Will Niedrigzinspolitik ändern: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (r.) mit seinem niederländischen Amtskollegen Jeroen Dijsselbloem. (Bild: Imago/Zuma Press)
Schäuble

Rauf mit den Zinsen!

Ein Ende der Niedrigzinspolitik der EZB forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Passau - die Bundesbank sieht das genauso. Sorgen bereiten dem Finanzminister die Folgen des Brexits, die Stimmung in Europa sowie die Länder Griechenland und Italien.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat bei der Reihe „Menschen in Europa“ in Passau unter anderem über Zinspolitik, ausgeglichene Haushalte, Freihandel und den Brexit gesprochen. So forderte er einen behutsamen aber umgehenden Ausstieg aus der Nullzinspolitik der EZB, spätestens im Laufe des Jahres 2017: „Je früher man damit anfängt, umso behutsamer kann man es machen.“ Die amerikanische Notenbank FED habe einen solchen Schritt ja mehr oder weniger für Dezember angekündigt, „hoffentlich“ passiere das auch, so Schäuble. Auch wenn die Bundesanleihen derzeit günstig für die Bundesrepublik stünden, und damit auch für den Finanzminister, habe er immer den Rückzug aus den niedrigen Zinsen gefordert. Natürlich habe EZB-Präsident Mario Draghi eine schwierige Situation, da er „für 18 unterschiedlich starke Länder der Eurozone Geldpolitik“ betreiben müsse, die wirtschaftlich nicht so gut wie Deutschland dastehen würden.

Auch die Bundesbank warnt

Auch die Bundesbank warnt aktuell vor den Risiken für die Finanzstabilität wegen des anhaltenden Zinstiefs. „Im aktuellen makroökonomischen Umfeld besteht die Gefahr, dass Marktteilnehmer Risiken unterschätzen und nicht ausreichend berücksichtigen, dass die Vermögenspreise fallen und die Zinsen steigen können“, sagte die Vizepräsidentin der Notenbank, Claudia Buch, am Mittwoch bei der Vorstellung des „Finanzstabilitätsberichts 2016“ in Frankfurt.

Finanzierungen, die unter den aktuellen Rahmenbedingungen angemessen erscheinen, könnten sich dann als nicht nachhaltig herausstellen.

Claudia Buch, Vizepräsidentin der Bundesbank

Am deutschen Immobilienmarkt sieht die Bundesbank trotz teils kräftig gestiegener Preise jedoch noch keine gefährlichen Übertreibungen. „Obwohl die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland seit dem Jahr 2010 deutlich steigen, gibt es aktuell keine Anzeichen für eine exzessive Kreditvergabe oder eine Abschwächung der Kreditvergabestandards“, erklärte Buch. Die Finanzbranche vergebe Kredite nach wir vor mit Augenmaß. Allerdings verlockten die niedrigen Zinsen andererseits zum Schuldenmachen. Käufer müssten sich darüber im Klaren sein, dass dann, wenn die Zinsen wieder steigen, die Preise und Bewertungen an den Märkten zurückgehen würden: „Finanzierungen, die unter den aktuellen Rahmenbedingungen angemessen erscheinen, könnten sich dann als nicht nachhaltig herausstellen“, warnte Buch.

Schwerer Stand für Banken und Sparkassen

Banken und Sparkassen tun sich mit dem Geldverdienen angesichts der extrem niedrigen Zinsen zwar schwer, die Mehrheit der Institute kann mit der Ertragsschwäche aber nach Einschätzung der Bundesbank noch umgehen. „Die Solvenz und Liquidität der deutschen Banken und Sparkassen steht außer Frage“, betonte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. Die Notenbank warnte jedoch auch hier vor Risiken, wenn die Zinsen wieder steigen sollten. Um die nachhaltige Ertragsschwäche zu überwinden, müssten die Institute nicht nur ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen, sondern auch über Fusionen, eine Ausdünnung des Filialnetzes und weitere Einsparungen nachdenken.

Im Ergebnis sollten wir beim jetzigen System der Harmonisierung nationaler Einlagensicherungssysteme bleiben, solange viele offene Fragen ungeklärt sind.

