Die Hafen-Hinterland-Konferenz in Nürnberg brachte Logistiker, Exporteure, Spediteure, Hafenbetreiber und Verwaltung zusammen. (Foto: Wolfram Göll)
Logistik

Starke Exporte brauchen starke Häfen

Für die Exporterfolge Bayerns ist eine gute Anbindung an den Welthandel über leistungsfähige Hochseehäfen nötig. Die Seehäfen wiederum benötigen die exportstarke bayerische Industrie als Kundschaft sowie gute Verkehrswege über Land. Diese gegenseitige Abhängigkeit wurde auf der Hafen-Hinterland-Konferenz in Nürnberg deutlich. Unterdessen feiert der erfolgreiche Nürnberger Hafen sein 50. Jubiläum.

Klar wurde auch: Wachsende Exporterfolge können nur erzielt werden, wenn alle Verkehrsträger – Eisenbahn, Lkw, Binnenschiff und Hochseeschifffahrt – reibungslos zusammenarbeiten und miteinander verzahnt sind. Dafür braucht es leistungsfähige Infrastruktur in den Warenumschlagzentren. Je besser ein Hafen per Eisenbahn, Binnenschiff oder Autobahn an die Industriezentren angeschlossen ist, desto bessere Wachstumschancen hat er.

Die Hochseehäfen in Norddeutschland, den Niederlanden, Belgien und Norditalien – also Hamburg, Bremen, Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen sowie Genua und Triest – werben intensiv um die Gunst der exportstarken Wirtschaft in Süddeutschland, vor allem in Bayern. Diese hat zu all diesen Häfen etwa die gleiche geographische Entfernung und hat daher meistens die Qual der Wahl, welchen Seehafen sie benutzt.

Nordseehäfen umwerben bayerische Exportindustrie

Das wurde auf der Hafen-Hinterland-Konferenz deutlich, zu der sich Logistiker verschiedener Export-Branchen, Spediteure, Hafenbetreiber, Behördenvertreter und Wirtschaftspolitiker in Nürnberg trafen. Besonders die niederländischen Häfen Amsterdam und Rotterdam leiden unter der Krise der Schwerindustrie in NRW sowie unter der Energiewende. Daher suchen sie neue Kundschaft und orientieren sich nach Süddeutschland.

Die „ARA-Häfen“ Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen machten klar, dass sie sich stark für bessere Eisenbahnverbindungen nach Süddeutschland interessierten. Ein Großteil des Verkehrs der niederländischen und belgischen Häfen nach Zentraleuropa laufe bereits per Binnenschiff auf der Rhein-Main-Donau-Verbindung. In ihren Ländern seien die Vorleistungen bereits erbracht, die deutsche Seite beginne immerhin jetzt mit dem Ausbau besserer Eisenbahnverbindungen.

Hafen Nürnberg: Trimodale Erfolgsgeschichte seit 50 Jahren

Ein gutes und naheliegendes Beispiel für ein leistungsfähiges Warenumschlagzentrum im Binnenland liefert der Hafen Nürnberg, der dem Freistaat Bayern gehört. Vor genau 50 Jahren gegründet, wickelt die fränkische Exportindustrie heute ihren Warenaustausch großteils über diese trimodale Warendrehscheibe ab. „Mit dem Vertragsschluss am 11. November 1966 wurde die Grundlage geschaffen für eine einzigartige Erfolgsstory“, erklärte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) zum Jubiläum.

Der Hafen in Nürnberg ist eine der größten und bedeutendsten Güterverkehr- und Logistikdrehscheiben in Süddeutschland und Europa. Den Wandel vom reinen Massenguthafen zum modernen Dienstleistungshafen hat der Nürnberger Hafen längst geschafft.

