Der Blick aufs Konto bereitet immer mehr Asiaten Freude. Der private Vermögensaufbau kommt in diesem Teil der Erde deutlich besser voran als in anderen. (Bild: Imago/Westend 61)
Vermögensstudie

Armes Deutschland?

Die Deutschen haben mehr Geld auf der hohen Kante, sie sind sparsam und machen vergleichsweise wenig Schulden. Vermögend sind sie deshalb noch lange nicht. Das geht zumindest aus einer aktuellen Studie der Allianz hervor, die Deutschland nur im Mittelfeld listet. Auch Italiener und Franzosen sind reicher als wir.

Die Wirtschaft brummt, es herrscht beinahe Vollbeschäftigung, und trotzdem sind die Deutschen schlechter dran als andere EU-Bürger: Die aktuelle Studie der Allianz zur Vermögens- und Schuldenlage privater Haushalte in mehr als 50 Ländern („Global Wealth Reports“) listet Deutschland weiterhin nur im Mittelfeld: Mit ihrem Nettovermögen bleiben die Bundesbürger im Vergleich zum Vorjahr auf dem mageren 18. Platz kleben. Mit ihrem Bruttovermögen (Nettogeldvermögen plus Schulden) liegen sie auf Platz 20.

Italien und Frankreich vor Deutschland

„Die weitgehend fehlende Kapitaldeckung der Rentenansprüche rächt sich in der Vermögensstatistik“, erläutern die Verfasser der Studie das maue Abschneiden Deutschlands. Auch Italien und Frankreich seien in den vergangenen Jahren deutlich abgerutscht, heißt es. Nach Abzug ihrer Schulden bleibt den Italienern mit 53.490 Euro und den Franzosen (53.420 Euro) trotzdem noch mehr Geld übrig als den Deutschen. Ihr Netto-Ergebnis liegt gerade einmal bei 47.680 Euro.

Schweizer haben mit Abstand das meiste Geld

Die einsame Spitze im Ranking hält wenig überraschend die Schweiz: Satte 170.590 Euro hat im Schnitt jeder Eidgenosse auf der hohen Kante. Annähernd Schritt halten können damit nur die US-Amerikaner. Ihr durchschnittliches Netto-Geldvermögen lag 2015 bei 160.950 Euro, gefolgt von den Briten (95.600 Euro) und den Schweden (89.940 Euro.) Die Euroländer sind im Ranking abgerutscht. Mit ihrem Brutto-Geldvermögen sind einzig noch die Holländer in den Top Ten. Der Grund: „Die Niederlande verfügen weltweit über eines der besten Pensionssysteme, in dem die für den systematischen Vermögensaufbau in der Breite der Bevölkerung bedeutende betriebliche Altersvorsorge eine große Rolle spielt“, heißt es dazu in der Studie.

Schleppender Vermögensaufbau in Deutschland

In Deutschland ist bekanntlich jeder gut beraten, auch privat für den Lebensabend vorzusorgen und Vermögen aufzubauen. Dabei gehen die Deutschen aber offensichtlich nicht so clever vor wie viele andere Europäer: Zusammen mit den Österreichern schnitten die Bundesbürger in den vergangenen vier Jahren beim Vermögensaufbau am schlechtesten ab, haben die Allianz-Experten herausgefunden. Lediglich 2,3 Prozent sattelten die Deutschen in dieser Zeit auf ihr Vermögen drauf, während Italiener und Spanier Renditen von deutlich mehr als vier Prozent erzielten. Auch die Franzosen stehen mit 3,6 Prozent deutlich besser da.

Geld verkümmert auf den Konten, 200 Milliarden Euro gehen verloren

Was machen wir falsch? „Die deutschen Haushalte haben in den letzten vier Jahren etwa 40 Prozent ihres Geldvermögens mit Verlust bei den Banken geparkt, die reale Rendite dieser Anlage betrug im Durchschnitt dieser Jahre minus 0,4 Prozent“, erläutert die Allianz. Hätten die Deutschen dagegen nur 30 Prozent des Geldes auf dem Bankkonto belassen und die frei gewordenen zehn Prozent auf Aktien und Investmentfonds verteilt, wäre die Rendite um fast einen vollen Prozentpunkt höher ausgefallen: „Die deutschen Haushalte hätten zusätzliche Einnahmen von 200 Milliarden Euro erzielen können“, so die Experten. Sie vergessen dabei, dass Aktien- und Fondsgeschäfte natürlich auch zu großen Verlusten führen können, wie beispielsweise in der großen Finanz- und Bankenkrise 2008. Nicht jeder will so ein Risiko tragen.

Bürger widerstehen Verlockung des billigen EZB-Geldes

Die gute Nachricht: Die Studie zeigt, dass sich auch die Deutschen nicht vom billigen Geld der Europäischen Zentralbank (EZB) locken lassen und lieber Schulden ab- statt aufbauen: In vielen Ländern Westeuropas habe sich auch 2015 der Abbau von Schulden fortgesetzt. „Nur sehr wenige Haushalte scheinen offenbar der Verlockung der Niedrigzinsen zu erliegen und ihre Nachfrage auf Pump zu erhöhen“, sagt Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz. In ihrer Mehrzahl würden sich die die privaten Haushalte ökonomisch verhalten „und damit entgegen den Intentionen der Zentralbanken, die mit ihrer aggressiven Zinspolitik ja gerade die Nachfrage ankurbeln wollen“. Heise: „Für die privaten Haushalte steht der notwendige Schuldenabbau nach den Übertreibungen der Finanzkrise im Vordergrund.“

Die Sparer befinden sich in einem echten Dilemma.

Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz

Global betrachtet sehen die Münchner die „fetten Jahre“ des Vermögenswachstums fürs erste beendet. 2015 ging es laut Allianz mit dem privaten Bruttovermögen „nur“ noch um 4,9 Prozent nach oben. In den drei Jahren davor war das Vermögen im Schnitt noch um neun Prozent gewachsen. „Für die Sparer wird die Frage nach der richtigen Vermögensanlage immer schwieriger“, sagt Chefvolkswirt Heise. Offensichtlich verliere die extrem expansive Geldpolitik auch als Treiber der Wertpapierpreise langsam an Wirkung, warnt der Experte. Damit falle ein wichtiger Faktor des Vermögenswachstums der vergangenen Jahre weg, gleichzeitig würden die Zinsen immer tiefer bis weit in den negativen Bereich rutschen. Heise: „Die Sparer befinden sich in einem echten Dilemma.“

 Asien immer reicher

Mit einem Zuwachs des Vermögens von 14,8 Prozent war 2015 Asien (ohne Japan) einsame Spitze. In Westeuropa (3,2 Prozent) und den USA (2,4 Prozent) reduzierte sich die Wachstumsrate dagegen auf weniger als die Hälfte gegenüber 2014. Asien hängt den Rest der Welt ab: Laut Allianz gilt das auch im Verhältnis zu den beiden anderen aufstrebenden Regionen Lateinamerika und Osteuropa, die im Mittel nur noch halb so schnell wachsen wie Asien. Von den weltweit insgesamt 155 Billionen Euro Bruttogeldvermögen entfallen inzwischen 18,5 Prozent auf die Region Asien (ohne Japan). Sie hat damit seit Beginn des neuen Jahrtausends ihren Anteil mehr als verdreifacht und ist auch am Euroraum (14,2 Prozent) verbeigezogen.