Der Mittelstand ist eine der Säulen des wirtschaftlichen Erfolgs in Bayern. (Foto: dpa/Michael Reichel)
Finanzen

Wachstum braucht Kredite

Die wirtschaftliche Entwicklung Bayerns ist eine Erfolgsgeschichte. Eine tragende Säule ist der Mittelstand. Gerade diese Unternehmen sind auf regionale Banken als Finanzpartner angewiesen. Doch die Vorschriften der EU gefährden dieses Modell, warnt Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbandes Bayern.

Bayern erlebt goldene Jahre. In keinem anderen Bundesland ist die Wirtschaftsleistung seit dem Beginn dieses Jahrzehnts stärker gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt legte von 2010 bis 2015 um mehr als 20 Prozent zu. Im gleichen Zeitraum entstanden fast 600.000 neue Arbeitsplätze. Allein das zeigt: Die wirtschaftliche Entwicklung des Freistaats ist eine Erfolgsgeschichte. Sie lässt sich hoffentlich lange fortschreiben, damit Bayern für seine Bürger und Unternehmen dauerhaft eine Wohlfühlregion bleibt.

Eine europaweite Schutzeinrichtung für alle Sparguthaben würde die Tendenz zu einer Transferunion zwischen Banken in Europa verfestigen.

Jürgen Gros

Der Erfolg der Vergangenheit gründet auf einem soliden Werte- und Politikfundament. Dazu zählen verlässliche, mit Augenmaß gesetzte Rahmenbedingungen, eine Wirtschaftspolitik, die Subsidiarität und Eigenverantwortung fördert, die Raum für unternehmerische Vielfalt lässt und die nicht zuletzt mit Weitsicht Neues anstößt, ohne Bewährtes zu zerstören. Damit setzt Bayern den Kontrapunkt zu einer Europäischen Union, die zunehmend für Überregulierung, Zentralismus, Interventionismus und Behördenmacht zu stehen scheint. Einiges spricht dafür, dass Europa dabei ist, Irrwege zu beschreiten, einst eherne Grundsätze zu durchbrechen und damit europakritischen Positionen Vorschub zu leisten.

Schaden für die Sparer

Zu den irritierenden Momenten europäischer Politik zählt die vom früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments und heutigen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz mit angeschobene Diskussion um den Aufbau einer europäischen Einlagensicherung. Eine europaweite Schutzeinrichtung für alle Sparguthaben würde die Tendenz zu einer Transferunion zwischen Banken in Europa verfestigen. Stabile, leistungsfähige Bankensysteme und ihre Sicherungsfonds müssten dann für instabile Systeme einstehen. Bewährte subsidiäre Systeme wie die in Deutschland seit Langem erfolgreichen Institutssicherungssysteme der Genossenschaftsbanken und Sparkassen würden damit gefährdet. Dabei sind sie die beste Form des Sparerschutzes. Denn sie sind darauf ausgelegt, Bankinsolvenzen und damit Entschädigungsfälle präventiv zu verhindern. Das gibt den Kunden Sicherheit.

Allein die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken belastet die Regulierung schon jetzt mit jährlichen Kosten in Höhe von 138 Millionen Euro.

Jürgen Gros

Sicherheit erwarten auch die Unternehmen im Freistaat, wenn es darum geht, ihren Wachstumskurs weiterhin auf eine solide Finanzierungsbasis zu stellen. Die Ergebnisse einer Konjunkturumfrage der DZ Bank zeigen, dass acht von zehn mittelständischen Unternehmen bis zur Jahresmitte investieren wollen. Viele Betriebe planen, weiteres Personal anzustellen oder neue Betriebsmittel anzuschaffen. Allein mit Eigenmitteln wird das nicht zu stemmen sein. Der Mittelstand in Bayern braucht also auch in Zukunft Bankkredite.

Die Politik muss jedoch aufpassen, dass sie unternehmerische Investitionspläne nicht durchkreuzt. Denn verschärfte bürokratische Auflagen, die ihren Ursprung in europäischen Regelwerken haben, drohen die Mittelstandsfinanzierung einzuschränken. Insbesondere zunehmende Melde- und Offenlegungspflichten verursachen bei Regionalbanken einen hohen administrativen und finanziellen Aufwand. Allein die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken belastet die Regulierung schon jetzt mit jährlichen Kosten in Höhe von 138 Millionen Euro und mindert das Jahresergebnis um rund 10 Prozent. Das erschwert den Eigenkapitalaufbau, was wiederum die Kreditvergabe an den Mittelstand limitiert. Die oft von europäischen Regulierungswerken initiierte Bürokratie geht letztlich zulasten mittelständischer Unternehmen und droht das bayerische Wirtschaftswachstum zu bremsen.

Noch viele goldene Jahre

Deshalb ist es dringend notwendig, die für die heimische Mittelstandsfinanzierung wichtigen Banken von den Regulierungslasten zu befreien, die nachweislich keinen Mehrwert für die Finanzstabilität bringen. Richtschnur dafür könnten Geschäftsmodell, Komplexität und Vernetzung einer Bank im Finanzsystem sein. So sollten bei der aktuell auf Brüsseler Ebene laufenden Überarbeitung der einschlägigen Regulierungswerke jene Banken von Auflagen befreit werden, die folgende fünf Kriterien erfüllen oder weniger als 15 Milliarden Euro Bilanzsumme haben:

Erstens, mindestens 50 Prozent der Refinanzierung stammt aus Einlagen. Zweitens, mindestens 33 Prozent der Vermögenswerte sind als Kredite an Betriebe, Privathaushalte und öffentliche Haushalte ausgereicht. Drittens, höchstens 10 Prozent der Vermögenswerte bestehen aus Krediten an ausländische Schuldner. Viertens, das betreffende Institut unterhält mindestens eine und höchstens 99 Geschäftsstellen. Fünftens, die Bank ist regional tätig.

Entlastung für Regionalbanken

Dieser Vorschlag hat drei Vorteile: Er identifiziert zielgenau Regionalbanken, die elementar für die Mittelstandsfinanzierung sind, von denen aber aufgrund ihres Risikoprofils keine Gefahr für die Finanzstabilität ausgeht. Er ist im Rahmen der laufenden Überarbeitung des europäischen Regelwerks leicht umsetzbar. Und es würde schnell eine spürbare Entlastung für Regionalbanken geschaffen – und damit die Voraussetzung, dass Bürger und Unternehmen in Bayern noch viele goldene Jahre erleben.

Jürgen Gros ist Präsident und Vorstandsvorsitzender des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).