Vom 21. Oktober bis 24. Januar läuft im Kunstbau des Lenbachhauses die Ausstellung "Klee & Kandinsky - Nachbarn, Freunde, Konkurrenten" Foto: Anne Meßmer
Kunstausstellung

„Die Farbe hat mich. Ich bin Maler“

Sie waren Kollegen, Nachbarn, Freunde - aber auch Konkurrenten. Mit einer neuen Ausstellung im Kunstbau zeichnet das Lenbachhaus die einzigartige Beziehung zwischen Paul Klee und Wassily Kandinsky, die über drei Jahrzehnte währte, in 200 Werken nach. Und erzählt dabei nicht nur von der künstlerischen Verbindung der beiden Maler.

„Es wird etwas vollendet, eine Lücke wird geschlossen.“ Mit diesen Worten beschreibt Matthias Mühling, Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus den Kern der neuen Ausstellung im Kunstbau. Von Mittwoch an werden unter dem Titel „Klee & Kandinsky – Nachbarn, Freunde, Konkurrenten“ 200 Werke der mintunter wichtigsten Vertreter der Klassischen Moderne und Wegbereiter der abstrakten Kunst zu sehen sein. Matthias Mühlings großer Dank galt bei der Eröffnung insbesondere den Menschen, die die Ausstellung durch ihre Expertise, ihre Ideen und nicht zuletzt durch ihre Leihgaben an das Lenbachhaus möglich gemacht haben.

In chronologischer Reihenfolge, unterteilt in sieben Kapitel, spannt die Ausstellung einen Bogen von der Zeit des „Blauen Reiters“ über die Zeit des Krieges bis hinzu den Spätwerken, die für beide Künstler einen wichtigen Neubeginn darstellen.

Eine Ausstellung der Superlative.

Matthias Mühling, Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus

Freundschaft mit einer gewissen Distanz

Paul Klee (1879-1940) und Wassily Kandinsky (1866-1944) verband über drei Jahrzehnte eine Freundschaft wie es sie zwischen großen Künstlern wohl nur selten gegeben hat. Und auch, wenn die beiden Männer viel verband, blieb zwischen ihnen zeitlebens eine gewisse Distanz bestehen. Über all die Jahre hinweg, wichen sie bei der Anrede nie vom förmlichen „Sie“ ab. Dies mag vielleicht auch an der Altersdiskrepanz von 13 Jahren gelegen haben.

Zum ersten Mal trafen Klee und Kandinsky sich im Herbst des Jahres 1911, als sie in Schwabing quasi Wand an Wand wohnten. Kandinsky war zu dieser Zeit bereits auf einem Höhepunkt seiner Karriere und ein wichtiger Teil der Münchner Avantgardeszene, erklärt Annegret Hoberg, Sammlungsleiterin für den Blauen Reiter und das Kubin-Archiv bei der Ausstellungseröffnung.

Klee hingegen lebte zurückgezogen und arbeitete, während er seinen Sohn Felix betreute, hauptsächlich an Zeichnungen und Grafiken mit ironischem Bezug zur Realität. Seine Frau Lily verdiente als Pianistin den Lebensunterhalt der Familie. Kandinsky erkennt sofort das Potential des Jüngeren. In einem Brief an Franz Marc berichtet er:

Gestern den Klee kennengelernt. Da sitzt schon was in der Seele.

Schon kurze Zeit später schloss Paul Klee sich der Redaktionsgemeinschaft des Almanachs „Der Blaue Reiter“ an, der von Wassily Kandinsky und Franz Marc herausgegeben wurde.

Der Blaue Reiter war der Höhepunkt von Kandinskys Karriere.

Annegret Hoberg, Sammlungsleiterin für den „Blauen Reiter“

Obwohl Klee sich von dem älteren Kandinsky beeindruckt gab, fiel die Beurteilung der Werkes des Freundes eher zurückhaltend aus. „Sehr merkwürdige Bilder“, vermerkte er etwa in einem Tagebucheintrag. Doch Kandinskys Umgang mit Farbe, mit der er sich selbst schwer tat, faszinierte Klee.

Ein Wiedersehen in Weimar

Auf einer dreiwöchigen Reise nach Tunesien 1914 entdeckt Klee schließlich die Welt der Farben für sich. Das intensive Licht und die Farben des Süden sollten seine zukünftigen Werke stark beeinflussen. Seine Freundschaft zu Kandinsky, das verdeutlichst die Ausstellung, verfestigt sich in den kommenden Jahren Zusehens. Vom Ausdruck ihrer gegenseitigen Werkschätzung zeugen heute noch Werke, die sich die beiden Künstler zum Geschenk machten.

