Schwieriger Start für die Demokraten in Philadelphia
Möglichst harmonisch wollten die US-Demokraten auf ihrem viertägigen Nominierungsparteitag in Philadelphia Hillary Clinton zu ihrer Präsidentschaftskandidatin küren. Aber Wikileaks-Veröffentlichungen führten schon am Vorabend zu Misstönen und einem Rücktritt. Clinton präsentierte ihren Vize: Tim Kaine, ehemals Gouverneur von Virginia.
US-Wahlkampf

Schwieriger Start für die Demokraten in Philadelphia

Möglichst harmonisch wollten die US-Demokraten auf ihrem viertägigen Nominierungsparteitag in Philadelphia Hillary Clinton zu ihrer Präsidentschaftskandidatin küren. Aber Wikileaks-Veröffentlichungen führten schon am Vorabend zu Misstönen und einem Rücktritt. Clinton präsentierte ihren Vize: Tim Kaine, ehemals Gouverneur von Virginia.

Nach dem turbulenten Parteitag der Republikaner wollten die US-Demokraten diese Woche Hillary Clinton offiziell in das Wahlduell gegen Donald Trump schicken. Ihre Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin steht im Mittelpunkt der „Convention” der Partei in Philadelphia, die am Montag beginnt. Kurz zuvor hatte Clinton den moderaten Ex-Gouverneur von Virginia, Tim Kaine, als ihren „Vize” vorgestellt. Clinton wäre die erste Präsidentschaftskandidatin einer großen Partei in der US-Geschichte.

Wikileaks-Skandal zum Auftakt

Die Demokraten haben auf einen harmonischen Verlauf ihres Parteitages gehofft, nachdem sich Clintons liberaler Rivale Bernie Sanders kürzlich nach einem teils erbitterten Vorwahlkampf hinter die Ex-Außenministerin gestellt hatte. Aber das sollte nicht sein: Schon am Vorabend des Parteitags kam es zu massiven neuen Missstimmungen. Anlass war die Veröffentlichung von gehackten E-Mails, die darauf hindeuten, dass der Parteivorstand im Vorwahlrennen Hillary Clinton von vornherein den Vorzug gab. Demnach haben Vorstandsmitglieder anscheinend sogar aktiv versucht, das Rennen des linksliberalen Senators Bernie Sanders gegen Hillary Clinton zu unterlaufen.

Parteichefin Debbie Wasserman Schultz kündigte an, dass sie nach der viertägigen Convention zurücktreten wird.

Während des Vorwahlkampfes hatte ihr schließlich unterlegener Rivale wiederholt beklagt, dass die interne Wahlprozedur zugunsten von Bewerbern aus dem Establishment manipuliert worden sei − zum wachsenden Zorn seiner Anhänger. Die gehackten E-Mails, welche die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht hatte, scheinen solche Vorwürfe nun zu bestätigen. Parteichefin Debbie Wasserman Schultz kündigte an, dass sie nach der viertägigen „Convention” zurücktreten wird.

Hillary Clintons Vize: Tim Kaine

Auch dass sich Clinton mit Kaine für einen konventionellen Vize-Kandidaten entschied, hatte bei Sanders-Anhängern Enttäuschung ausgelöst. Der 58-jährige Kaine, der sich selbst einmal als eher langweilig beschrieben hat, ist ein politischer Vollprofi. Er war Bürgermeister, Vizegouverneur und Gouverneur von Virginia, bevor er 2013 in den Senat einzog. Kaine gilt als gemäßigt und ist zudem auch außenpolitisch versiert: Er ist Mitglied des Streitkräfte- und des Außenpolitischen Ausschusses des Senats. Er spricht außerdem fließend Spanisch − so auch wiederholt in seiner Rede am Samstag in Miami. Die Latinos sind eine überaus wichtige Wählergruppe in den USA. Kaines gute Verbindungen könnten sich für Clinton im Wahlkampf als wertvoll erweisen. Das gilt auch für seine politische Heimat Virgina: Der Bundesstaat zählt zu den möglicherweise wahlentscheidenden sogenannten Swing States − ebenso wie Pennsylvania, in dessen größter Stadt Philadelphia die Demokraten nicht zufällig ihren Nominierungsparteitag abhalten.

