Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kämpft um jede Stimme. (Bild: imago images/Florian Gaertner/photothek)
Wahlen im Osten

Gute Aussichten für die Union

Wenige Tage vor den Landtagswahlen zeichnet sich in Brandenburg ein Kopf-An-Kopf-Rennen zwischen SPD und AfD ab. In Sachsen liegt die CDU mit zuletzt 29 Prozent deutlich vorne. In beiden Ländern werden nur Dreier-Koalitionen regieren können.

Wenige Tage vor der Landtagswahl in Brandenburg zeichnet sich dort einer Umfrage zufolge ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und AfD ab. In Sachsen hingegen wahrte die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer ihren Umfrage-Vorsprung vor der AfD. Das geht aus zwei am Dienstag veröffentlichten Insa-Erhebungen für die Bild-Zeitung hervor. In beiden Bundesländern wird am kommenden Sonntag ein neuer Landtag gewählt.

CDU in Sachsen deutlich vorne

In Brandenburg liegt die von Ministerpräsident Dietmar Woidke geführte SPD laut Umfrage ebenso bei 21 Prozent wie die oppositionelle AfD. Im Vergleich zur letzten Insa-Umfrage von vor zwei Monaten legten beide Parteien um jeweils zwei Prozentpunkte zu, während die CDU um einen Punkt auf 17 Prozent abrutschte. Linke (15 Prozent) und Grüne (14) rangieren knapp hinter den Christdemokraten. Die rot-rote Regierungskoalition hätte damit keine Mehrheit mehr. FDP (5) und Freie Wähler (5) müssten um den Einzug in den Landtag zittern. Damit hätte Rot-Dunkelrot-Grün zusammen 50 Prozent und würde natürlich eine Regierung bilden.

Solche Wahlen werden auf den letzten Metern entschieden.

Markus Blume, CSU

In Sachsen scheint die CDU trotz deutlicher Verluste auf einen Wahlsieg zuzusteuern. In der Insa-Umfrage kommt die Regierungspartei auf 29 Prozent der Stimmen. Als stärkste Partei läge sie damit deutlich vor der AfD, die 25 Prozent erreicht. Mit einem Stimmenanteil von lediglich 8 Prozent findet sich die SPD hinter Linken (15) und Grünen (11). Auch dort müssten FDP (5) und Freie Wähler (4) bangen. Die schwarz-rote Koalition in Sachsen könnte damit ebenfalls nicht mehr weiterregieren. Immerhin: Eine rot-rot-grüne Koalition in Dresden ist klar ausgeschlossen.

Unterstützung von der Bundesunion

Ganz bewusst in der sächsischen Hauptstadt hat darum die CDU/CSU-Spitze ihre Bundesklausur abgehalten. Eine Woche vor dem Wahltag haben die Unionsparteien am vergangenen Sonntag und Montag ihre Wahlkämpfer in Sachsen und Brandenburg auf eine Aufholjagd insbesondere gegen die AfD eingeschworen.

Keine Experimente mit Linksaußen und Rechtsaußen!

Markus Blume

Es seien besonders wichtige Wahlen und solche Wahlen würden „auf den letzten Metern entschieden”, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume am Sonntagabend vor Beginn der gemeinsamen zweitägigen Klausur der Präsidien von CDU und CSU in Dresden. Diese Wahlen seien auch Richtungswahlen. Die Menschen wollten Stabilität in unsicheren Zeiten. „Sie wollen keine Experimente mit Linksaußen und Rechtsaußen!” In beiden Ländern wird mit starken Zugewinnen der rechtspopulistischen AfD gerechnet.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak unterstrich, dass die Klausur auch ein Signal aussenden solle, dass CDU und CSU gemeinsam streiten und gemeinsam wahlkämpfen. Es gehe um innere Sicherheit auf der einen Seite und gute wirtschaftliche Entwicklung auf der anderen Seite, sagte Ziemiak weiter. Diese beiden Themen standen denn auch im Mittelpunkt der Klausur. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer betonte, es gehe ihrer Partei darum, „dass es nicht zu einer Rezession kommt”.

30 Jahre nach der Wende …

Einen gemeinsamen Kraftakt vor allem für eine bessere Infrastruktur in den östlichen Bundesländern forderte unterdessen der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Dieter Kempf. Kurz vor dem Wahltermin sagte Kempf der Deutschen Presse-Agentur: „Wir haben den Menschen in Ostdeutschland viel zu wenig zugehört und auch zu wenig hingeguckt. Die regionalen Unterschiede in Ostdeutschland sind mitunter enorm. Wir erleben mancherorts eine regelrechte Flucht aus den Ortschaften.”

Ich kann verstehen, wenn Menschen dort das Gefühl haben, man habe sie nicht wahrgenommen.

