Der Blick auf die Mietpreise verursacht bei vielen Mietern Bauchschmerzen. Denn durch das Fehlen verlässlicher Mietspiegel hat die Mietpreisbremse kaum eine Chance. Foto: imago/wolterfoto
Mietspiegel

Fehlende Mietspiegel torpedieren Mietpreisbremse

Seit August gilt in Bayern die Mietpreisbremse. Sie begrenzt die Höhe der Miete bei der Wiedervermietung von Wohnraum. Grundlage für diese Berechnung sollten eigentlich die Angaben im qualifizierten Mietspiegel sein. Das Problem: Einen solchen gibt es in vielen Städten und Gemeinden bisher noch gar nicht.

Wohnraum ist ein knappes Gut. Gerade in Ballungszentren wie München, Nürnberg, Berlin oder Frankfurt am Main übersteigt die Zahl der Interessenten die Zahl der Mietwohnungen um ein Vielfaches. Das hat in den letzten Jahren zu absurden Praktiken geführt. Mieter reichen beim Vermieter eine professionelle Bewerbungsmappe ein, Eltern bürgen für ihre Kinder und bestens ausgebildete Berufseinsteiger müssen weiterhin in ihrem WG-Zimmer wohnen bleiben.

Um den Spuk auf dem Wohnungsmarkt Grenzen zu setzen, wurde in diesem Jahr die von der CSU favorisierte Mietpreisbremse eingeführt. In Bayern trat sie zum 1. August in Kraft.

Wir halten Wort. Bayern ist damit eines der ersten Länder, das die Mietpreisbremse umsetzt.

Winfried Bausback, bayerischer Justizminister

Der Teufel liegt im Detail

Sie gilt dort, wo nach Ansicht der einzelnen Landesregierungen der Wohnungsmarkt besonders angespannt ist. In Städten mit Mietpreisbremse darf, bei einer Wiedervermietung einer Wohnung, die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Diese lässt sich aus dem qualifizierten Mietspiegel ablesen.

Und genau hier liegt der Hund begraben – denn in vielen Städten und Gemeinden gibt es keinen solchen Mietspiegel.

Von insgesamt 239 Städten (davon 144 in Bayern), in denen die Mietpreisbremse gilt, können nur 62 einen Mietspiegel vorweisen, wie eine Analyse der Süddeutschen Zeitung (SZ) zeigt. Das ist gerade mal ein Viertel. Im Freistaat gehören beispielsweise Kempten oder Bamberg zu den Städten ohne Mietspiegel.

Doch wenn es keinen Mietspiegel gibt, kann die Mietpreisbremse nicht gesetzeskonform umgesetzt werden. Denn es fehlt die Berechnungsgrundlage um eine Obergrenze festzusetzen. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist in einem solchen Fall nur sehr schwer ermittelbar. Es hilft dann nur der Vergleich mit anderen, ähnlichen Wohnungen, was sehr zeitaufwendig ist, oder die Erstellung eines Gutachten – welches mit gut und gerne 1.000 Euro zu Buche schlägt.

„Diese Varianten sind erlaubt, aber höchst subjektiv“, warnt Philipp Deschermeier vom Institut für Wirtschaft in Köln.

Mietspiegel ist für Kommunen ein zweiseitiges Schwert

Auch Augsburg, die drittgrößte Stadt im Freistaat, hat aktuell keinen Mietspiegel. Es sei noch nicht abschließend geklärt, ob ein solcher für die Stadt wirklich hilfreich ist, so Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) gegenüber dem BAYERNKURIER. „Mir wird von anderen Kommunen berichtet, dass ein solches Instrument auch gegenteilige Effekte haben kann, also Mieterhöhungen erleichtern könnte.“ Man müsse zunächst Erfahrungen aus anderen Städten einholen.

Gribl möchte zunächst alle Aspekte eines Mietspiegels genau prüfen – denn es sollen keine Nachteile für die Augsburger Bürger entstehen. „Wir brauchen auch eine belastbare Aussage dazu, ob ein Mietspiegel nicht sogar dazu führen könnte, dass wir die Mieten für unsere Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften anheben müssen.“

Auch dürfe der Kostenaspekt nicht aus den Augen gelassen werden. Denn die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels und dessen gewissenhafte und regelmäßige Pflege ist mitunter eine teure Sache. Für eine kleine Gemeinde kommen da schnell mal 10.000 Euro zusammen, bei einer Stadt wie Augsburg können diese auch sechsstellig ausfallen.

Zudem besteht Abklärungsbedarf mit Vertretern des Mieterbundes wie des Haus- und Grundbesitzvereins.

Kurt Gribl (CSU), Augsburger Oberbürgermeister

Das Gesetz kann nicht umgesetzt werden

Dass die Mietpreisbremse funktioniert, wenn ihr ein qualifizierter Mietspiegel zu Grunde liegt, zeigt das Beispiel Berlin. Schon wenige Wochen nach ihrer Einführung sanken die Mieten in der Hauptstadt um 3,1 Prozent.

De facto läuft die Mietpreisbremse ohne Mietspiegel ins Leere.

Steffen Sebastian, Ökonom an der Universität Regensburg

Grundsätzlich ist die Mietpreisbremse eine gute Sache – wenn es einen entsprechenden Mietspiegel gibt.

Nach Angaben der SZ fordert mittlerweile sogar eine eher ungewöhnliche Allianz die Mietspiegel: Mieterbund, verschiedene Ökonomen und die Vermietervereinigung „Haus und Grund“, die sich bislang gegen Mietspiegel ausgesprochen haben, halten die aktuelle Situation für problematisch.

Unterschied zwischen qualifiziertem und einfachem Mietspiegel

Der qualifizierte Mietspiegel (§ 558 d BGB) wird nach „anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen“ erstellt und muss alle zwei Jahre aktualisiert werden.

Für die Ermittlung des einfachen Mietspiegels gibt es keine geregeltes formelles Verfahren. Meist wird er durch Verhandlungen zwischen Gemeinden, Mieter und Vermietern ermittelt. Dadurch ist er jedoch weniger realitätsnah. Denn es kommt vor allem auf das Verhandlungsgeschick der Beteiligten an.