Clinton würdigte Kaine als versierten geradlinigen Politiker, der in der Lage sei, notfalls vom ersten Tag an das Spitzenamt zu übernehmen.

Clinton zog damit klar Erfahrung und Verlässlichkeit einem frischem Gesicht vor. Das machte sie auch beim ersten gemeinsamen Auftritt mit Kaine als Gespann am Samstag in Miami (Florida) deutlich: Sie würdigte Kaine als versierten geradlinigen Politiker, der in der Lage sei, notfalls vom ersten Tag an das Spitzenamt zu übernehmen. Die Präsidentenwahl ist am 8. November. Kaine nannte Clinton eine unermüdliche Kämpferin, die niemals aufgebe, und „den totalen Gegensatz” von Donald Trump. Anders als er sei sie erfahren, habe das richtige Temperament und Respekt vor anderen Menschen. Insgesamt war bei dem Auftritt augenfällig, dass sich Clinton und Kaine anscheinend gut verstehen. Die oft einstudiert wirkende Ex-Außenministerin wirkte gelöst, wiederholt kam es zu herzlichen Gesten zwischen beiden. Trumps erster offizieller Auftritt mit seinem „Vize” Mike Pence hatte dagegen eher distanziert gewirkt.

Bill Clinton und Barack Obama

Dennoch wurde am Sonntag nicht ausgeschlossen, dass einige Sanders-Anhänger auf dem Parteitag ihrem Unmut Luft machen − wenn auch wohl kaum in dem Ausmaß der Unruhen, die es beim Konvent der Republikaner gegeben hatte. Dort war wiederholt klar geworden, dass Trump immer noch von Teilen seiner Partei abgelehnt wird. Möglicherweise, um den Ton vorzugeben, wird Sanders gleich an diesem Montag sprechen, dem ersten Tag des Demokraten-Treffens. Auch First Lady Michelle Obama steht zum Auftakt auf der Rednerliste. Am Dienstag wird sich Ex-Präsident Bill Clinton, Hillarys Ehemann, an die mehr als 4700 Delegierten und gut 50.000 Gäste im Wells-Fargo-Zentrum wenden, am Mittwoch Präsident Barack Obama. Den Höhepunkt bildet Hillary Clintons Rede am Donnerstag. Die Hauptreden finden stets nach 18 Uhr abends Ortszeit statt, also nach Mitternacht mitteleuropäischer Sommerzeit am jeweils nächsten Tag.

Wie der Republikaner-Parteitag wird auch die „Convention” der Demokraten in Philadelphia von massiven Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Zehntausende Menschen wollen am Rande der Veranstaltung demonstrieren, so gegen Polizeigewalt und Handelspakte.

CNN-Umfrage: Trump vor Clinton

Donald Trump, Präsidentschaftskandidat der Republikaner, sprach am Freitag mit Blick auf Clinton und Kaine von einem „Gespann der Insider” und rief die Wähler auf: „Lasst keine dritte Amtszeit von Obama zu.” Einer aktuellen Umfrage zufolge konnte Trump stark vom Parteitag der Republikaner profitieren − trotz der Risse in der Partei, die dabei zutage traten. Nach der von CNN in Auftrag gegebenen Erhebung käme der Präsidentschaftskandidat der Konservativen in einem direkten Vergleich mit Hillary Clinton auf 48 Prozent, wenn jetzt gewählt würde. Die Demokratin Clinton würde nur 45 Prozent erreichen. Trump gewann damit sechs Prozentpunkte dazu.

Lasst keine dritte Amtszeit von Obama zu.

Donald Trump

Der sogenannte „Convention-Bump” − der Umfrage-Sprung unmittelbar nach dem Nominierungsparteitag − ist in amerikanischen Wahlkämpfen regelmäßiges demoskopisches Phänomen. Aufschlussreich sein wird erst der Vergleich mit Hillary Clintons Conventiom-Bump nach der demokratischen Krönungsmesse in Philadelphia. (dpa/H.M.)