Pulsierende Metropole: In Ho Chi Minh Stadt (dem früheren Saigon) haben sich etliche Firmen niedergelassen, die Vietnam als verlängerte Werkbank nutzen. Bild: jvr
Freihandelsabkommen

EU und Vietnam sind sich einig

Es ist noch nicht lange her, da zählte Vietnam zu den ärmsten Ländern der Welt. Erst 20 Jahre nach Kriegsende lockerten die USA die Zügel und hoben das verhängte Wirtschaftsembargo auf. Seitdem geht es bei den Erben Ho Chi Minhs kontinuierlich bergauf. Nun hat sich das kommunistische Land auf ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union (EU) geeinigt.

Während Amerika und Europa unter Protesten von vielen Seiten noch um ihr Freihandelsabkommen TTIP ringen, sind die EU und Vietnam schon eine großen Schritt weiter: Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und Vietnams Handelsminister Vu Huy Hoang haben in dieser Woche den Weg für das FTA (Free Trade Agreement) frei gemacht. Voraussichtlich im Herbst soll es vom Europäischen Parlament gebilligt werden.

99 Prozent aller Zölle sollen fallen

Innerhalb von zehn Jahren sollen demnach 99 Prozent aller Zölle zwischen Vietnam und den EU-Ländern fallen. Die EU will die Einfuhrzölle bereits nach sieben Jahren aufgehoben haben, das kommunistische Land darf sich dafür drei Jahre mehr Zeit lassen. Denn für Vietnam birgt der Freihandel auch Risiken: Das FTA übe Druck auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen aus und zwinge sie, ihre Produktion umzustrukturieren und ihre Konkurrenzfähigkeit zu verbessern, gibt die vietnamesische Industrie- und Handelskammer zu bedenken, die sich andererseits aber auch auf das Abkommen freut: „Die vietnamesischen Unternehmen haben damit die Chance, Hochtechnologie sowie hochwertige Materialien aus der EU zu einem niedrigen Preis zu importieren.“

Markt für Direktinvestitionen öffnet sich

Den europäischen Firmen öffnet sich derweil noch mehr ein großer Markt, auf dem sich seit Jahren schon viele deutsche Unternehmen tummeln. Sie haben ihre Niederlassungen meist in und um die Metropolen in Hanoi im Norden und Ho Chi Minh im Süden des Landes. Das Freihandelsabkommen erlaubt ihnen in Zukunft auch Direktinvestitionen – etwa bei der Produktion von Nahrungsmitteln oder Kunststoffteilen.

Löhne deutlich niedriger als in China

Vietnam gilt als einer der Tigerstaaten innerhalb der südostasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft ASEAN. Nach Angaben der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) bietet das Land neben Singapur die niedrigsten Markteinstiegsbarrieren für ausländische Firmen. Die politischen Rahmenbedingungen seien stabil und für den Produktionsbereich gebe es hervorragende Industrieparks, heißt es. Davon profitieren zum Beispiel bayerische Firmen wie Puma, Adidas oder Siemens, die sich auch aufgrund erschwinglicher Löhne auf dem vietnamesischen Markt wohl fühlen. Nach AHK-Angaben lag der monatliche Mindestlohn in Vietnam im vergangenen Jahr bei 127 Dollar. Zum Vergleich: In China ist er mit 265 Dollar mehr als doppelt so hoch.

Samsung fertigt mehr als die Hälfte seiner Smartphones in Vietnam

Die ganze Welt nutzt Vietnam daher als verlängerte Werkbank. Und das längst nicht mehr nur für die Produktion von Textilien oder Schuhen. An erster Stelle der vietnamesischen Ausfuhren standen laut AHK 2013 Telefone und -teile in Höhe von 21,24 Milliarden Dollar. Dafür sorgte vor allem das südkoreanische Unternehmen Samsung, das mittlerweile mehr als die Hälfte seiner Smartphones in Vietnam fertigen lässt. Auf den Plätzen folgten Textilien und Bekleidung (17,94 Milliarden Dollar), Computer, elektronische Produkte und Ersatzteile (10,6 Milliarden Dollar), Schuhe (8,41 Milliarden Dollar) sowie Rohöl (7,28 Milliarden Dollar). Vietnam rivalisiert dabei auch kräftig mit dem ungeliebten Nachbarn China und erleichtert Investoren das Abwandern aus dem Reich der Mitte: Man habe die Gesetze so geändert, „dass gebrauchte Maschinen nun problemlos von China eingeführt werden können“, heißt es aus der Agentur für Auslandsinvestitionen in Vietnam.

Ein Artikel zur wirtschaftlichen Entwicklung von Vietnam und über die Kooperation mit Bayern im Bayernkurier von 2013:

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