Dieter Kempf, BDI

Der BDI-Präsident weiter: „Wir brauchen einen gemeinsamen Kraftakt, um vor allem die Infrastruktur im Osten deutlich zu verbessern.” Dies sei eine Gemeinschaftsaufgabe von Politik und Wirtschaft. „Zu lange wurde der Fehler gemacht, Infrastruktur mit Straßenbau gleichzusetzen. Aber Infrastruktur ist so viel mehr − das ist auch der Internetzugang, die Dorfkneipe, der Bäcker und der Arzt vor Ort. Das ist vernachlässigt worden. Ich kann verstehen, wenn Menschen dort das Gefühl haben, man habe sie nicht wahrgenommen.”

… liegt der Osten immer noch zurück

Wenn die Jüngeren und gut Ausgebildeten ihre Zukunft anderswo suchten und klamme Kommunen Schulen und Kindergärten schließen müssten, leide das Gefühl für sozialen Zusammenhalt, sagte Kempf. „Es gibt auch eine deutliche Diskrepanz zwischen den Geschlechtern. Frauen sind seit der Wende insgesamt viel schneller bereit gewesen, neue berufliche Chancen zu ergreifen, als Männer.”

Tatsächlich gibt es auch 30 Jahre nach der Wende noch große Unterschiede zwischen der Wirtschaft im Osten und der im Westen. So hat bis heute kein Dax-Konzern seinen Sitz in Ostdeutschland. Der wirtschaftliche Aufholprozess Ostdeutschlands stagniere, so der BDI im Mai. Ein großes Problem sei der Fachkräftemangel. Allerdings hatte der BDI auch auf Fortschritte verwiesen. Nach der Wiedervereinigung habe das Bruttoinlandsprodukt im Osten ein Drittel des westdeutschen Niveaus betragen, heute liege es bei fast 75 Prozent. Das Pro-Kopf-Einkommen habe sich mehr als verdoppelt.

Sachsens ländlicher Raum

Infrastruktur ist denn auch seit Beginn seiner Amtszeit vor anderthalb Jahren das große Thema von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Wenige Tage vor der Landtagswahl hat er weitere, umfassende Unterstützung für den ländlichen Raum versprochen. „Wenn Menschen im ländlichen Raum das Gefühl haben, dass sie nicht mehr wichtig sind, dass es um sie nicht geht, dann muss man etwas tun”, so Kretschmer am Dienstag im ARD-Mittagsmagazin.

Es wird keine Schule mehr geschlossen.

Michael Kretschmer, Sachsens Ministerpräsident

Kretschmer weiter: „Deswegen investiert dieses Land sehr in den ländlichen Raum, vom Breitband bis über den öffentlichen Personen-Nahverkehr.” Besonders wichtig für die Menschen in schrumpfenden sächsischen Dörfern ist eine weitere Zusage des Ministerpräsidenten: „Auf eines können sich die Menschen verlassen in Sachsen: Es wird keine Schule mehr geschlossen. Die, die jetzt da sind, die bleiben.”

Brandenburg: CDU-Koalition mit der Linken?

In Sachsen ist die CDU seit der Wende 1990 Regierungspartei und kämpft um ihren Führungsanspruch. In Brandenburg ist die Ausgangslage genau umgekehrt: Dort versucht die Union, den Sprung von der Opposition an die Spitze der Parteientabellen − und um Beteiligung an einer Koalitionsregierung. Die Aussichten für CDU-Chef Ingo Senftleben sind aber mäßig. Hoffnung machen kann der Absturz der Sozialdemokraten von fast 32 auf 21 Prozent. Problematisch: In Brandenburg liegen gleich fünf Parteien − CDU, SPD, Linke, Grüne und AfD − nur wenige Prozentpunkte auseinander.

Am Wahlabend wird es darum in Potsdam ziemlich sicher auf eine Dreier-Koalition hinauslaufen. Und womöglich auf ein Novum: Als erster führender CDU-Politiker will Senftleben auch eine Koalition mit der Linken nicht ausschließen. Was den Brandenburger CDU-Chef natürlich auf Kollisionskurs mit der Bundes-CDU und mit seinem sächsischem Parteifreund Kretschmer bringt. Denn der bemüht sich um strikte Abgrenzung nach rechts und links.

Grüne auf Sinkflug

Bedeutsamer Lichtblick aus Unionssicht: In den beiden Ostbundesländern erhält der Höhenflug der Grünen einen sichtbaren Dämpfer. Denn in den aktuellen Umfragen geht es für die Grünen nicht mehr bergauf, sondern geradeaus oder gar bergab. Die Parteien der Ministerpräsidenten − SPD in Brandenburg, CDU in Sachsen − legten zu, eben auch auf Kosten der Grünen.

Was bei den Grünen-Chefs an den Nerven zehrt. Ihre Botschaften werden aggressiver auf diesen letzten Metern. Robert Habeck und Co-Parteichefin Annalena Baerbock teilen ungewohnt heftig aus gegen CDU und SPD, werfen ihnen unseriöse Politik vor. Dabei wollten die beiden Grünen vorgeblich konstruktiv sein und vor allem über sich reden statt über die anderen. Aber jetzt werden eben auch die Grünen nervös − aus guten Gründen. (dpa/BK/H.M.)