Teurer Spaß: der Tesla S P90D kostet mindestens 120.000 Euro. Gewinn macht das Unternehmen dennoch nicht. (Foto: Imago/Zuma Press)
Mobilität

Wie schnell wandelt sich die Autobranche?

Elektromobilität, autonomes Fahren, Diesel-Affäre: Die deutschen Autobauer stehen vor vielen Herausforderungen. Auf dem "Tag der Automobilwirtschaft" in Nürtingen debattierte die Branche über aktuelle Entwicklungen und Lösungen für die Zukunft.

Acht Jahre ist es her, dass Tesla sein Model S ankündigte. Dass der kleine E-Auto-Pionier einmal die gesamte Branche unter Druck setzen würde, hätte sich damals niemand träumen lassen. In einem Zeitraum, den Autohersteller üblicherweise für die Entwicklung eines neuen Modells benötigen, haben sich die Rahmenbedingungen der Branche rapide gewandelt – und Schuld daran ist nicht nur die Elektromobilität. Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft der Hochschule für Wirtschaft in Nürtingen-Geislingen ist sich sicher, dass sich das Tempo bis 2025 beschleunigt. „An allen Fronten wächst der Druck.“

Vorreiter Tesla – Branche zieht nach

Geht es um Elektromobilität, wurde der kalifornische Elektropionier Tesla in den vergangenen Jahren gern als leuchtendes Beispiel und Konkurrenz vorgeführt. „Das Thema gewinnt eine unheimliche Geschwindigkeit durch Dieselgate“, sagt Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut an der Universität Duisburg-Essen. Hinzu kommen politische Diskussionen um Verbote von Verbrennungsmotoren und Umweltplaketten. Die Hersteller merken das: „Jetzt müssen wir Gas geben. Wir müssen viel viel mehr machen“, sagte Daimler-Vorstand Ola Källenius am Mittwoch beim Tag der Automobilwirtschaft in Nürtingen. Daimler nimmt in den nächsten Jahren zehn Milliarden Euro in die Hand, um ab 2019 zehn E-Autos auf den Markt zu bringen. Am Ende, ist sich Peter Fuß von der Unternehmensberatung Ernst & Young sicher, entscheide der Verbraucher. „Fragen wie der hohe Preis von Elektroautos oder der niedrige Restwert von Autos der ersten Generation sind dadurch nicht vom Tisch.“

Doch auch der Vorteil der Verbrennungsmotoren läuft auf Zeit. „Bis spätestens 2020 werden wir bei Elektromobilität Kostengleichheit sehen“, sagt Willi Diez. Volkswagen will das mit seinem 2020 geplanten Kompaktwagen schaffen. Der soll so teuer wie ein Diesel sein, sagte VWs Chefstratege Thomas Sedran. „Zu diesem Zeitpunkt gibt es keinen Grund mehr, nicht elektrisch zu fahren.“

Rote Zahlen mit E-Autos

Ob Konkurrent Tesla, der sich im Gegensatz zu den alteingesessenen Herstellern vor Vorbestellungen für das angekündigte „Modell 3“ nicht retten konnte, allerdings nachhaltig erfolgreich sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Tesla-Deutschlandchef Jochen Rudat gibt sich gelassen: „Wir sind der festen Auffassung, dass alle mehr gewinnen, wenn mehr Elektroautos auf der Straße sind.“ Denn das helfe zum Beispiel beim Aufbau der nötigen Infrastruktur.

Bei einem geschätzten Autoabsatz von weltweit 80,4 Millionen Autos in diesem Jahr machen Teslas geplante 80.000 bis 90.000 verkaufte Elektroflitzer nur einen Bruchteil aus. Und nach wie vor schreibt der Börsenliebling rote Zahlen – denn er kann die teure neue Technologie nicht aus Verkäufen herkömmlicher Autos quersubventionieren.

Auch beim Thema Autonomes Fahren hält sich die reale Konkurrenz noch in Grenzen. Zwar schockte Google die Autobauer 2014 mit seinem kugeligen Google Car und Tesla lässt trotz schwerer Unfälle Autos in den USA von Computerprogrammen steuern. Doch die Bedrohung scheint – zumindest für die deutschen Hersteller – noch weit weg. Denn auf dem europäischen Markt laufe – auch rechtlichen Rahmenbedingungen geschuldet – alles in gewohnten Bahnen, sagt Dudenhöffer. „In China und den USA entwickelt sich das schneller.“

Autos als „Transportkabinen“?

Der Deutschland-Chef des Mitfahrdienstes Uber, Christoph Weigler, skizzierte in Nürtingen ein Zukunftsszenario. Autotonome Autos, die sich Nutzer wie beim Carsharing teilten, könnten die Zahl der Autos in Städten um 90 Prozent reduzieren, sagte er. „Wenn das Auto zur reinen Transportkabine wird, wird das zum Problem“, ist sich Willi Diez sicher. Denn die Autohersteller würden damit zum reinen Hardware-Hersteller – ähnlich wie einst die Computerhersteller. Dass Apple und Google selbst eine Autoproduktion hochziehen, steht allerdings nicht zu befürchten: „Wir haben kein Interesse daran, Autos zu bauen“, machte Google-Manager Dennis Morgenstern klar.

Die Frage wird aber auch im Auto sein, wer das Innenleben beherrscht. „Wenn das Auto ein iPhone ist, ist MercedesMe iTunes“ ist sich Daimler-Vorstand Källenius sicher. MercedesMe ist eine digitale Plattform, mit deren Hilfe Besitzer beispielsweise technische Details ihres Fahrzeugs abrufen, aber auch Werkstatt-Termine vereinbaren oder das Auto von Ferne abschließen können.

Nachfrage nach Mitfahrdiensten steigt immens

Der Markt mit Mobilitätsleistungen ist die Welt, die sich am schnellsten dreht, ist sich Experte Fuß sicher. „Die Nachfrage nach Diensten wie dem Mitfahrdienst Uber ist in anderen Ländern immens.“ In Deutschland hält die Lobby der Taxibranche den neuen Konkurrenten noch mit rechtlichen Bedenken auf Abstand. Doch die Geschwindigkeit, in der sich diese Märkte entwickelten, sei für die traditionellen Autobauer rasend schnell. „Das mit den langen Entwicklungszyklen für Autos zu synchronisieren, ist unglaublich schwer“, sagt Fuß. Auch wenn VW-Stratege Sedran anerkennend bemerkt, dass in dem Markt Milliarden schlummern. Am besten können die Hersteller noch den Trend zum Teilen folgen, in dem sie ihre eigenen Autos zur Verfügung stellen. Daimler geht im Dezember noch einen Schritt weiter und startet eine Plattform zum Teilen des eigenen Autos – wie zuvor Opel.