Ist Donald Trump eine Bedrohung für die Bayerische Wirtschaft? Im Freistaat wird gehofft, dass der künftige US-Präsident einige seiner Ankündigungen aus dem Wahlkampf nicht wahr macht. (Bild: Imago/ZUMA Press)
US-Wahl

Bedeutet Trumps Sieg das Ende von TTIP?

Der Überraschungssieg von Donald Trump hat am Mittwoch auch bei Wirtschaftsvertretern im Freistaat für lange Gesichter gesorgt. Eine der größten Befürchtungen ist, dass der künftige US-Präsident das noch nicht fertig verhandelte Freihandelsabkommen TTIP ganz auf Eis legt. Für die exportstarke bayerische Wirtschaft wäre das ein herber Schlag.

Lawrence Summers größter Alptraum ist in der Nacht auf Mittwoch wahr geworden. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank und US-Finanzminister hatte die Amerikaner eindringlich davor gewarnt, Donald Trump ihre Stimme zu geben: „Ich glaube, ein Präsident Donald Trump wäre die größte Bedrohung für unseren Wohlstand, unsere Sicherheit und unsere Freiheit, seit ich erwachsen bin“, sagte der 61-Jährige Demokrat über den Rivalen aus dem Lager der Republikaner.

BMW und Daimler verlieren beinahe vier Prozent an Wert

Es bleibt abzuwarten, ob Donald Trump als Präsident all die angekündigten Ungeheuerlichkeiten tatsächlich wahrmachen wird, oder ob sie doch nur reiner Wahlkampfpopulismus waren. Der Sieg, den fast keiner erwartet hatte, schüttelte die Finanzmärkte am Mittwoch aber schon mal kräftig durch: In Asien brachen die Kurse als erstes ein, bei seiner Eröffnung sackte auch der Deutsche Aktienindex DAX um drei Prozent ab. BMW und Daimler verloren bis zum Mittag beinahe vier Prozent an Wert, während sich der Index insgesamt wieder leicht erholte. Die Hoffnung der Börsianer ruht darauf, dass Trumps Wirtschaftspolitik weniger radikal ausfallen wird als angekündigt. Analysten meinten allerdings, dass schon die Einlösung der Hälfte seiner Versprechen für „viel Unruhe“ sorgen dürfte.

Trump: TTIP „größte Gefahr“ für US-Unternehmen

Unter anderem wollte Trump bekanntlich eine Mauer zum südlichen Nachbarn Mexiko hochziehen, elf Millionen illegale Einwanderer ausweisen, Geldströme kappen, Einfuhrzölle massiv erhöhen, das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta aufkündigen und Chinas Exporteuren die Daumenschrauben anlegen. Das unterschriftsreife Freihandelsabkommen mit Europa (TTIP) hatte Trump im Wahlkampf gar als „größte Gefahr“ für US-Unternehmen gebrandmarkt.

Die bayerische Wirtschaft erwartet vom zukünftigen Präsidenten Donald Trump ein klares Bekenntnis zum Freihandel und Unterstützung beim zügigen TTIP-Abschluss.

Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK)

Bayerns Wirtschaft bangt

In Bayern bangen die Wirtschaftsverbände seit Mittwoch nun mehr denn je um TTIP. Seit Jahren wird bekanntlich verhandelt und gerungen. Das zuletzt von Kanada und der EU unterzeichnete CETA-Abkommen drohte schon wegen Widerstands aus Belgien auf den letzten Metern zu scheitern. Es gilt als Blaupause für TTIP, auf das im Freistaat sehr viel Hoffnung gesetzt wird. „Die bayerische Wirtschaft erwartet vom zukünftigen Präsidenten Donald Trump ein klares Bekenntnis zum Freihandel und Unterstützung beim zügigen TTIP-Abschluss“, forderte Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) nach der langen Wahlnacht. Er räumte allerdings ein, dass die Chancen für TTIP unter Trump schlechter stehen als unter einer Präsidentin Hillary Clinton, deren Traum vom Weißen Haus bitter geplatzt ist.

Die USA sind der wichtigste Handelspartner der exportorientierten bayerischen Wirtschaft. 2015 lieferten bayerische Unternehme Waren im Wert von fast 23 Milliarden Euro in die USA. Das waren fast 13 Prozent aller bayerischen Exporte.

Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw)

Auch die erste Einschätzung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) war vor allem von Hoffnung getragen. Die Abkürzung „TTIP“ nahm Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt gar nicht erst direkt in den Mund: „Nach einem sehr emotionalen US-Wahlkampf setzt die vbw auf den amerikanischen Pragmatismus und damit auf die Fortsetzung der gewachsenen transatlantischen Partnerschaft zwischen den USA und Europa, Deutschland und Bayern“, ließ sich der vbw-Mann zitieren. Er verwies ebenso wie sein BIHK-Kollege Driessen auf die große Bedeutung des amerikanischen Marktes für den Freistaat: „Die USA sind der wichtigste Handelspartner der exportorientierten bayerischen Wirtschaft. 2015 lieferten bayerische Unternehmen Waren im Wert von fast 23 Milliarden Euro in die USA. Das waren fast 13 Prozent aller bayerischen Exporte“, so Brossardt. Laut Driessen haben bayerische Unternehmen in den USA 54,8 Milliarden Euro investiert. Sie beschäftigen dort 166.000 Arbeitnehmer. Im Gegenzug haben laut BIHK US-Firmen im Freistaat 7,9 Milliarden Euro investiert und 53.000 Beschäftigte.

Die Vereinigten Staaten müssen weiter auf offene Märkte setzen.

Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI)

Auch bei vielen bundesweit agierenden Wirtschaftsverbänden war die Sorge nach der Wahlnacht groß: Niemand wisse, welche seiner Ankündigungen Donald Trump umsetze, warnte zum Beispiel der Hauptgeschäftsführer des deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben. „Die Verunsicherung ist deshalb gerade auch bei den Deutschen Unternehmen groß“, sagte Wansleben und verwies auf deutschlandweit knapp eine Million Arbeitsplätze, die am Export in die USA hängen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kündigte an, weiter für ein faires Handelsabkommen TTIP mit „guten Regeln für Europa und die USA“ zu werben. Und BDI-Präsident Ulrich Grillo forderte den künftigen US-Präsidenten Donald Trump schon mal auf: „Die Vereinigten Staaten müssen weiter auf offene Märkte setzen.“

Wenn Trump die Handelsschranken durchsetzen könnte, die er angekündigt hat, wäre der Schaden groß.

Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo-Instituts

Die Einschätzungen der deutschen Wirtschaftsforscher fielen derweil zum Teil recht unterschiedlich aus: „Wenn Trump die Handelsschranken durchsetzen könnte, die er angekündigt hat, wäre der Schaden groß“, erklärte ifo-Präsident Clemens Fuest. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fürchtet den Milliardär, der ins Weiße Haus einziehen darf, dagegen weniger: „Ich erwarte eigentlich keine großen negativen Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Trump werde seine Wahlversprechen, aus der Welthandelsorganisation auszutreten sowie den Freihandel mit Europa zu beenden, „nicht umsetzen können“, meinte der DIW-Chef.