Die Farbe hat mich. Ich bin Maler.

Paul Klee

Der Beginn des Ersten Weltkrieges trennte die Künstlerfreunde. Als „feindlicher Ausländer“ musste Kandinsky Deutschland verlassen und kehrte mit seiner Familie in seine Heimat Russland zurück, während sie Klee weiterhin in München aufhielt. Doch die dortige Künstlergemeinschaft war durch den Krieg zerbrochen.

Erst acht Jahre später begegnen sich Paul Klee und Wassily Kandinsky wieder – beide waren nun Lehrer am Bauhaus in Weimar. Dieses Zeit bildet einen Schwerpunkt der Ausstellung, denn hier nähern sich ihre künstlerischen Mittel einander an und überraschen den Betrachter der Werke mit der gegenseitigen Beeinflussung.

Kandinsky merkte damals schnell, dass sich der ehemalige Grafiker und Zeichner Klee für ihn zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten entwickelt hatte. Denn während er selbst in Russland harte Jahre hinter sich hatte, konnte Klee trotz des Krieges in München fast ungestört arbeiten und auf dem Feld der Malerei große Fortschritte machen. Was auch der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben war. Klee war nicht länger sein „kleiner Nachbar“ aus Schwabing.

Beide wollten in ihrer Kunst ein eigenes Weltbild schaffen.

Annegret Hoberg, Sammlungsleiterin für den „Blauen Reiter“

Der Wettlauf um Paris

Zwei Jahre später musste das Weimarer Bauhaus auf Druck der rechtskonservativen Landesregierung von Thüringen geschlossen werden, fand aber in Dessau eine neue Heimat. Paul Klee und Wassily Kandinsky bezogen dort mit ihren Familien ein Doppelhaus – und lebten wie vorher in München wieder Wand an Wand. Bei der farblichen Gestaltung ihres neuen Heims orientierten sich beide an ihren eigenen Werken.

Ihre lange Freundschaft und Nachbarschaft hinderte die beiden Künstler jedoch nicht daran, miteinander um Reputationen zu konkurrieren. Es ging dabei um Ausstellungen in Galerien und Museen, Ankäufe, Publikationen und Kunstkritiker.

Besonders wichtig war ihnen die Anerkennung ihrer Werke durch die künstlerische Szene in Paris. Hierbei konnte Klee seinen Freund ausstechen, was auch Auswirkungen auf seine Popularität in Deutschland hatte. Manche sahen in ihm gar den „Erfinder des Surrealismus“.

Bemerkenswert, das zeigt auch die Ausstellung im Kunstbau ist, dass beide sich trotz ihrer wachsenden Konkurrenz über all die Jahre hinweg unterstützten. Sei es moralisch oder durch die Vermittlung von Kontakten.

Die Ausstellung beschreibt auch die intellektuelle Beziehung der beiden Maler.

Matthias Mühling, Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus

Es kam die Zeit, Abschied zu nehmen

Mit Beginn der 30er-Jahre trennten sich die Wege von Paul Klee und Wassily Kandinsky. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endet ihre Laufbahn in Deutschland. Kandinsky verließ das Land um 1933 in Richtung Paris, während Klee in seine Heimat – die Schweiz – zurückkehrte.

Es ist eine Freundschaft, die über eine Reihe von negativen Posten hinwegkommt, weil die Plusseite standhält und vor allem, weil ein Zusammenhang mit meiner produktiven Jugend vorliegt.

Paul Klee über seine Freundschaft zu Wassily Kandinsky

Durch Briefwechsel hielten die beiden auch weiterhin Kontakt und auch ihre Ehefrauen Nina und Lily tauschten sich regelmäßig über das neue Leben aus. 1937 trafen sie sich ein letztes Mal wieder. Der Anlass war eine Ausstellung Kandinskys in der Kunsthalle in Bern. Über seinen Besuch dort schrieb Paul Klee:

Ein grosses Ereignis für mich und Kandinskys Kunst. Ich war sehr glücklich, einen so wunderbaren Genuss durch den Überblick über sein Schaffen zu haben.

 

Klee & Kandinsky – Nachbarn, Freunde, Konkurrenten

Die Ausstellung ist vom 21. Oktober bis 24. Januar im Kunstbau des Lenbachhauses zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 20 Uhr

Ab dem 3. November findet jeden zweiten Dienstag um 18 Uhr eine Kuratorenführung statt.

Öffentliche Führungen: Dienstag bis Sonntag (und an Montagen in den Ferien) um 10.15 Uhr, 12.15 Uhr, 14.15 Uhr, 16.15 Uhr und 18.15 Uhr