssen, sich umzudrehen und dadurch in der nächsten Leitplanke zu landen.

Die eingangs erwähnten Landwirte mit ihren computerunterstützten Mähdreschern müssen wir nicht mehr überzeugen. Die Bürgerinnen und Bürger jedoch, die zwar täglich mit dem Smartphone (inter-) agieren, aber angesichts der Flut an Weltuntergangsprognosen skeptisch bleiben, wenn es um digitale Anwendungen und industrielle Vernetzung geht, müssen wir auch die schöne Seite der Medaille zeigen. Wir müssen verdeutlichen, wie die Digitalisierung unser Leben verbessern kann, ohne die Risiken zu negieren.

Das ist unsere Aufgabe und unsere Chance.