Neue Wohnungen: Es gibt bei den Baufertigstellungen große Unterschiede zwischen den Regionen. Bild: Gina Sanders, Fotolia
Immobilienwirtschaft

Knappheit ist das Problem

In München lag der durchschnittliche Quadratmeterpreis für eine Neubauwohnung Ende 2014 bei 5500 Euro und damit um über 50 Prozent über dem Niveau von 2009. Bemerkenswert an der Marktdynamik: Der mittlere Preisanstieg für Neubauten lag in vielen deutschen Städten bei über fünf Prozent pro Jahr.

Was sind die Gründe für diese Dynamik? Müssen wir das Platzen einer spekulativen Übertreibung wie in Spanien, Irland oder den USA für bayerische Städte befürchten? Vielleicht vorab zwei Bemerkungen zur Entwarnung: Es wird sehr häufig auf die Entwicklung der Neubaupreise und dort insbesondere auf die Preise in den guten Lagen hingewiesen; dort waren die Preisanstiege in der Tat besonders hoch. Doch dieses Marktsegment ist relativ klein: Es gibt mehr Bestandswohnungen als Neubauwohnungen, und es gibt auch noch Ein- und Zweifamilienhäuser, und natürlich wird auch in einfachen Standorten gewohnt. In all diesen anderen Marktsegmenten fielen die Preiszuwächse in den letzten fünf Jahren spürbar geringer aus als bei den guten und sehr guten Neubauwohnungen.

Gleichwohl gilt für alle Wohnimmobiliensegmente, dass die Preisdynamik seit 2009 deutlich stärker ausfiel als in den zehn Jahren vor dem jüngsten Aufschwung und auch deutlich stärker als die allgemeine Teuerung. Diese zwei Vorbemerkungen sind folglich nur eine Entwarnung zweiter Klasse. Und weil Wohnimmobilien eben für eine Volkswirtschaft die größte reale Vermögensklasse darstellen, sollte man preisliche Auffälligkeiten sehr ernst nehmen.

Kaufkraft steigt oft langsamer als Wohnungspreise

Wie erkennt man nun eine spekulative Übertreibung? Zwei wichtige Indikatoren sind hier zu nennen: Der erste Indikator ist die Relation der Preise zu den verfügbaren Einkommen, sprich, können wir uns die Wohnungen leisten? Tatsächlich ist die Kaufkraft in den allermeisten deutschen Städten in den letzten fünf Jahren langsamer gestiegen als die Wohnungspreise. Wohnen ist also für uns teurer geworden. Allerdings ist dieser Indikator nur in etwa jeder sechsten deutschen Stadt heute höher als im Jahr 1995 und nur in einer Handvoll Städten, zum Beispiel in Hannover, Erlangen oder München, liegt diese Maßzahl um mindestens zehn Prozent oberhalb des Niveaus von 1995. In den allermeisten Städten sind Wohnungen folglich so erschwinglich wie Mitte und Ende der 1990er Jahre. Tatsächlich hinkt dieser Vergleich sogar etwas, denn die Finanzierungszinsen und -konditionen sind heute viel günstiger als damals. Die tatsächliche Finanzierungslast, also der Anteil der monatlichen Hypothekenlast am verfügbaren Einkommen, ist noch immer in der Nähe des historischen Tiefpunkts. Ein akutes Risiko haben wir also nur dann zu fürchten, wenn die Finanzierungszinsen ruckartig und stark nach oben zögen. Dies verhindert wohl aktuell die Staatsschuldenkrise in Südeuropa – die Zinswende für Europa wird von den Ökonomen jährlich weiter in die Zukunft verlagert.

