Braumeister Georg „Schorsch“ Tscheuschner mit einigen seiner Spezialbiere in 0,1-Liter-Flaschen. Der Weltmeister-Bock mit 57,7 Prozent Alkohol ist ganz links. Bild: Wolfram Göll
Bier aus Bayern

Schorsch, der Weltrekordler aus Gunzenhausen

Geschichten rund ums Bier aus Bayern vor dem 500-jährigen Jubiläum des Reinheitsgebotes von 1516: Der 47 Jahre alte Braumeister Georg Tscheuschner braut das stärkste Bier der Welt, und das in Oberasbach bei Gunzenhausen. Mit dem uralten Eisbockverfahren bringt er den Gerstensaft auf eine Stärke von sage und schreibe 57,7 Prozent Alkohol – und das alles gemäß dem bayerischen Reinheitsgebot.

Sein Bier ist ziemlich genau das Gegenteil einer spritzig-schäumenden Biergarten-Erfrischung im Maßkrug, sondern eine superstarke, urig-dunkle, weltweit beachtete Spezialität, die in homöpathischen Dosen am besten schmeckt: Georg Tscheuschner, 47, genannt Schorsch, braut in dem winzigen Dorf Oberasbach bei Gunzenhausen das stärkste Bier der Welt. Sage und schreibe 57,7 Prozent Alkohol (nicht etwa Stammwürze) weist sein „Weltmeister-Bock“ auf, den er einmal pro Jahr herstellt und in streng limitierter Stückzahl in winzige 0,1-Liter-Bügelflaschen sowie in 0,33-Liter-Flaschen abfüllt.

Der Trend geht weltweit zu Spezialitäten. Es muss etwas Besonderes sein.

Georg „Schorsch“ Tscheuschner

Die gesamte Produktion des Weltmeister-Bocks ist schon lange im Voraus ausgebucht. Großteils gehen die kleinen Flaschen nach Großbritannien, Dänemark, Italien, neuerdings auch in die USA und mit stark steigender Tendenz nach China, aber natürlich auch in deutsche Feinkostläden. „Der Trend geht weltweit zu Spezialitäten. Es muss etwas Besonderes sein“, sagt Tscheuschner. Sein superstarkes Bier sei als Aperitif oder Digestif zu sehen und sollte in entsprechend kleinen Gläsern ausgeschenkt werden.

Doch auch seine anderen Biere, „Schorschbock“, „Schorschweizen“ oder „Eisbock“ genannt, sind am besten im Schnaps- oder Likörglas zu genießen: Sie weisen 13, 16, 18, 20 und 30 Prozent Alkohol auf. Doch allein mit der Vergärung des Malzes durch eine spezielle Reinzuchthefe hat er seinen Sud maximal auf 16 Prozent Alkohol gebracht, erzählt der Schorsch, der ein Braumeister-Diplom aus Weihenstephan sein Eigen nennt. Danach setzt er einen uralten legalen Trick ein, das Eisbock-Verfahren: In einer Kühlkammer wird das Bier schrittweise auf bis zu minus 60 Grad Celsius heruntergekühlt. „So etwa ab minus fünf Grad friert das Bier ein“, berichtet der Schorsch. Genauer: Der Wasseranteil gefriert, die Eiskristalle werden laufend herausgefiltert. Übrig bleibt ein immer stärker werdendes Starkbier.

Ein Hang zum Extremen ist unverkennbar

Dass er dieses Verfahren bis zum Extrem von 57,7 Prozent Alkohol getrieben hat, liegt einmal an einem Wettbewerb, den der Sender „Vox“ veranstaltet hat, und zum anderen an einer Art Wettrennen, das ihm zwei schottische Brauereien geliefert haben. Zunächst suchte „Vox“ im Jahr 2006 das stärkste Bier Deutschlands. Der Schorsch hatte damals das rein durch Vergärung entstandene 16-prozentige Starkbier anzubieten. Dagegen trat jedoch ein Berliner Kollege an, der sein Starkbier mittels des Eisbock-Verfahrens auf 27 Prozent Alkohol geschraubt hatte. „Das hat in mir die Neugier geweckt, was passiert, wenn ich auf mein Bier ebenfalls das Eisbock-Verfahren anwende“, so Tscheuschner. Als seine Hauptmotivation zu diesen Experimenten nennt er: „Einen Hang zum Extremen, eine schlechte Obrigkeitshörigkeit und einen Hang zum Erforschen neuer Felder.“

