München ist einer der wichtigsten internationalen Standorte für Versicherungen. (Bild: imago/Ralph Peters)
Versicherungen

Selbstvertrauen statt Sorge

Einer der Teilnehmer des Weltwirtschaftsgipfels in Davos ist Allianz-Chef Oliver Bäte. Die zunehmenden Ängste der Deutschen hält er für unbegründet. Er empfiehlt mehr Selbstvertrauen und erklärt, warum die Versicherungsbranche im Umbruch ist.

Topmanager, Politiker und Fachleute kommen am 17. Januar auf dem Weltwirtschaftsgipfel zusammen, nicht nur um Kontakte zu knüpfen, sondern auch die allgemeine Weltlage zu diskutieren. In diesem Jahr treibt sie nicht die Sorge um die Finanzmärkte, sondern die Bedrohung durch den Terrorismus, darunter der mögliche Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Das haben Umfragen des World Economic Forum (WEF), zusammengefasst im Global Risk Report 2017, ergeben.

Angst trotz niedriger Arbeitslosenzahlen

Nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York 2001 hat sich die Furcht vor terroristischen Attentaten im Durchschnitt nahezu verdoppelt. 2016 ist sie mit 73 Prozent so hoch wie nie zuvor und erstmals auf Platz eins. Das hat eine Studie der R+V Versicherung ergeben. Aber es ist nicht nur die Angst vor dem Terror. Trotz beinahe Vollbeschäftigung, Zuwachs beim Wohlstand und der Absicherung durch ein Gesundheits- und Sozialsystem sind viele Deutsche beunruhigt. Das bestätigt Allianz-Chef Oliver Bäte, der sich in dieser Woche auch auf Weg zum Gipfel nach Davos macht. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung betont er, dass sich viele Mitarbeiter des Konzerns Sorgen um ihre Jobs machen.

Die Deutschen sollten sich mehr zutrauen. Das können die Amerikaner trotz aller Probleme besser als wir.

Oliver Bäte, Allianz-Chef

Bäte glaube aber nicht, dass diese Angst spezifisch etwas mit der Allianz zu tun habe. „Die Angst ist typisch für unsere Branche“, sagte der gebürtige Rheinländer der Zeitung. Die Versicherungswirtschaft sei im Umbruch. Bäte prophezeit, es werden künftig andere Jobs gefragt. Dazu zählt er die persönliche Beratung. „Wir müssen die Menschen, die heute Papier bearbeiten, fragen, ob sie bereit sind, sich ausbilden zu lassen für die Kundenberatung.“ Die Allianz wolle bei der Qualifizierung helfen.

Keine Sorge vor Trump

Für das US-Geschäft des Versicherers erwartet Bäte positive Auswirkungen, wenn der künftige Präsident Donald Trump seine Pläne umsetzt. Die Allianz sei nicht negativ betroffen, „im Gegenteil“, sagte Bäte. Dabei verwies er auf die geplante Senkung der Unternehmenssteuern, den starken Dollar und die geplanten Lockerungen der Aufsichtsregeln. „Man muss natürlich abwarten, was es mit dem Protektionismus und anderen Themen auf sich hat“, sagte Bäte.

Trotz Anzeichen für eine Zinswende arbeite die Allianz weiter auf der Basis der Annahme lange anhaltender Niedrigzinsen, erklärte der Konzernchef. „Wenn sich das ändert, ist das eine positive Überraschung.“ Ein regelrechter Zinsschock nach oben, also eine drastische Zinserhöhung, würde allerdings sehr negative Auswirkungen für die Branche haben und könnte Versicherer in die Insolvenz laufen lassen. „Uns wird das nicht passieren, aber andere haben nicht so hohe Reserven wie wir.“

Voll im Trend: Telematik-Tarifs

Wer seinen Fahrstil per Smartphone-App überwachen lässt und sicher fährt, zahlt bis zu dreißig Prozent weniger Beitrag. In der Autohaftpflicht herrscht wegen der hohen Zahl von Kunden, die ihre Versicherung jährlich wechseln, sehr scharfer Wettbewerb – die Telematik-Tarife sind die jüngste Waffe im Kampf um die Kunden. Deutscher Marktführer bei den Kfz-Versicherungen ist die HUK Coburg. Die Allianz will in diesem Bereich aufschließen. Auf dem Telematik-Markt tummeln sich inzwischen mehrere große Wettbewerber, darunter die Axa und die italienische Generali.

