Die „Willkommenskultur“ in Deutschland stößt auf immer weniger Unterstützung. Nach einer Befragung der Universität Bielefeld, die zum Jahreswechsel 2015/16 durchgeführt worden war, begrüßen es noch 32,3 Prozent der Deutschen, dass so viele Migranten nach Deutschland kommen. Ein Jahr zuvor hatten noch 39,5 Prozent die „Willkommenskultur“ gut geheißen.
Sorge um Deutschlands Zukunft
Dagegen stimmten fast 36 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund und sogar mehr als 38 Prozent der befragten Menschen aus Zuwandererfamilien der These zu, dass die hohen Flüchtlingszahlen die Zukunft Deutschlands gefährden. Fast 55 Prozent der Untersuchungsteilnehmer sprachen sich dafür aus, Flüchtlinge in ihre Heimat zurückzuschicken, sobald sich dort die Lage bessere.
Zugenommen hat die Zahl derer, die meinen, Migranten müssten sich stärker anpassen. Waren es zur Jahreswende 2013/2014 rund 36 Prozent, die dies befürworteten, so verlangt inzwischen jeder Zweite (53,5 Prozent), Migranten hätten sich an Deutsche anzupassen. Unter den Deutschen mit Migrationshintergrund sprechen sich sogar knapp 60 Prozent für eine solche Anpassung aus. Dass Integration am besten funktioniert, wenn sich beide Seiten aufeinanderzubewegen, glaubt dagegen nur eine Minderheit.
Zuwanderer sollen beschieden sein
Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der Menschen, die finden, wer neu dazugekommen sei, „sollte sich erst mal mit weniger zufrieden geben“. Bei der aktuellen Befragung forderten dies knapp 41 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund. 2013/14 waren es nur 32,5 Prozent gewesen. Unter den Deutschen mit ausländischen Wurzeln vertraten sogar 51,5 Prozent diese Ansicht. Etwa ein Drittel der Neubürger und der „Alteingesessenen“ sind zudem der Meinung, Neuankömmlinge sollten „auf keinen Fall Forderungen stellen oder Ansprüche erheben“.
Kommunen rechnen mit 733.000 Flüchtlingen
Wie sehr der Flüchtlingsstrom der jüngsten Zeit Deutschland auch künftig belasten wird, zeigt eine weitere Studie. Einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) zufolge rechnen Deutschlands Städte in diesem Jahr mit 733.000 Flüchtlingen, die sie unterbringen müssen. Dafür müssten die Kommunen bis Ende des Jahres noch Wohnraum für 460.000 Menschen schaffen. Für die Studie befragte EY 300 deutschen Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern.
Im laufenden Jahr hatten demnach Kommunen mit mindestens 10.000 Einwohnern bis Ende April insgesamt 364.300 Flüchtlinge aufgenommen. Bis Jahresende werde mit der Ankunft weiterer 368.500 Flüchtlinge gerechnet.
1,1 Milliarde Euro zusätzliche Schulden
Die Kosten, die durch die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge entstehen, sollen bei der Mehrheit der Kommunen nicht zu zusätzlichen Schulden führen. Nur 29 Prozent der Befragten rechnen damit, im laufenden Jahr zusätzliche Schulden machen zu müssen. Insgesamt dürfte sich die zusätzliche Verschuldung aufgrund des Flüchtlingszustroms in diesem Jahr auf hochgerechnet 1,1 Milliarden Euro belaufen, schreibt EY. Für das Jahr 2017 rechnen die Kommunen mit zusätzlichen Schulden von hochgerechnet etwa 670 Millionen Euro.
Im vergangenen Herbst war laut EY der Mangel an verfügbarem Wohnraum noch die Hauptsorge der Kommunen – inzwischen hat sich dieses Problem offenbar etwas entschärft: Der Anteil der Kämmerer und Bürgermeister, die die Bereitstellung von Räumlichkeiten als große Herausforderung bezeichnen, ist im Vergleich zum Herbst 2015 von 76 auf 61 Prozent gesunken.
In Ballungsräumen wird es eng
„Die Kommunen haben das Stadium der Improvisation beim Umgang mit ankommenden Flüchtlingen beeindruckend schnell überwunden“, sagt Bernhard Lorentz, Partner bei EY. Allerdings beklagen die Kommunen der Studie zufolge das Fehlen belastbarer Prognosezahlen für ihre Planungen.“ Aktuell bezeichnen 72 Prozent der befragten Kämmerer und Bürgermeister dies als erhebliches Problem – im Herbst 2015 lag der Anteil bei 62 Prozent.
In den kommenden Jahren plant die Mehrheit der Kommunen (78 Prozent), Flüchtlinge in bereits vorhandenen Wohngebäuden unterzubringen. Immerhin vier von zehn Kommunen (41 Prozent) wollen aber auch Wohngebäuden neu errichten – im Herbst 2015 hatten 36 Prozent entsprechende Neubaupläne.
Besonders in größeren Städten sieht EY erheblichen Bedarf an zusätzlichem Wohnraum. „Vor allem in den Ballungszentren übersteigt die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum das Angebot deutlich“, sagt EY-Partner Dietmar Fischer. „Und gerade in diese Regionen zieht es viele Flüchtlinge.“