Unicredit und Italiens große Bankenkrise
Italiens Bankenkrise erreicht Bayern: Die Unicredit-Tochter Hypovereinsbank streicht 1500 Stellen. Italiens Banken müssen faule Kredite über 360 Milliarden Euro bewältigen. Und solange Italiens Wirtschaft krank ist, bleiben es auch die Banken – Besserung ist nicht in Sicht.
Italien

Unicredit und Italiens große Bankenkrise

Italiens Bankenkrise erreicht Bayern: Die Unicredit-Tochter Hypovereinsbank streicht 1500 Stellen. Italiens Banken müssen faule Kredite über 360 Milliarden Euro bewältigen. Und solange Italiens Wirtschaft krank ist, bleiben es auch die Banken – Besserung ist nicht in Sicht.

Italiens Bankenkrise erreicht Bayern − und hier vor allem München. Denn mit Stellenstreichungen im großen Stil und einer Kapitalerhöhung von noch nie dagewesenem Umfang versucht die kriselnde italienische Großbank Unicredit ein Rettungsmanöver. Bis 2019 sollen über die bereits bekannte Streichung von tausenden Arbeitsplätzen weitere 6500 Stellen wegfallen, davon 1500 in Deutschland. Das teilte der Mutterkonzern der Hypovereinsbank (HVB) am vergangenen Dienstag mit. Insgesamt sollen im Gesamtkonzern bis Ende 2019 rund 14.000 Stellen wegfallen.

Unicredit streicht in Deutschland 1500 Stellen.

Als wichtigster erster Schritt zur Sanierung soll die Ausgabe neuer Aktien 13 Milliarden Euro frisches Kapital bringen. Die Bank will zudem faule Kredite im Wert von fast 18 Milliarden Euro an Finanzinvestoren verkaufen. Ein schwieriges Manöver, denn die Höhe des Kapitals, das Unicredit zu mobilisieren hofft, übersteigt den Börsenwert der größten italienischen Bank. Wegen der vielen Probleme der Bank sank der Börsenwert der Unicredit in diesem Jahr um mehr als 50 Prozent auf zuletzt nur noch knapp 15 Milliarden Euro. Immerhin: Weitere sieben Milliarden Euro kann Unicredit schon mit dem Verkauf von Tochtergesellschaften verbuchen.

Ein Teil der Stellenstreichungen geht auf bereits bekannte Sparprogramme aus der Zeit vor dem Antritt des neuen Vorstandschefs Jean-Pierre Mustier im Sommer zurück. Ende September hatte die Unicredit rund 123.000 Vollzeitarbeitsplätze. Im Jahr 2010 waren es sogar noch über 160.000 gewesen. Die Stellen bei der Hypovereinsbank in Deutschland sollen mit Ausnahme des Privatkundengeschäfts in allen Bereichen gestrichen werden: Firmenkunden, Investmentbanking und Hauptverwaltung in München. Bisher bekannt waren 1200 Stellen, die wegfallen sollen. Die Pläne waren vergangenes Jahre verkündet worden waren. Jetzt sollen noch 300 weitere Stellen gestrichen werden. Ende Dezember 2015 hatte die HVB noch 15.550 Stellen in Deutschland. Weitere Filialschließungen soll es allerdings nicht geben.

Größte Kapitalerhöhung der italienischen Bankgeschichte

Bis 2019 will Unicredit wieder profitabel sein. In diesem Jahr kosten der Umbau und der Abbau von Risiken erst einmal eine Menge Geld. Im vierten Quartal werden Sonderkosten von 12 Milliarden Euro erwartet, so dass dieses Jahr mit einem hohen Verlust abgeschlossen werden wird. Nach dem Umbau will die Bank im Jahr 2019 rund 4,7 Milliarden Euro verdienen. Doch das ist Zukunftsmusik, und der Weg zum Ziel ist noch lang und steinig. Denn derzeit sitzt Italiens Großbank Nummer Eins auf faulen Krediten von fast 77 Milliarden Euro, was etwa 15 Prozent des Kreditvolumens der Bank ausmacht.

Unicredit sitzt auf faulen Krediten von fast 77 Milliarden Euro – 15 Prozent des Kreditvolumens der Bank.

Die für das nächste Jahr geplante Kapitalerhöhung der Unicredit von 13 Milliarden Euro wird eine der größten Transaktionen am europäischen Kapitalmarkt sein. In der italienischen Bankengeschichte hat es eine Operation dieser Größenordnung noch nie gegeben. Problem: Die politischen Unsicherheiten in Italien und die anhaltende wirtschaftliche Stagnation des Landes könnten Investoren zögern lassen.

