Zurückhaltender Partygast: BMW-Legende Eberhard von Kuenheim (r.) 2017 bei einem Umtrunk im Seehaus im Münchner Englischen Garten. (Foto: Imago/Zeppo)
Autoindustrie

Bayerns großer Motorenwerker

Der Ingenieur Eberhard von Kuenheim hat von den 1970er- bis in die 90er-Jahre den Autohersteller BMW zur Weltmarke ausgebaut. Jetzt wird er 90 Jahre alt - und Großaktionäre wie auch Politik feiern ihn als Wegbereiter bayerischer Wirtschaftskraft.

Kaum ein Manager hat ein Unternehmen so nachhaltig geprägt wie Eberhard von Kuenheim. Von 1970 bis 1993, heute kaum mehr vorstellbare 23 Jahre lang, stand er als Vorstandschef an der Spitze von BMW. Anschließend bestimmte er den Kurs noch weitere sechs Jahre lang als Aufsichtsratschef mit. Aus einem mittelständischen Autobauer machte Kuenheim einen Weltkonzern. Jetzt wird er 90 – und wird von BMW und der gesamten bayerischen Wirtschaft gefeiert.

Ostpreuße im Freistaat

Der Manager, am 2. Oktober 1928 in Ostpreußen als Sohn eines Gutsbesitzers geboren, hat Maschinenbau studiert und früh in Betrieben der Unternehmerfamilie Quandt gearbeitet. 1970 war er bei den Industriewerken Karlsruhe. Quandts Bayerische Motorenwerke bestanden damals aus drei Fabriken in München, Dingolfing und Berlin, verkauften gerade mal 140.000 Autos und setzten keine zwei Milliarden D-Mark um. Eine abgewendete Pleite steckte der Firma noch in den Knochen. Da schickte Quandt den 41-jährigen Ingenieur Kuenheim nach München, als neuen Vorstandschef.

Quandts Sohn Stefan, heute größter BMW-Aktionär, hatte bei einer Konzernfeier 2010 die „Ära von Kuenheim“ herausgehoben: Er habe seinen „Entscheidungsspielraum auf eine Art und Weise für das Wohl des Unternehmens BMW genutzt, die in der Automobilindustrie und weit darüber hinaus seinesgleichen sucht“.

BMW hat sich unter seiner Führung zu einer strahlenden Marke entwickelt.

Johanna Quandt, Großaktionärin

Der neue Vorstandschef Kuenheim verjüngte das Management und führte die noch heute bestehenden Modellreihen ein – den 3er, 5er, 7er. Er weitete die Produktion kräftig aus und baute neue Werke. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Steyr in Österreich, in Südafrika und schließlich in Spartanburg in den USA. Der flexible Werksverbund und die internationale Expansion waren der Grundstein für den Aufschwung von BMW. Spartanburg ist heute das größte Werk des Konzerns.

Während Daimler Firmen wie Dornier, MTU, Fokker und AEG kaufte und zum breitgefächerten Technologiekonzern umgebaut wurde, handelte BMW-Chef Kuenheim nach dem Motto: „Schuster bleib bei deinen Leisten“. Auf den möglichen Kauf des Flugzeugherstellers MBB verzichtete er. In seiner Zeit als BMW-Chef stieg der Umsatz von 2 auf 31 Milliarden D-Mark und der Gewinn von 46 Millionen auf 726 Millionen D-Mark. Und Kuenheim schaffte es im Gegensatz zu den VW-und Daimler-Chefs, sein Unternehmen in all den Jahren immer in der Gewinnzone zu halten. Zugleich wuchs die Zahl der Arbeitsplätze in seiner Ära von 23.000 auf 71.000.

Lob von der Gewerkschaft

Der damalige bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer sagte einmal: „Eberhard von Kuenheim ist einer der Menschen, die BMW zu einem der erfolgreichsten Unternehmen der Republik gemacht haben.“ Und er habe „immer ein kooperatives Verhältnis mit dem Betriebsrat und den Gewerkschaften gesucht“.

Ein Jahr nach seinem Wechsel an die Spitze des Aufsichtsrats segnete Kuenheim 1994 allerdings die Übernahme des britischen Autobauers Rover ab. Der Plan: BMW sollte mit den anderen Autokonzernen mithalten können und auf größere Stückzahlen kommen. Der Spagat von Premium- und Massenhersteller wurde jedoch zum Fiasko, zu veraltet war die Rover-Produktpalette, zu schlecht die Verarbeitungs- und Vertriebsqualität. Auch die Fabriken waren großteils veraltet und mit deutlich zu viel Personal ausgestattet. Hinzu kam eine Aufwertung des britischen Pfundes um 30 Prozent. Nach Milliardenverlusten der britischen Tochter trennte sich BMW von Rover und auch von Vorstandschef Bernd Pischetsrieder. Die Geländewagenmarke Land Rover verkaufte BMW an den Ford-Konzern. Nur die Marke Mini blieb bei BMW und wurde zu einer Erfolgsgeschichte.

Sein Name ist untrennbar mit dem Aufstieg Bayerns zu einem führenden Industrieland verbunden.

Alfred Gaffal, vbw

Kuenheims Ansehen tat das keinen Abbruch. Bei seinem Abschied auf der Hauptversammlung 1999 lobte Großaktionärin Johanna Quandt: „BMW hat sich unter Ihrer Führung zu einer strahlenden Marke entwickelt, deren Profitabilität die Aktionäre stets erfreut.“ Und ihr Sohn Stefan würdigte später staunend „die unfassbare Zeitspanne von fast dreißig Jahren von Kuenheim’schen Wirkens bei BMW“. Zum Vergleich: Heute ist die Amtszeit eines Vorstandschef in Deutschland im Durchschnitt schon nach fünf Jahren beendet, wie die Unternehmensberatung PwC ausgerechnet hat. Kuenheim, Vater dreier Kinder, zeigt sich auch im 90. Lebensjahr noch rüstig unterwegs. Bei den BMW-Hauptversammlungen ist er Stammgast.

Geheimer Großgeburtstag

Der Konzern will seinen Geburtstag gebührend feiern, verrät aber noch keine Details, die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft gibt ein festliches Abendessen. Ihr Präsident Alfred Gaffal sagt heute: „Sein Name ist untrennbar mit dem Aufstieg Bayerns zu einem führenden Industrieland verbunden. Und es waren die leisen Töne, mit denen von Kuenheim so viel bewegt hat, ohne lautes Poltern und Showeffekte.“

(dpa/BK)