Mittlerweile legendär in Bayern und Deutschland: der Chinesenfasching in Dietfurt im Altmühltal. (Foto: imago / Westend 61)
Fasching in Dietfurt

Bayerns Chinatown

Seit dem 19. Jahrhundert gelten die Dietfurter als die „Chinesen Bayerns". Am sogenannten Unsinnigen Donnerstag erleben die Besucher der Oberpfälzer Stadt wieder, warum das so ist. Noch dazu ist ein Brennstoffhändler neuer Kaiser und besteigt als Fu-Gao-Di in diesem Jahr erstmals den Thron.

Vom Rathaussessel bis zur Müllabfuhr, vom Restaurant bis zum Supermarkt – kommenden Donnerstag ist in Dietfurt wieder alles fest in chinesischer Hand. Dietfurts Bürger, ob groß, ob klein, schlüpfen in chinesische Tracht, stecken sich China-Zöpfe ins Haar, und die Drogerie mit der gelben Hautschminke hat Hochkonjunktur.

Immer am letzten Donnerstag in der Faschingszeit verwandelt sich die Stadt an der Altmühl in „Bayerns Chinatown“. Tausende Besucher aus ganz Deutschland werden sich auch in diesem Jahr am 4. Februar die chinesische Invasion ins bayerische Kernland nicht entgehen lassen. Mit etwa 15.000 Menschen rechnen die Organisatoren, wenn ab 13 Uhr auf der Bühne direkt auf dem Stadtplatz Akteure und Besucher dem Höhepunkt entgegenfiebern: dem legendären chinesischen Maskenzug.

Anekdote begründete Faschingstradition

Der Chinesenfasching in Dietfurt ist in der Tat ein Kuriosum. Eine Anekdote erzählt den Ursprung des verrückten Treibens, das den Dietfurtern auch den Titel „Bayerische Chinesen“ einbrachte. Demnach soll irgendwann in der Stadtgeschichte der Steuereintreiber des Bischofs in das Städtchen gereist sein, um höhere Abgaben einzutreiben. Die Nachricht vom Besuch gelangte aber vor dem Steuereintreiber in die Stadt. Die Bürger verbarrikadierten daraufhin die Tore und der Gesandte des Bischofs musste ohne Geld abziehen. Seinem Bischof erzählte er dann, dass diese sich hinter ihrer Mauer wie die Chinesen verstecken würden.

Ob die Erzählung stimmt, weiß auch in Dietfurt keiner so genau. Verbürgt sind aber ein Kalender von 1860 und eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 1869, wo bereits damals die Dietfurter als Chinesen bezeichnet werden und von einem Chinesen-Viertel die Rede ist. Der Grundstein für die Faschingstradition selbst wurde allerdings erst 1928 gelegt, als die Stadtkapelle erstmals in China-Gewändern auftrat.

Besucher aus ganz Deutschland

Bald hat der Ruf vom Chinesenfasching weite Kreise gezogen – quer durch Bayern und ganz Deutschland. Die Besucher und „diplomatischen Abordnungen“ von Faschingshochburgen kommen mittlerweile aus ganz Deutschland.

Die gemeinsame „Reise ins ferne China“ beginnt dabei sehr früh: Bereits in den Morgenstunden zieht eine 30-köpfige Meute Dietfurter mit viel „Lärm und Geschepper“ kreuz und quer durch die 6.000 Einwohner große Stadt im Altmühltal. Auf ihrem Zug verkünden sie mit einem schallenden Weckruf den Beginn des „Chinesischen Nationalfeiertags“ in der oberpfälzischen Kleinstadt.

Dieses Jahr sogar mit Kaiserkrönung

Heuer kommt noch eine Besonderheit dazu, die das Jahr 2016 als „Zeitenwende“ in die Geschichte des Chinesenfaschings eingehen lässt: Nach dem Ende der 15-jährigen Regentschaft seines Vorgängers Ko-Houang-Di wird dieses Jahr der neue Kaiser Fu-Gao-Di erstmals den Thron besteigen. Es ist Manfred Koller, der Bruder des bisherigen „Herrschers“ Fritz Koller – 47 Jahre alt und im echten Leben Brennstoffhändler. Der Name des Regenten heißt übersetzt noch dazu so viel wie „glücksbringender großer Kaiser“.

Von dessen Qualitäten zeigte sich Dietfurts Dritter Bürgermeister Bernd Mayr bereits im Vorfeld überzeugt: „Manfred Koller ist der beste Kaiser, den wir uns vorstellen können“, sagte Mayr bei der offiziellen Vorstellung im vergangenen November. Die offizielle Proklamation Fu-Gao-Dis ist am Unsinnigen Donnerstag um „13.61 Uhr“ – also 14.01 Uhr – , wenn dann etwa 50 Gruppen und viele leibhaftige Chinesen wieder beginnen, Dietfurt für kurze Zeit als bayerisches „Chinatown“ aufleben zu lassen.

(Quelle: obx)