Merkel warnt vor Abschottung
Auf der Weltwirtschaftskonferenz in Davos wirbt Bundeskanzlerin Angela Merkel für internationalen Multilateralismus und engere europäische Kooperation. Europa müsse zu gemeinsamer Außenpolitik finden und seine wirtschaftliche Stärke entwickeln.
Davos

Merkel warnt vor Abschottung

Auf der Weltwirtschaftskonferenz in Davos wirbt Bundeskanzlerin Angela Merkel für internationalen Multilateralismus und engere europäische Kooperation. Europa müsse zu gemeinsamer Außenpolitik finden und seine wirtschaftliche Stärke entwickeln.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der internationalen Gemeinschaft trotz der schleppenden Regierungsbildung in Berlin versichert, Deutschland werde weiterhin als starke Kraft zur Lösung von Konflikten beitragen.

„Deutschland will ein Land sein, das auch in Zukunft seinen Beitrag leistet, um gemeinsam in der Welt die Probleme der Zukunft zu lösen”, sagte Merkel beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos. Auch darum sei es so wichtig, dass Deutschland nun schnell eine Regierung bilde.

Protektionismus ist keine Lösung

„Wir glauben, dass Abschottung uns nicht weiterführt. Wir glauben, dass wir kooperieren müssen, dass Protektionismus nicht die richtige Antwort ist”, sagte Merkel. Wenn man der Meinung sei, dass die Dinge nicht fair zugingen, müssten multilaterale und nicht unilaterale Lösungen gesucht werden, die Abschottung und Protektionismus nur fördern würden. Auch in Deutschland gebe es Schwierigkeiten und eine Polarisierung wie seit Jahrzehnten nicht, ausgelöst durch die mittlerweile gelöste Eurokrise und die Migration der vergangenen Jahre.

Wir sehen, dass in vielen Staaten eine polarisierende Atmosphäre herrscht.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Nationale Egoismen, Populismus und eine polarisierende Atmosphäre in vielen Staaten würden möglicherweise auch dadurch ausgelöst, dass die Menschen sich fragten, „ob die multilaterale Kooperation wirklich in der Lage ist, ehrlich, fair die Probleme zu lösen”, sagte Merkel. Es gebe in allen Ländern Zweifel, ob es angesichts von Digitalisierung und der weltweiten Veränderungen gelinge, alle Menschen mitzunehmen.

Entschlossen gegen Rechtspopulismus

In der Diskussion, die auf ihre Rede folgte, sprach sich die Kanzlerin für ein entschlossenes Vorgehen gegen Rechtspopulismus aus und warnte vor Verallgemeinerungen in der politischen Debatte. Rechtspopulismus sei „ein Gift” für die Gesellschaft, das entstehe, wenn es ungelöste Probleme gebe, sagte Merkel auf die Frage, ob sie ein Wachsen des Rechtspopulismus in Europa befürchte. Deutschland versuche, diese Entwicklung unter Kontrolle zu bekommen.

Auch das Land, aus dem ich komme, hat Schwierigkeiten und hat diese Polarisierung im Land, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht hatten.

Angela Merkel

Merkel warnte davor, Vorurteile gegen Religionsgruppen wie Muslime oder ganze Völker zu schüren. „Sie müssen jeden Menschen einzeln sehen. Das ist mühselig”, sagte die Bundeskanzlerin. „Solange Sie die Individualität jeder Person nicht in den Mittelpunkt stellen, und schon Ihr Vorurteil haben, wenn jemand vor Ihnen steht, ohne dass Sie noch ein Wort mit ihm gesprochen haben, ist das Einfallstor für den Rechtspopulismus da.”

Keinem wird etwas genommen

Als Beispiel für die Entwicklung in Deutschland, wo in den vergangenen Jahren die rechtspopulistische AfD erstarkt ist, nannte Merkel die inzwischen bewältigte Eurokrise, bei der es den Eindruck gegeben habe, andere könnten auf Kosten der Deutschen leben.

In der Flüchtlings- und Migrationskrise nach 2015 hätten zudem viele Menschen befürchtet, ihnen werde etwas weggenommen. „Wenn das zusammenkommt mit einer wirtschaftlichen Schwäche und einer hohen Arbeitslosigkeit, dann ist die Gefahr einfach sehr groß, dass daraus eben diese Kraft entstehen kann, die sagt: Nur noch wir selbst.”

Mehr europäische Zusammenarbeit …

Merkel warb für eine engere Zusammenarbeit der EU-Staaten in der Außenpolitik. „Wir müssen unser Schicksal mehr in die eigene Hand nehmen”, sagte sie. „Die einheitliche europäische Außenpolitik ist noch nicht ausreichend entwickelt.” Das sei aber notwendig, weil ein Großteil der globalen Konflikte „vor unserer Haustür stattfindet”. Als Beispiel nannte die Kanzlerin den Syrien-Konflikt. Bei den Versuchen einer Lösung der Krise dort hat die EU so gut wie gar keine Rolle gespielt.

… aber keine ‚ever closer union‘

Gleichzeitig lebten wir in einer Zeit, „in der nicht alle Mitgliedsstaaten der EU sagen, eine immer engere Union ist genau das, was wir uns vorstellen”. Die Europäer müssten darum lernen, auf die großen Fragen in Europa gemeinsam Antworten zu finden, aber die Fragen, die vor Ort zu lösen seien, „auch den Menschen vor Ort überlassen“. Merkel weiter: „Sonst gibt es kein gutes Klima in Europa.”

Europäischer Währungsfonds …

Der Bundeskanzlerin zufolge gehe es für die Europäer nun darum, „unsere Eurozone” zu festigen und „unsere ökonomische Stärke” zu entwickeln: „Wir müssen schauen, dass wir ein interessanter Investitionsstandort sind.”

Risiko nicht einfach vergemeinschaften

Angela Merkel

Als Beispiel für weiteres wirtschaftliches Zusammenrücken nannte sie eine Kapitalmarkunion und die Vollendung der Bankenunion. Der europäische Rettungsfonds ESM solle zum Europäischen Währungsfonds weiterentwickelt werden, ohne dass dabei auf Beteiligung und Kompetenzen des Internationalen Währungsfonds IWF verzichtet werden solle.

… aber keine Haftungsunion

Merkel wandte sich allerdings gegen Vorstellungen von einer Haftungsunion. Die Europäer müssten sich zwar unbedingt für zukünftige Krisen wappnen, aber dabei darauf achten, „dass nicht Risiko einfach vergemeinschaftet wird”. (dpa/BK/H.M.)