Markus Söder, Bayerns Finanzminister

Der Hafen Nürnberg ist ein „trimodales“ Umschlagzentrum, weil hier Waren und Container von drei Verkehrsträgern – Binnenschiff, Lastwagen und Eisenbahn – umgeladen werden, und das höchst effektiv und schnell. „Der Hafen ist ein As im kombinierten Verkehr. Prognosen gehen hier von jährlich weiteren 3 Prozent Wachstum aus. Die flächenmäßigen Voraussetzungen für einen zeitgerechten Ausbau des Terminals sind bereits geschaffen. Ich bin zuversichtlich, dass der Hafen Nürnberg seine Erfolgsstory auch in Zukunft fortsetzt“, betonte Söder.

20.000 Arbeitsplätze hängen am Nürnberger Hafen

Über 36.000 Schiffe liefen seit 1966 den Hafen an, zählte Söder auf – mit über 31 Millionen Tonnen Gütern im Gepäck. Allein in den letzten zehn Jahren investierten die Unternehmen, die sich am Hafen Nürnberg angesiedelt haben, dort über 250 Millionen Euro. Weitere rund 58 Millionen Euro investierten die Bayernhafen-Gruppe und DB Netz AG in das überaus leistungsfähige Container-Terminal. Seit dessen Inbetriebnahme 2006 wurden über 2,3 Millionen 20-Fuß-Standard-Container umgeschlagen. „Aufeinandergestapelt wäre das über 47.000-mal der Nürnberger Fernsehturm“, rechnete Söder schmunzelnd vor.

„Der Hafen in Nürnberg ist eine der größten und bedeutendsten Güterverkehr- und Logistikdrehscheiben in Süddeutschland und Europa. Den Wandel vom reinen Massenguthafen zum modernen Dienstleistungshafen hat der Nürnberger Hafen längst geschafft“, so der Minister. Die Bayernhafen-Gruppe hat seit 1966 rund 100 Millionen Euro in die erfolgreiche Logistik-Drehscheibe in Nürnberg investiert, beispielsweise für 337 Hektar Fläche, 54 Kilometer Gleisnetz, 5,5 Kilometer Kaianlagen, für acht Kräne mit einer Traglast von bis zu 40 Tonnen und einen Schwergutumschlagsplatz. Damit sei die Basis für eine erfolgreiche Zukunft geschaffen, so Söder.

Ein wichtiger Wirtschaftsmotor der Region.

Michael Fraas

Im Bayernhafen Nürnberg arbeiten 6700 Menschen. Bayernweit hat der Standort eine Beschäftigungswirkung von mehr als 20.000 Arbeitsplätzen. „Er ist damit ein wichtiger Wirtschaftsmotor der Region“, lobte der Nürnberger Wirtschaftsreferent Michael Fraas (CSU). Auf einer Fläche von 337 Hektar sind über 200 Unternehmen aus den Bereichen Transport und Logistik, Umschlag, Recycling, Industrie/Produktion, Handel und Lagerung angesiedelt. Mit seinen modernen Umschlagmöglichkeiten hat er eine zentrale Bedeutung für die Wirtschaft in ganz Nordbayern. Söder kündigte an, der Freistaat Bayern werde auch künftig kräftig investieren, um die bayerischen Binnenhäfen auf dem neusten Stand zu halten.

60 Prozent des bayerischen Exports geht über Seehäfen

Nicolai von Rimscha vom bayerischen Innen- und Verkehrsministerium erklärte auf der Hafen-Hinterland-Konferenz, Bayern lebe bekanntlich von der Export-Industrie, und 60 Prozent davon liefen über Seehäfen ab. „Nach Österreich als Hauptexportland kommt schon China und USA“, so von Rimscha. Bayern habe annähernd dieselbe geographische Entfernung zu den Nordseehäfen in Deutschland, den Niederlanden, Belgien sowie den Mittelmeer-Häfen. Der Freistaat verhalte sich in diesem Wettbewerb neutral, unterstütze aber gemeinsam mit Häfen und Hafenstädte Projekte, die die Anbindung förderten, so von Rimscha. So wurde die Eisenbahnverbindung nach Hamburg deutlich verbessert. Derzeit laufe das Projekt „BayRoLo“, das unter anderem fünf Güterzüge pro Woche von Nürnberg nach Rotterdam bedeute.