Andreas Dombret, Bundesbank-Vorstand

Die Brüsseler Pläne zu einer gemeinsamen Einlagensicherung in Europa sieht die Bundesbank nach wie vor kritisch. Auch der aktuelle Kompromissvorschlag der EU-Kommission, wonach ein europäisches Schutzsystem zunächst nur als Rückversicherung zu den nationalen Sicherungstöpfen einspringen sollte, sei nicht tragbar, erklärte Dombret. „Im Ergebnis sollten wir beim jetzigen System der Harmonisierung nationaler Einlagensicherungssysteme bleiben, solange viele offene Fragen ungeklärt sind.“ Viele EU-Staaten hatten anders als Deutschland bis zuletzt kein funktionierendes nationales System zum Schutz der Einlagen von Bankkunden. Die deutsche Kreditwirtschaft befürchtet, dass ihre über Jahre gefüllten Töpfe für Schieflagen in anderen Ländern angezapft werden.

Sorgen um Brexit, Griechenland und Italien

In Passau machte Finanzminister Schäuble klar, dass der Brexit eine weitere Belastung werden könnte, nicht nur für Großbritannien, sondern insbesondere auch für Deutschland. „Die Briten sind Netto-Zahler, das heißt im europäischen Haushalt fehlen Mittel. Jetzt erwarten natürlich die Länder, vor allem in Osteuropa, die Netto-Empfänger sind, dass diese Leistungen nicht eingeschränkt werden.“ Wie dieses Problem gelöst werden könnte, stehe noch nicht fest.

Wer den Griechen jetzt sagt: ‚Wir erlassen euch die Schulden‘, der leistet den Griechen eine Bärendienst, denn dann werden sie keine Reformen machen.

Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister

Für das Land der Dauerkrise hatte Schäuble einen Hinweis: „Griechenland muss, wenn es eine harte Währung haben will, die es mit dem Euro hat, seine Verwaltung und sein System so machen, dass es unter den Bedingungen einer harten Währung wettbewerbsfähig ist. Das ist Griechenland nicht. Wir helfen Griechenland, aber irgendwann muss diese Hilfe – wie in der Entwicklungspolitik auch – Hilfe zur Selbsthilfe sein. Wer den Griechen jetzt sagt: ‚Wir erlassen euch die Schulden‘, der leistet den Griechen eine Bärendienst, denn dann werden sie keine Reformen machen.“ Große Probleme sieht er aber auch in Italien, während er als positive Beispiele Spanien, Portugal und Irland nannte. Immerhin habe Italiens Regierungschef Renzi wichtige Reformen im Insolvenzrecht und auf dem Arbeitsmarkt durchgesetzt, das anstehende Verfassungsreferendum sei jedoch ein Risiko.

Europa muss besser werden

Europa müsse sich verbessern, so der Minister. „Wir sehen eine erhebliche Distanz der Bürger zu dem, was Europa zustande oder nicht zustande bringt.“ Der Brexit-Entscheid sei nicht nur der übliche britische Sonderweg gewesen, sondern „Ausdruck einer Stimmung, die es auch in anderen europäischen Ländern gibt“. Immer mehr Menschen seien vom Tempo der sich rasch ändernden Welt überfordert, gerade auch in unserer immer älter werdenden Gesellschaft.

Keine Schulden

Wir haben versprochen, keine neuen Schulden zu machen, keiner hat das geglaubt, aber wir haben Wort gehalten. Das ist unser Erfolg!

Wolfgang Schäuble, lobt CDU/CSU

Für den ausgeglichenen Haushalt lobte Schäuble die CDU/CSU: „Wir haben versprochen, keine neuen Schulden zu machen, keiner hat das geglaubt, aber wir haben Wort gehalten. Das ist unser Erfolg! Das gibt den Menschen ein bisschen Vertrauen in nachhaltige Entscheidungen der Politik.“ Der Minister erinnerte an Ludwig Erhards Zitat: „Wirtschaftspolitik ist zu mehr als 50 Prozent Psychologie.“ Wirtschaft habe mit Menschen zu tun, mit Unternehmern, Verbrauchern und anderen. „Entscheidend ist, dass sie Vertrauen in die Politik haben!“ Dafür sei eine verlässliche Finanzpolitik ein entscheidender Faktor.