Dabei kommt die Allianz mit ihrem per Smartphone überwachten Rabatt für sicheres Fahren bei jungen Autofahrern besser an als selbst prophezeit. Im hart umkämpften Markt der Kfz-Versicherungen hat der Münchner Versicherungskonzern das für das erste Jahr des neuen Telematik-Tarifs angekündigte Ziel bereits erreicht – und das nach etwas mehr als sechs Monaten. Im Mai 2016 hatte die Allianz Deutschland angekündigt, im ersten Jahr 20.000 bis 25.000 „BonusDrive“-Policen abschließen zu wollen. Derzeit seien es 20.300, teilte das Unternehmen Ende Dezember 2016 mit. Zielgruppe sind junge Fahrer bis 28.

Tausende Beschwerden von Kunden

Insgesamt betrachtet ist die Stimmung unter Versicherten laut Finanzaufsicht Bafin im vergangen Jahr nicht besonders rosig gewesen: Tausende Kunden haben sich in diesem Jahr bei der Bafin und beim Ombudsmann für Versicherungen über ihre Assekuranz beschwert. Gründe dafür waren unter anderem Streit mit Lebensversicherungen und Ärger wegen der VW-Abgasaffäre. Die Bafin bearbeitete bis Ende September des vergangenen Jahres 6110 Einwände abschließend. An der Spitze standen Konflikte von Verbrauchern mit Lebensversicherungen (1374) gefolgt von mehr als jeweils 1000 Klagen über Kraftfahrtversicherungen und Krankenversicherungen.

Mehr Kunden als im Vorjahr ärgerten sich danach über Rechtsschutz- und Krankenversicherungen. Mit Lebensversicherungen gab es dagegen etwas weniger Auseinandersetzungen. Insgesamt dürfte die Gesamtzahl der Beschwerden in etwa das Vorjahresergebnis erreichen, erklärte die Finanzaufsicht. Am häufigsten kritisierten Kunden – unabhängig von der Art der Assekuranz – die Art der Schadenbearbeitung sowie die Höhe der Versicherungsleistung, die aus ihrer Sicht zu niedrig ausfiel.

Mehr als 500 Beschwerden gingen beim Ombudsmann für Versicherungen allein wegen des Widerrufs von alten Lebensversicherungsverträgen ein. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte Kunden bei fehlerhaften Belehrungen ein „ewiges“ Recht zum Widerruf eingeräumt. Damit können Verbraucher auch Jahre später noch günstig aus ihrem Vertrag herauskommen. Viele Besitzer von VW-Dieselfahrzeugen ärgerten sich Hirsch zufolge über ihre Rechtsschutzversicherung. Die Autobesitzer wollten sich nicht mit der von Volkswagen angebotenen Nachbesserung der Software zufrieden geben, sondern verlangten Schadenersatz oder wollten vom Kaufvertrag zurücktreten.

Versicherungsstandort München

München ist einer der international wichtigsten Standorte für Versicherungen. Etwa 60 Unternehmen der Branche haben in der Stadt ihren Hauptsitz, darunter die Allianz oder die Versicherungskammer Bayern. Insgesamt arbeiten in keiner deutschen Stadt mehr Menschen für Versicherungen als an der Isar: Etwa 33.000 Beschäftigte sind laut Arbeitgeberverband in München und dem Umland in diesem Bereich angestellt. In ganz Bayern sind es knapp doppelt so viele laut Süddeutscher Zeitung. Mehr als ein Drittel der in der Landeshauptstadt erzielten Wertschöpfung kommen aus dem Finanz- und Versicherungssektor, heißt es im städtischen Wirtschaftsbericht.