Italiens Bankenkrise

Der Hintergrund für die Schwierigkeiten der Unicredit ist Italiens zermürbende Bankenkrise: Bei den Banken des Landes haben sich notleidende Kredite im Wert von etwa 360 Milliarden Euro angesammelt. Das ist ein Drittel aller notleidenden Kredite in der Eurozone und knapp 20 Prozent aller Kredite italienischer Banken. Die Gesamtwert der faulen Kredite entspricht etwa einem Fünftel der italienischen Wirtschaftsleistung. Kreditnehmer, die für 210 Milliarden Euro dieser notleidenden Kredite stehen, haben schon Insolvenz angemeldet, erläuterte kürzlich die Neue Zürcher Zeitung. Wie es um die übrigen Kreditkunden und deren ebenfalls als faul beschriebenen Kredite über 150 Milliarden Euro steht, muss sich noch zeigen.

In besonderer Gefahr schwebt das toskanische Bankhaus Monte dei Paschi di Siena (MPS) − die 1472 gegründete Bank ist die älteste der Welt. Bei MPS sind Kredite über 46 Milliarden Euro notleidend, gut 40 Prozent der gesamten ausgereichten Kredite. Einem Sanierungsplan aus dem Sommer zufolge sollen Kredite mit − wie Banker das nennen − „gestörter Rückzahlung”, im Wert von 28 Milliarden Euro, an einen Bankenrettungsfonds abgegeben werden. Bis Ende diesen Jahres will MPS außerdem fünf Milliarden Euro an frischem Kapital gewinnen.

Einige avisierte Großinvestoren haben nach dem Ende der Regierung Renzi und wegen damit verbundener politischer Unsicherheiten vom Aktienkauf wieder Abstand genommen.

Mögliches Alarmsignal für andere Banken mit ähnlichen Kapitalerhöhungsplänen: Die Kapitalerhöhung bei MPS verläuft schwierig. Bislang kann das toskanische Bankhaus nur auf eine Milliarde Euro rechnen, schrieb kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Einige avisierte Großinvestoren sollen nach dem Ende der Regierung Renzi und wegen damit verbundener Unsicherheiten − Wahlen im nächsten Frühjahr? − vom Aktienkauf wieder Abstand genommen haben. Mitte Dezember hat die Europäische Zentralbank es abgelehnt, die der Banca Monte dei Paschi di Siena gewährte Frist für die Kapitalerhöhung um 20 Tage − also bis zum 20. Januar − zu verlängern. Bekommt MPS die fünf Milliarden nicht bis Ende Dezember zusammen, braucht sie Staatshilfe − was die Eurozonenregeln eigentlich verbieten.

Endemische Wachstumsschwäche der Wirtschaft

Was Italiens Bankenkrise so gefährlich macht: Die gigantische Summe notleidender Kredite ist nicht etwa die Folge von geplatzten Preis- und Kreditblasen an den Immobilienmärkten und Fehlspekulationen von Kreditnehmern und Banken. Ursache ist die Dauerkrise und endemische Wachstumsschwäche der italienischen Wirtschaft. Die macht Italiens Unternehmen und ihren Angestellten zu schaffen, erläuterte schon im Juli die Neue Zürcher Zeitung: Drei Viertel der säumigen italienischen Schuldner sind kleine und mittlere Unternehmen. Dazu kommen immer mehr Kleinkunden.

Solange Italiens Wirtschaft krankt, bleiben die Unternehmen krank oder werden noch kränker, und solange wird auch das Siechtum der Banken fortschreiten.

Wenn es diesen Bankkunden schlecht geht, leiden auch die Banken. Bankenrettungsmaßnahmen − Rekapitalisierungsmilliarden, Wertberichtigungen in den Bankenbilanzen und Abstoßen der notleidenden Kredite − können daran nichts ändern. Solange Italiens Wirtschaft krankt, bleiben die Unternehmen krank oder werden noch kränker, und solange wird auch das Siechtum der Banken fortschreiten. Immer weitere Kreditkunden werden in Schwierigkeiten kommen und Insolvenz anmelden müssen. Für die Banken bedeutet das: Den abgeschriebenen faulen Krediten werden neue notleidende Darlehen folgen. Einmal-Rettungsmaßnahmen können daran nichts ändern. Erst wenn Wirtschaft und Wachstum wieder anziehen, können auch die Banken wieder hoffen.