Das Wettrennen mit „Sink the Bismarck“

Jedenfalls kam der Schorsch mit dieser Methode auf Anhieb auf 31 Prozent Alkohol, was damals das stärkste Bier Deutschlands und auch der Welt war. Doch eine schottische Kleinbrauerei namens „Brewdog“, offensichtlich ebenfalls mit einem Hang zum Extremen, wollte dies nicht hinnehmen und setzte genau einen Prozentpunkt drauf: 32 Prozent. „Das war der Startschuss für ein spektakuläres Wettrennen. Wir haben uns dann gegenseitig hochgeschaukelt. Jeder von uns wollte unbedingt den Titel des stärksten Bieres der Welt“, erinnert sich der Schorsch lachend. Er selber erreichte beim nächsten Anlauf glatte 40 Prozent, was die Schotten mit 41 Prozent konterten. Dieses Bier nannten sie ziemlich martialisch „Sink the Bismarck“.

Es ist erst vorbei, wenn der Schorsch sagt, dass es vorbei ist.

Georg „Schorsch“ Tscheuschner

Tscheuschner, der Gunzenhäuser „Extremist“, legte daraufhin mit 43 Prozent die Latte noch etwas höher, worauf die Schotten einen Bocksprung im doppelten Wortsinn vollführten und 55 Prozent Alkohol erreichten. Doch der Schorsch legte sich nochmals ins Zeug und kam letztlich auf den heute bestehenden Weltrekord-Wert von 57,7 Prozent. Er nannte dieses Bier „Finis coronat Opus“, zu deutsch: „Das Ende krönt das Werk.“ Und diese Spitzenleistung allein mit Bier nach dem bayerischen Reinheitsgebot von 1516 sowie dem alten Eisbock-Verfahren. Breit grinsend spricht Tscheuschner von sich selbst in der dritten Person: „Weitere Herausforderungen sieht der Braumeister gelassen, denn er ist sicher, dass mit dem Eisbockverfahren noch höhere Alkoholgehalte als 57,7 Prozent möglich sind. Es ist erst vorbei, wenn der Schorsch sagt, dass es vorbei ist.“

Das alles ist im Rahmen des Reinheitsgebotes möglich

Eine andere schottische Brauerei namens „Brewmeister“ behauptete später zwar, 67,5 Prozent sowie 65 Prozent erreicht zu haben. Doch wie Tscheuschner erzählt, hätten ebenfalls schottische Experten (www.thebeercast.com) mit Messungen nachgewiesen, dass der „Brewmeister“ nie diese Stärke erreicht und sogar mit Destillat nachgeholfen habe. „Das ist kein Bier mehr, sondern sie hatten Destillat mit reingemischt. Und dann darf sich ein solches Getränk aber weltweit nicht mehr Bier nennen“, so Tscheuschner. „Man darf also sagen, das ich das stärkste Bier der Welt braue.“ Und fügt mit Blick auf das anstehende große Jubiläum des bayerischen Reinheitsgebots 2016 hinzu: „Ich bin sehr stolz, dass das alles möglich ist auf der Grundlage des Reinheitsgebots. Das kann man erzielen, wenn man sonst keine Grenzen einzieht. Hätte ich das Reinheitsgebot irgendwann verlassen müssen, um den Weltrekord zu halten, dann hätte ich die Rekordjagd aufgegeben.

Das war am Anfang eine Schnapsidee – oder auch eine Bierlaune.

Georg „Schorsch“ Tscheuschner

Auf die Starkbier-Spur ist Tscheuschner ursprünglich 2001 gekommen. „Das war am Anfang eine Schnapsidee – oder auch eine Bierlaune“, erinnert er sich. Zuvor erzeugte er in seiner 1996 gegründeten Schorsch-Brauerei herkömmliches Bier, Hell, Dunkel und Weizen – und zwar explizit als handwerkliche Kleinbrauerei im neuen Fränkischen Seenland. Er habe anfangs auch ausschließlich Gasthäuser und einige Bierhandlungen rund um Brombach-, Igelsbach- und Altmühlsee beliefert. „Aber das war wirtschaftlich gesehen kein Leben, allenfalls ein Überleben“, sagt Tscheuschner. Trotz guter Qualität habe er es als Kleinbrauer im Massensegment sehr schwer gehabt, sich gegen die großen Konkurrenten zu behaupten. Sogar in diesem eng begrenzten Touristengebiet.

Nach den ersten Starkbier-Versuchen, zuerst übrigens als Weizen-Bock, 2001 registrierte der Schorsch eine große Nachfrage nach den starken Sorten. Seit 2006 braut er ausschließlich im Starkbiersegment mit geringem Hektoliter-Ausstoß, aber mit erheblich größerer Marge. Das funktioniert so gut, dass er demnächst seine zwei Scheunen in Oberasbach verlässt und in ein nahegelegenes Gunzenhausener Gewerbegebiet umzieht.