56 Prozent des bayerischen See-Exports laufe derzeit über die deutschen Nordseehäfen Hamburg und Bremen, so von Rimscha. Dieser Anteil werde bis 2030 auf 60 Prozent zunehmen. Allerdings gelange aus Bayern relativ wenig per Binnenschiff nach Norden, ein wachsender Anteil gehe über die sehr gut ausgebauten Eisenbahnverbindungen. Der Im- und Exportverkehr Bayerns über die „ARA-Häfen“ Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen hingegen werde nach der derzeitigen Prognose bis 2030 abnehmen auf 18 Prozent, so von Rimscha. Das liege daran, dass weniger schiffsaffine Massengüter wie Mineralöl und Kohle auf der Rhein-Main-Donau-Wasserstraße transportiert werden.

Das Binnenschiff verliert Marktanteile. Das entspricht nicht der Zielsetzung Bayerns. Denn die Wasserstraßen bieten noch offene Kapazitäten.

Nicolai von Rimscha, Bayerisches Verkehrsministerium

Das bedeute, dass das Binnenschiff Transportanteile verlieren werde. „Das entspricht nicht der Zielsetzung Bayerns“, bedauerte von Rimscha. Die Wasserstraßen böten offene Kapazitäten, im Gegensatz zum Straßenverkehr, der oft überlastet sei. Der Freistaat versuche, zur besseren Auslastung der Wasserstraßen beizutragen. Ein wachsender Anteil der bayerischen Exporte werde über die Mittelmeer-Häfen Genua und Triest abgewickelt: Deren Anteil werde von 10 auf 15 Prozent steigen. „Für zeitkritische Ladung von Schanghai nach München ist Adria-Hafen Triest am besten, mit 29 Tagen Laufzeit“, rechnete von Rimscha vor. Mit dem Bau des Brenner-Basistunnels werde ein Eisenbahn-Engpass wegfallen.

Künftig mehr Container übers Binnenschiff

Eine Lanze für die Kooperation zwischen See- und Binnenhäfen brach Joachim Zimmermann, Geschäftsführer der Bayernhafen Gruppe, und stellte dabei klar: „Unsere wichtigste Aufgabe es, der bayerischen Wirtschaft viele logistische Optionen zu bieten. Wir sind daher in einem sehr guten Dialog mit allen für Bayern relevanten Seehäfen. Gerade in der Kooperation ist es wichtig, langen Atem zu haben und beharrlich an Themen zu arbeiten.“

Als Beispiel dafür nannte er die Hinterlandverbindung zwischen Nürnberg und Rotterdam; hier gibt es seit März 2012 den fahrplanmäßigen Containerzug „Rotterdam-Bayern-Express“, fünfmal die Woche. Jetzt wurden erstmals auch Binnenschiffe für den Transport von Containern von Rotterdam über Rhein, Main und Main-Donau-Kanal nach Nürnberg eingesetzt. „Möglich ist dies durch die Lage des Containerterminals in Nürnberg mit seiner trimodalen Anbindung.“

Binnenschiffe können aufgrund der Brücken-Durchfahrtshöhe zwei Container problemlos übereinander stapeln, das ergebe eine ganz ordentliche Kapazität von bis zu acht Containern pro Binnenschiff oder 16 Containern pro Schleppverband, erklärten Fachleute auf Nachfrage des Bayernkurier.

Siemens transportiert Riesen-Trafos ausschließlich über Nürnberg

Der Logistik-Chef des Siemens-Konzerns, Rüdiger Fromm, lobte den Nürnberger Hafen ebenfalls. Sein Konzern habe derzeit ein großes Projekt in Belomonte in Brasilien und müsse 28 riesige Transformatoren dorthin liefern, davon wiege jeder mehrere hundert Tonnen. Ein Teil davon werde in Erlangen gebaut.

