Bayerns Staatsregierung will die Planungen zum Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen forcieren. (Bild: Flughafen München GmbH/Werner Hennies)
BIHK-Konjunkturindex

Risse im Gefüge

Panik will er nicht verbreiten, doch BIHK-Chef Peter Driessen sieht Risse in dem Boom, an dem sich derzeit auch die bayerische Wirtschaft erfreut. Der Hauptgeschäftsführer des bayerischen Industrie- und Handelskammertages warnt vor einer "Lethargie", aus der man herauskommen müsse.

Die 1,4 Prozent, um die die bayerische Wirtschaft im ersten Halbjahr 2015 gewachsen ist, sind dem BIHK-Chef zu mickrig. „Das entspricht nicht der bayerischen Tradition“, kritisiert Driessen mit Blick darauf, dass der Freistaat zuletzt im Bundesländer-Vergleich nur im Mittelfeld lag. Er verweist auf Baden-Württemberg, in dem es um 3,1 Prozent aufwärts ging und das Saarland, dessen Wirtschaft in den ersten sechs Monaten des Jahres um 2,4 Prozent gewachsen war.

Die bayerische Wirtschaft hat ihren Höhenflug in den Sommermonaten fortgesetzt

BIHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen

Derzeit läuft der Wirtschaftsmotor aber auch in Bayern wie geschmiert. Das ließ Driessen heute auch bei der Vorstellung der Ergebnisse der Herbst-Konjunkturumfrage des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) durchblicken. 4000 Betriebe wurden dazu im Freistaat befragt. Das Ergebnis: „Die bayerische Wirtschaft hat ihren Höhenflug in den Sommermonaten fortgesetzt“, so Driessen. Der BIHK-Konjunkturindex sei seit dem Frühjahr zwar um einen Punkt zurückgegangen, die erreichten 126 Punkte seien aber „langfristig gesehen ein überdurchschnittlich hoher Wert“, so der BIHK-Chef. Die Unternehmen sind demnach mit ihrer derzeitigen Geschäftslage sehr zufrieden.

Zu verdanken haben sie das laut Driessen vor allem der Kauflaune der Konsumenten. „Niedrige Zinsen, gesunkene Benzinpreise und steigende Einkommen haben finanziellen Spielraum auch für größere Anschaffungen geschaffen“, weiß der Hauptgeschäftsführer.

Die Euphorie aus dem Frühjahr ist verflogen

Peter Driessen

Der BIHK hat nun aber Risse im Gefüge ausgemacht: „Die Wachstumstreiber haben ihr Pulver bereits zum Großteil verschossen“, warnt Driessen mit Blick auf die Tatsache, dass das Benzin kaum mehr günstiger werden kann und die Europäische Zentralbank die Zinsen auch nicht weiter senkt – sie sind bekanntlich schon nahe Null angelangt. Im Inland haben die Unternehmen also keine großen Sprünge mehr zu erwarten. Und auch im Exportgeschäft rechnen die Firmen mit keiner Belebung, da sich die Konjunktur in den Schwellenländern abkühle und die Erholung in der Eurozone nur schleppend vorankomme, erklärt der BIHK-Chef das Dilemma. So kommt es, dass die bayerischen Unternehmer laut BIHK ihre Wachstumsprognosen für die kommenden zwölf Monate deutlich reduziert haben. „Die Euphorie aus dem Frühjahr ist verflogen“, bedauert Driessen.

Bestenfalls 20 Prozent der Zuwanderer haben eine auf dem deutschen Arbeitsmarkt nachgefragte Qualifikation

Peter Driessen

Als ein immer größeres „Wachstumshemmnis“ hat der BIHK außerdem den anhaltenden Fachkräftemangel ausgemacht. 43 Prozent der befragten Unternehmen sehen ihn demnach als Risiko für die eigene Geschäftsentwicklung. Das ist der höchste Wert seit Beginn der BIHK-Abfrage 2010. Dass der anhaltende Flüchtlingsstrom die Fachkräftelücke schließen kann, hält der Handelskammertag für unwahrscheinlich. „Hier ist Ernüchterung angebracht“, sagt Driessen. „Bestenfalls 20 Prozent der Zuwanderer haben eine auf dem deutschen Arbeitsmarkt nachgefragte Qualifikation.“ Wenn man die Flüchtlinge möglichst schnell in den Arbeitsmarkt integrieren wolle, „müssen sie unsere Sprache lernen und in der Regel auch zusätzlich qualifiziert werden“.

Mindestlohn verführt Jugendliche und kostet Praktikumsplätze

Hinterfragt werden müsse aber auch die derzeitige Arbeitsmarktpolitik, forderte der Hauptgeschäftsführer und meinte damit vor allem den Mindestlohn. Zwei Änderungen wären seiner Meinung nach angebracht: Die im Mindestlohngesetz verankerte Ausnahmeregelung für Jugendlichen bis 18 Jahre ohne Ausbildungsabschluss sollte auf 25 Jahre erweitert werden, weil falsche Anreize geschaffen würden. „Kurzfristig ist es für Jugendliche attraktiver, eine mit Mindestlohn bezahlte Stelle anzutreten als eine Ausbildung zu beginnen. Langfristig ist dies jedoch ein Weg in die Sackgasse“, erklärte Driessen. Auch den Praktika als wichtigen Qualifizierungsschritt habe der Mindestlohn „einen Bärendienst“ erwiesen. So hat laut Driessen eine BIHK-Umfrage ergeben, dass rund ein Drittel der bayerischen Unternehmen die Zahl der Praktikumsplätze aufgrund der Mindestlohnregelungen reduziert hat. „Zusätzliche Ausnahmeregelungen könnten dazu beitragen, dass Unternehmen wieder mehr Praktikumsplätze anbieten“, meint der BIHK-Chef.

Zweite Stammstrecke und dritte Startbahn sind überfällig

Driessen forderte die Politik auch in anderen Bereichen zum Handeln auf: „Bei der Energiepolitik, dem Bürokratieabbau und den öffentlichen Investitionen in Infrastruktur warten die Unternehmen vergebens auf positive Signale“, monierte er. Projekte wie die zweite Stammstrecke in München, der bayerische Nordzulauf des Brenner-Basistunnels und die dritte Startbahn am Münchner Flughafen seien überfällig.

Der bayerische Arbeitsmarkt bleibt in sehr guter Verfassung

Peter Driessen

Laut BIHK-Umfrage sind derzeit 48 Prozent aller Betrieb mit ihrer Geschäftslage zufrieden, nur sieben Prozent bewerten die Situation als „schlecht“. Mit besseren Geschäften in den kommenden zwölf Monaten rechnen 23 Prozent der Befragten, im Mai waren es noch 30 Prozent. Eine Eintrübung erwarten derzeit zehn Prozent. Der bayerische Arbeitsmarkt bleibe dagegen in „sehr guter Verfassung“, erklärte Driessen. 73 Prozent der Betriebe würden keine Veränderungen bei der Zahl ihrer Mitarbeiter planen. 17 Prozent wollen demnach mehr Stellen schaffen, nur zehn Prozent gaben an, Jobs zu streichen.