Die Italiener sind ärmer geworden

Das Problem: Eine Besserung der wirtschaftlichen Lage ist in Italien nicht in Sicht. Italiens Wirtschaftsleistung liegt heute auf etwa 75 Prozent des Standes von 2008, vor dem Absturz in der Krise, und auch unter dem Niveau von 2006. Nach sieben Jahren Rezession – oder Minimalzuwächsen 2010 und 2011 – ist das Land erst im vergangenen Jahr zum Wachstum zurückgekehrt: mit mageren 0,7 Prozent. Für 2016 hatte sich Rom 1,2 Prozent Wachstum erhofft. Erwartet werden jetzt aber nur noch 0,6 Prozent. Mit mehr darf man auch für 2017 nicht rechnen: Die Binnennachfrage lag im dritten Quartal des Jahres 2016 um zehn Prozent niedriger als im ersten Quartal des Krisenjahres 2008. Dazu passt, dass seit Beginn der Krise Italiens Industrieproduktion um 25 Prozent gesunken ist (Financial Times).

Italien ist das einzige Land der Eurozone, dessen Wirtschaftsleistung pro Kopf 2015 unter dem Vergleichswert von 1998 lag, vor der Einführung des Euro.

Für die Italiener bedeutet das alles einen deutlichen Wohlstandsverlust. Italiens Wirtschaftsleistung pro Kopf ist seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Stand von 1996 zurückgefallen: umgerechnet 35.000 Dollar. Damals ging es den Italienern besser als den Franzosen mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf von etwa 33.000 Dollar. Heute hat Frankreich mit etwa 40.000 Dollar BIP pro Kopf Italien weit zurückgelassen. Italien ist damit das einzige Land der Eurozone, dessen Wirtschaftsleistung pro Kopf 2015 unter dem Vergleichswert von 1998 lag, vor der Einführung des Euro, erinnerte im vergangenen Sommer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung der Volkswirtschaftsprofessor und ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt in Italien heute um zehn Prozent niedriger als 2007 (Neue Zürcher Zeitung). Die Arbeitslosigkeit verharrt auf hohem Niveau: In diesem Jahr ist sie von 11,4 auf jetzt 11,6 Prozent gestiegen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt knapp unter 40 Prozent.

Trends in der Eurozone gehen gefährlich auseinander

Italiens Staatsverschuldung ist mit135,5 Prozent der Wirtschaftskraft die zweithöchste im Euroraum und nach Japan und Griechenland die dritthöchste weltweit. Tendenz steigend. Beunruhigend: Die Renditen auf zehnjährige italienische Staatsanleihen sind seit Jahresanfang von 0,9 auf jetzt 1,9 Prozent gestiegen. Italiens drückende Schuldenlast wird teurer – und im kommenden Jahr 2017 muss Rom 350 Milliarden Euro an fälligen Anleihen refinanzieren.

Für die gesamte Eurozone lag die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal 2016 nur um 1,8 Prozent über dem Wert für das erste Quartal 2008.

Financial Times

Zusätzlich beunruhigend ist, dass im Euro-Raum die Wachstumstrends so stark auseinander gehen. Während etwa in Deutschland das Bruttosozialprodukt pro Kopf zwischen 2007 und 2016 um rund 11 Prozent gewachsen ist, hat es sich in Frankreich im gleichen Zeitraum kaum verändert und ist in Spanien um acht und in Italien um elf Prozent gefallen. Spanien werde bis Ende des Jahrzehnts brauchen, um das Vorkrisenniveau wieder zu erreichen, schreibt jetzt Financial Times, und Italien gar bis Mitte der 2020er Jahre.

Für die gesamte Eurozone lag die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal 2016 nur um 1,8 Prozent über dem Wert für das erste Quartal 2008. Während die schon erwähnte Binnennachfrage in Italien seit 2008 stark gefallen ist, ist sie in Deutschland um acht Prozent gewachsen. Für die ganze Eurozone lag sie 2016 immer noch um 1,1 Prozent unter dem Wert von 2008. Hinter diesen Zahlen verberge sich ein dramatisches Scheitern der Eurozone, urteilt die Londoner Financial Times. Und besonders schlimm hat es eben Italien getroffen. Die große Gefahr für die Eurozone ist nun, dass den Italienern irgendwann der Geduldsfaden reißen könnte. (dpa/BK/H.M.)