Was hat sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) dabei nur gedacht? Die Arbeitgebervertreter laufen Sturm gegen ihren Gesetzentwurf zur Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen. Bild: Imago/Sven Simon
Zeitarbeit

Nahles‘ nächstes Bürokratiemonster

Als ob starre Mindestlohnregelungen samt mühsamer Aufzeichnungspflicht nicht genug wären, zaubert Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) das nächste Bürokratiemonster aus dem Hut. Ihr Gesetzentwurf zur stärkeren Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen sorgt bei Arbeitgebern für blankes Entsetzen. Auch die CSU fordert Nachbesserungen.

Für Deutschlands Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer ist der von Nahles vorgelegte Entwurf schlicht „praxisfremd, hochbürokratisch und in der Sache unsinnig“. Die Bundesarbeitsministerin schlägt unter anderem vor, die Zeitarbeit auf eine Dauer von 18 Monaten zu begrenzen sowie eine verbindliche Gleichbehandlung der Beschäftigten beim Arbeitsentgelt nach neun Monaten. Unterlaufen bei einem Werkvertragseinsatz Fehler, wird außerdem ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro fällig.

Die Vorschläge von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sind überzogen. Bayern wird sich für eine weitere Überarbeitung einsetzen. Gerade die Zeitarbeit hat sich insbesondere für Arbeitslose, Berufseinsteiger und Geringqualifiziert als Möglichkeit zum Einstieg in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bewährt.

Emilia Müller, Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration

„Die Vorschläge von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sind überzogen“, sagt Bayerns Arbeitsministerin Emilia Müller (CSU). Sie würden über das gemeinsame Ziel hinausschießen, den vereinzelt vorkommenden Missbrauch von Zeitarbeit und Werkverträgen zu bekämpfen. „Bayern wird sich für eine weitere Überarbeitung einsetzen“, verspricht Müller und stellt klar, dass Zeitarbeit und Werkverträge wichtige Flexibilisierungsinstrumente für Unternehmen seien. „Gerade die Zeitarbeit hat sich insbesondere für Arbeitslose, Berufseinsteiger und Geringqualifizierte als Möglichkeit zum Einstieg in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bewährt“, macht die Ministerin klar. In Zukunft werde die Zeitarbeit auch ein wichtiger Weg zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen sein, betont Müller. „Deshalb sind einschränkende Regelungen hier der falsche Weg.“

Die Wirtschaft ist entsetzt

Die Unternehmen werden stranguliert

Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw)

Vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt zerpflückt Nahles Gesetzentwurf. Der Chef der Vereinigung der Bayerischen Wirtschafte (vbw) lässt kein gutes Haar daran: Das Papier führe zu weniger Flexibilität, weniger Planungssicherheit, mehr Bürokratie und werde nicht der arbeitsteiligen Wirtschaft gerecht, „auf der unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit unsere Arbeitsplätze beruhen“, so Brossardt. „Die Unternehmen werden stranguliert.“ Unter anderem kritisiert der Hauptgeschäftsführer die vorgesehene Beschränkung der Überlassung eines Beschäftigten auf höchstens 18 Monate. Eine Abweichung davon gebe es in dem Entwurf nur für tarifgebundene Unternehmen, eine Bezugnahmeklausel für nicht-tarifgebundene Unternehmen fehle. „Dies stellt einen massiven Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit dar“, moniert der vbw-Chef. Ob das wohl an der Gewerkschaftsfreundlichkeit der SPD liegt? Lange Überlassungszeiten gebe es zudem häufig im hochqualifizierten Bereich, etwa in der Projektarbeit. „Es wäre absurd, diese Einsätze vorzeitig beenden zu müssen, weil die Überlassungshöchstdauer des Zeitarbeiters erreicht ist“, gibt Brossardt zu bedenken.

Der Gesetzentwurf wirkt wie aus der Zeit gefallen. Frau Nahles präsentiert sich mal wieder als Ministerin für Bürokratiewachstum.

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

Aufgrund der flexiblen Einsatzzeiten greifen viele deutsche Firmen gerne auf Leiharbeiter zurück.

Sie bekommen von ihrem Arbeitgeber ein festes Gehalt und werden je nach Bedarf bei verschiedenen Unternehmen eingesetzt. Deutschlandweit waren in der Branche 2014 rund 856.000 Frauen und Männer beschäftigt. Dabei wird zwischen Zeitarbeit und Werkverträgen unterschieden: Während bei der Zeitarbeit Arbeitskräfte ausgeliehen werden, buchen die Firmen bei den Anbietern mit Werkverträgen komplette Arbeitsleistungen.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, den Missbrauch von Zeitarbeit und Werkverträgen zu verhindern. Doch mit diesem Ziel habe der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf nur noch am Rande zu tun und wirke, „wie aus der Zeit gefallen“, moniert die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. Das überparteiliche Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wirbt für die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland und gibt Anstöße für eine moderne marktwirtschaftliche Politik. Nahles‘ Gesetzentwurf zu Zeitarbeit und Werkverträgen fällt bei den Experten glatt durch: Mit ihm bekämpfe die Ministerin nicht in erster Linie den Missbrauch, „sondern vor allem den regulären Gebrauch dieser erfolgreichen und wichtigen Arbeitsmarktinstrumente“, heißt es. „Statt den Arbeitsmarkt zu stärken, präsentiert sich Frau Nahles mal wieder als Ministerin für Bürokratiewachstum.“

Vereinbarung im Koalitionsvertrag überdenken

Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner fordert angesichts des aktuellen Gesetzentwurfs zu Werkverträgen und Zeitarbeit, die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag grundsätzlich zu überdenken: „Wir können jetzt angesichts des Flüchtlingsstroms keine zusätzlichen gesetzlichen Regulierung gebrauchen, auch wenn sie im Koalitionsvertrag vereinbart sind. Das ist überflüssig, wirklichkeitsfremd und ein falsches Signal: Das schadet der Wirtschaft und bringt uns auf dem Arbeitsmarkt nicht weiter.“

Wie beim Mindestlohn wird die Wirtschaft jetzt wieder unter Generalverdacht gestellt und mit zusätzlichen Kontrollen überzogen. Das zeigt die Geisteshaltung, mit der Frau Nahles Politik macht.

Ilse Aigner, Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie

Konkret kritisiert Aigner den gesetzlichen Kriterienkatalog zur Abgrenzung von Werkverträgen und Arbeitsverhältnissen: „Das ist völlig überzogen.“ Vielen selbstständigen Unternehmen werde damit die Möglichkeit genommen, als Dienstleister tätig zu werden. Wie beim Mindestlohn werde die Wirtschaft jetzt wieder unter Generalverdacht gestellt und mit zusätzlichen Kontrollen überzogen. „Das zeigt die Geisteshaltung, mit der Frau Nahles Politik macht.“ Zudem kritisiert Aigner vor allem die zeitliche Begrenzung eines Leiharbeitsverhältnisses auf 18 Monate. „Das geht an den Erfordernissen vieler Betriebe vorbei. Ausnahmen nur für tarifgebundene Unternehmen greifen zu kurz, weil viele Betriebe gar keiner Tarifbindung unterliegen.“

Pläne sind kontraproduktiv

Aigner weiter: „Wir brauchen mehr statt weniger Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Unqualifizierten den Weg in eine Beschäftigung zu ermöglichen. Die Pläne von Ministerin Nahles sind deshalb kontraproduktiv und werden den Herausforderungen, vor denen wir auch angesichts der Flüchtlinge stehen, nicht gerecht.“