Die Verladung von Riesen-Trafos im Nürnberger Hafen ist kein Problem. In den deutschen Seehäfen schon.

Rüdiger Fromm, Logistik-Chef Siemens

Per Eisenbahn gehe das nicht. Die Verladung im Nürnberger Hafen vom Spezial-Laster aufs Binnenschiff sei „kein Problem“, so Fromm, weil dort genügend Kräne bereitstünden. Aber die deutschen Seehäfen Hamburg und Bremen seien nicht in der Lage, die Riesen-Trafos von Binnenschiffen auf Hochseeschiffe zu laden. „Dafür fehlen die Schwimmkräne. Deshalb verladen wir unsere Trafos in Antwerpen, die haben genügend Schwimmkräne zur Verfügung“, schrieb Fromm den deutschen Hochseehäfen ins Stammbuch.

Transkontinentale Eisenbahn China-Europa ist noch nicht ausgereift

Etwas anders sind die Transport-Anforderungen anderer Branchen, machten der Geschäftsführer des Autozulieferers ZF in Schweinfurt, Hans Dekkers, und der Eigentümer des mittelständischen Werbemittelspezialisten Barthelmess-Display aus Fürth, Wolfgang Bastert, klar. Bei beiden geht es eher um Zeit: Einmal in der Autoindustrie wegen der Just-in-Time-Produktion, man müsse schnell und günstig liefern können, erklärte Dekkers. Je rascher der Verladehafen zu erreichen sei, desto weniger müsse man selbst auf Lager halten, was die Kosten senke.

Bei den Werbemitteln gelte das deshalb, weil sie teilweise sehr kurzfristig rechtzeitig zum Beginn der Kampagne an Ort und Stelle sein müssen und dann nur vier bis sechs Wochen benutzt werden, wie Bastert sagte. Barthelmess lässt großteils in China fertigen und würde eine raschere Schiffsverbindung begrüßen. Derzeit bräuchten die Schiffe 35 Tage, das sei zu lang. Die derzeit erprobte transkontinantale Eisenbahnverbindung von China nach Nürnberg dauere zwar nur 18 Tage, sei aber problematisch, weil die Ware 10.000 Kilometer auf hartem Untergrund laufe. „Kürzlich haben wir per Eisenbahn beschädigte Ware erhalten“, so Bastert.

Rotterdam wünscht sich bessere Eisenbahnverbindung auf deutscher Seite

Emile Hoogsteden, Geschäftsführer des mit 12,2 Millionen jährlich umgeschlagenen Containern größten europäischen Hafens in Rotterdam, erklärte, sein Hafen biete 225 intermodale Verbindungen sowie Depots an. Man versuche, es den Kunden mit Logistik-Innovationen so leicht wie möglich zu machen. Etwa mit dem neuen Dienst „Navigate“, eine logistische Suchmaschinen-App, die auch die Gelben Seiten der Rotterdamer Frachtbetriebe umfasse. „Man kann die gesamte Route von A bis Z über Rotterdam planen“, so Hoogsteden.

Vom süddeutschen Aufschwung profitiere Roterdam auch, weil immer mehr Güter über Züge und Binnenschiffe umgeschlagen werden. Die Niederlande hätten die Bahnlinie bis zur deutschen Grenze mit einem dritten Gleis bereits ausgebaut, Deutschland hinke leider hinterher. Jetzt allerdings habe die deutsche Seite angefangen zu bauen. „Wir hätten die bessere Anbindung gern bereits fertig. Hoffentlich wird sie bis 2023 fertig sein“, so der Rotterdamer  Hafen-Geschäftsführer Emile Hoogsteden. Mit einem Schaucontainer vor dem IHK-Gebäude, wo die Hafen-Hinterland-Konferenz stattfand, stellte Hoogsteden die neue „BayRoLo“-Initiative vor. Diese bietet unter anderem fünf Direktzüge Nürnberg-Rotterdam pro Woche an.