Der zweite Indikator ist Mietrendite: Steigen die Wohnungspreise schneller als die Mieten, spekulieren wohl einige Marktteilnehmer auf Wertsteigerungen oder künftig steigende Mieten, dann sinkt die Mietrendite. In den allermeisten Städten Bayerns sind nun diese Mietrenditen in den letzten Jahren gesunken, etwa um insgesamt einen halben Prozentpunkt – in München stärker, in Erlangen oder Bayreuth weniger kräftig. Dies ist durchaus beachtlich, doch wenn man berücksichtigt, dass sich die Auszahlungsrenditen für Alternativanlagen, zum Beispiel jene für Staatsanleihen, viel stärker nach unten bewegten, ist die Entwicklung auf den Wohnungsmärkten geradezu moderat.

Flucht aus anderen Anlageklassen

Ist dies eine Entwarnung? Nein. Es beruhigt nicht wirklich, wenn man im Vergleich zweier überbewerteter Anlagen eine noch viel stärker fehlbewertete Anlageklasse – hier die Anleihen im Vergleich zu Wohnungen – findet. Da es aber bei Anlageentscheidungen immer um Entscheidungen zwischen Alternativen geht, bedeutet dies, dass viele Kapitalanleger weniger aus spekulativer Spielsucht Wohnungen kaufen, sondern weil sie vor den niedrigen Zinsen aus anderen Anlageklassen fliehen. Die allermeisten institutionellen Wohnungskäufer sind vorsichtige Kaufleute. Doch ihr Engagement sorgt eben zusätzlich für steigende Preise. Wichtiger als diese institutionellen Käufergruppen sind jedoch die fundamentalen Faktoren: eine verbesserte Arbeitsmarktlage, anhaltend starker Zuzug von Menschen aus dem In- und Ausland in die Ballungsräume, niedrige Zinsen und noch immer nicht ausreichende Neubauaktivitäten.

Die Sorge vor einer spekulativen Blase können wir vertagen, ganz verdrängen dürfen wir sie indes nicht.

Tobias Just

Im Mittelpunkt der wohnungspolitischen Diskussion muss daher nicht die Gefahr einer Blase stehen und auch nicht die Begrenzung von Mietsteigerungen, sondern das Schaffen zusätzlichen erschwinglichen Wohnraums: Durch eine Begrenzung der Mietzuwächse wird kein zusätzlicher Wohnraum geschaffen. Es geht vielmehr um das Ausweisen von Baugebieten, um eine Verdichtung der Innenstädte und um das Prüfen, wo die öffentliche Hand das Bauen verteuert, zum Beispiel durch Stellplatzrichtlinien oder Bauauflagen. Richtig ist: In Bayern wurden 2013 über 41000 Wohnungen in neuen Wohngebäuden fertig, und das sind immerhin 10000 Einheiten mehr als im Jahr 2008. Doch gleichzeitig waren es 2013 rund ein Drittel weniger Fertigstellungen als im Jahr 2000 und nicht einmal halb so viele wie im Jahr 1995. Dabei nahm die Zahl der Einwohner in Bayern im Jahr 2013 in etwa so schnell zu wie im Jahr 2000 oder im Jahr 1995. Trotz des Anstiegs der Bautätigkeit, zuletzt wird wohl immer noch nicht genügend gebaut, um den Nachfragezuwachs zu decken. Daher ist für die nächsten Quartale auch mit weiterhin steigenden Wohnungspreisen und Neubaumieten zu rechnen. Zusätzlicher Wohnraum in den Ballungsräumen sollte daher das Hauptaugenmerk sein – die Sorge vor einer spekulativen Blase können wir vertagen. Ganz verdrängen dürfen wir sie nicht, denn eine anhaltende Phase niedriger Zinsen war noch immer das wirkungsvollste Triebmittel nicht nachhaltig steigender Vermögenspreise.

Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft am Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg (IREBS), wo er zugleich Leiter der Immobilienakademie ist. Seit 2013 ist der von führenden Immobilien-Journalisten zum „Kopf der Immobilienwirtschaft“ gekürte Immobilienexperte zudem Vizepräsident der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif).