In vier Stunden von München nach Prag: An diesem Ziel arbeitet Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gemeinsam mit seinem tschechischen Amtskollegen Dan Tok. (Archivfoto: Imago/Westend61)
Bahn München-Prag

Noch immer so langsam wie zu Kaisers Zeiten

Die Bahnverbindung München-Prag dauert knapp sechs Stunden, die Verbindung Nürnberg-Prag gut fünf Stunden. Der rückständige Schienenweg hemmt den grenzüberschreitenden Verkehr sowie das Zusammenwachsen Europas – ausgerechnet in dessen Herzregionen. Jetzt aber drückt die CSU aufs Tempo: Die Schnellbahn München-Regensburg-Pilsen-Prag steht bereits im neuen Bundesverkehrswegeplan 2030.

Es ist schon grotesk: Wer im Internet bei der Deutschen Bahn eine Zugverbindung von Nürnberg nach Prag sucht, wird vor allem auf Fernbusse verwiesen. Nur ganz früh, um 5.36 Uhr, geht ein Regionalexpress nach Schwandorf, dort muss man in den „Alex“ nach Prag umsteigen. Die Fahrt dauert insgesamt 5:05 Stunden und kostet 59,70 Euro. Deutlich schneller geht es mit dem Fernbus: Alle eineinhalb Stunden fährt der Bus über die Autobahn A6 direkt in die Goldene Stadt, die Fahrt dauert „nur“ 3:38 Stunden – und kostet nur 54,10 Euro.

Die Bahn empfiehlt: Nehmen Sie den Bus.

Noch deutlich schlimmer ist dran, wer von München nach Prag fahren will: Entweder man bringt genügend Zeit mit, denn volle 5:46 Stunden benötigt der direkte „Alex“ über Regensburg, Schwandorf, Cham, Furth im Wald und Pilsen bei Kosten von 71,20 Euro. Oder man steigt ebenfalls auf den Bus um, entweder mit dem direkten Fernbus München-Prag (4:38 Stunden, 67,10 Euro), oder – auch das empfiehlt die Bahn ernsthaft – mit dem ICE nach Nürnberg und dann mit dem Bus von dort (5:01 Stunden, 98,10 Euro).

Trotz des Umwegs über Nürnberg wäre der Reisende damit immer noch deutlich schneller als mit dem direkten Zug München-Prag, der auf den 500 Kilometern nur eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 85 Kilometer pro Stunde erreicht. Zum Vergleich: Der französische TGV fährt die etwa gleich lange Strecke zwischen Paris und Straßburg in 1:40 Stunden, also mit rund 300 Stundenkilometern.

Bahnverbindung immer noch so schlecht wie unter dem Eisernen Vorhang

„Es ist schade, dass 27 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Bahnverbindungen zwischen Bayern und Böhmen immer noch so schlecht sind wie zu Zeiten des Kommunismus“, kommentiert der langjährige CSU-Europaabgeordnete und Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, im Gespräch mit dem Bayernkurier. „Die Fahrt München-Prag dauert heute so lang wie zu Zeiten von Kaiser Franz-Joseph und König Ludwig I.“, zieht er augenzwinkernd einen historischen Vergleich.

Die Fahrt München-Prag dauert heute so lang wie zu Zeiten von Kaiser Franz-Joseph und König Ludwig I.

Bernd Posselt

Posselt bezeichnet sich selbst als „leidenschaftlichen Bahnfahrer“, der heuer bereits in acht europäischen Ländern per Eisenbahn unterwegs war. Österreich, Italien und vor allem Frankreich hätten vorbildlich in wettbewerbstaugliche Schnellbahnnetze investiert. Auch die Tschechische Republik selbst habe nicht nur sehr rasch ihre Autobahnen gebaut, sondern auch Schnellbahnstrecken im Inland, so Posselt: „Wenn man das bahntechnische 21. Jahrhundert erleben will, muss man auf der Schnellbahnstrecke von Mährisch-Ostrau nach Prag fahren. Dieser Zug rast. Der Zug Prag-München dagegen schleicht.“

Schnellbahnnetz könnte europäische Einigung entscheidend voranbringen

Während die schlechte Schienenverbindung zwischen Bayern und Böhmen für den einzelnen Fahrgast peinlich und beschwerlich wirkt, hat sie schädliche Auswirkungen auf den internationalen Verkehr, verstopft im Endeffekt die Autobahnen, vor allem die A6 – und behindert das Zusammenwachsen Europas, sagt Posselt. „Wir brauchen ein Verkehrsprojekt Europäische Einheit. So wie die Eisenbahn im 19. Jahrhundert einen kräftigen Impuls für die nationale Einigung gegeben hat, so glaube ich, dass der Bau von internationalen Schnellbahnen ein kräftiger Impuls für die europäische Einigung sein kann“, ist der langjährige CSU-Europaabgeordnete überzeugt.

Es ist ein Anachronismus aus der Zeit des Kalten Krieges, dass es keine direkte Schnellbahnverbindung von Bayern nach Tschechien gibt. Dies ist eine transeuropäische Magistrale. Dank der Bahn stockt dieses wichtige Projekt immer noch“, kritisiert auch Posselts früherer EU-Parlamentskollege Martin Kastler (CSU) gegenüber dem Bayernkurier. Kastler leitet seit 2014 das Büro der Hanns-Seidel-Stiftung in Prag. Er stammt aus Nürnberg und würde, wie er sagt, gern öfter mit dem Zug nach Hause fahren, wenn er dabei nicht immer einen halben Tag verlöre.

Hoffnungsschimmer Verkehrswegeplan 2030

Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer am Horizont: Die Bundesregierung hat jetzt erstmals den bayerischen Teil der Metropolenbahn München-Prag, also die Strecke München-Regensburg-Schwandorf-Cham-Furth im Wald, als Schnellbahn in den neuen Verkehrswegeplan 2030 aufgenommen – und dazu einen Ausbau der Strecke Nürnberg-Schwandorf als „nördlichen Ast“. Allerdings stehen diese Projekte vorerst nur in der Kategorie „Potenzieller Bedarf“.

„Dies ist ein Erfolg, dass aus zwei vorgeschlagenen Maßnahmen eine geworden ist. Nun gilt es zu erreichen, dass die Bewertung schnellstmöglich vorgenommen wird und dann eine Höherstufung in den vordringlichen Bedarf erfolgen kann“, betont der CSU-Bundestagsabgeordnete Karl Holmeier. Er ist verkehrspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe und zugleich Direktabgeordneter für Schwandorf und Cham.

Joachim Herrmann gab Studie für neue Strecke in Auftrag

Um die Planungen voranzutreiben, hat der bayerische Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) ein internationales Bieterkonsortium mit einer Studie beauftragt, lobt Holmeier. Die Studie soll ermitteln, ob und wie eine Fahrzeit zwischen Prag und München in etwa 4:15 Stunden möglich ist – statt wie bisher in knapp sechs Stunden.

Die rund 200.000 Euro teure Studie soll zudem die Wirtschaftlichkeit untersuchen und Vorbereitungen für weitere Planungen zügig voranbringen, sagt Karl Holmeier. Erste Ergebnisse werden Anfang 2017 erwartet. Davon wird abhängen, ob die Strecke München-Prag es in den „Vordringlichen Bedarf“ des Verkehrswegeplans schafft und Aussichten auf Realisierung hat.

Erstellt werde die bayerische Machbarkeits-Studie vom Züricher Verkehrsberatungsunternehmen SMA und Partner, dem Prager Ingenieurbüro „Sudop“ und der Düsseldorfer Ingenieurgesellschaft Schüßler-Plan, erklärt der Chamer CSU-Abgeordnete weiter. Finanziert werde die Studie aus Sondermitteln des bayerischen Landtags, die eingesetzt werden sollen, „damit mehr Planungsvorrat auf Strecken des EU-Kernnetzes geschaffen werden kann“. Die Strecke zwischen Regensburg und der bayerisch-tschechischen Grenze bei Furth im Wald diene dabei als Pilotprojekt, so Holmeier.

Der Anschub kam von Ministerpräsident Seehofer und Premier Sobotka

Hintergrund dieser bayerischen Initiative ist eine grundsätzliche Einigung zwischen Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und dem tschechischen Premier Bohuslav Sobotka (ČSSD) über den Ausbau der Metropolenbahn als Schnellbahn, erklärt Posselt. Seehofer sei es auch zu verdanken, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) überhaupt die Aufnahme in den Verkehrswegeplan durchsetzte.

Allerdings hätten sich Seehofer und Sobotka gleichzeitig für den Ausbau der nördlichen Strecke Nürnberg-Marktredwitz-Eger-Karlsbad-Prag ausgesprochen, auch darauf weist Posselt hin. Der bayerische Teil zwischen Nürnberg und Marktredwitz ist mit rund 1:20 Stunden bereits relativ schnell. Außerdem ist die Elektrifizierung dieser Strecke im neuen Verkehrswegeplan 2030 enthalten, das dürfte nochmals Zeitgewinn bringen. Hier wäre es dann vor allem Sache der tschechischen Seite, die Strecke Prag-Karlsbad-Eger zu modernisieren.

CSU-Minister korrigieren die SPD-Fehlsteuerung

Immerhin ist jetzt einmal die richtige Richtung eingeschlagen, lobt Posselt: „Zu Zeiten der SPD-Verkehrsminister wurden nur Strecken bevorzugt, die in Richtung Berlin gingen. Ich bin froh, dass die CSU-Verkehrsminister seither das geändert haben. Dank der CSU-Verkehrsminister ist auch der bayerische Verkehr mit mehr Mitteln ausgestattet worden.“

Seit Jahren fordern Politik und Wirtschaft besonders in Ostbayern vergeblich einen Ausbau der Strecke zu den böhmischen Nachbarn.

Karl Holmeier, MdB

Neben den Strecken in Richtung Prag seien auch die Strecken Ulm-Augsburg und München-Mühldorf-Freilassing vordringlich, die beide Teil der europäischen Bahnmagistrale Paris-Budapest sein sollen, zählt Posselt auf. Die Verantwortung für diese Projekte liege immer bei den Nationalstaaten. Wie Posselt erklärt, unterstützt die EU mit ihrem eher geringen Haushalt lediglich die Planungen sowie die tatsächlich grenzüberschreitenden Einzelteile wie die Rheinbrücke zwischen Straßburg und Kehl sowie einen kleines Stück zwischen Freilassing und Salzburg.

Überragende Bedeutung für Ostbayern

Gerade für die ostbayerische Region hätte eine Schnellstrecke über Regensburg, Schwandorf und Cham enorme Bedeutung in Sachen Wirtschaftswachstum und Lebensqualität, betont Karl Holmeier.

Seit Jahren forderten Politik und Wirtschaft besonders in Ostbayern vergeblich einen Ausbau der Strecke zu den böhmischen Nachbarn – die Menschen würden damit aber auch endlich einen raschen Anschluss in Richtung München erhalten und müssten nicht immer mit dem Auto fahren. Holmeier beklagt, dass Ostbayern bisher die einzige bayerische Region ohne ICE- oder sonstigen Schnellbahnanschluss ist, was der Metropolenbahn eine überragende Rolle verleiht. „Die Tangente hat eine herausragende Erschließungsfunktion. Sie ermöglicht insbesondere eine Anbindung der überwiegend ländlichen geprägten Gebiete entlang der Strecke an die Zentren, leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Verkehrsinfrastruktur und trägt auf diese Weise maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung des ländlichen Raums bei. Hiervon profitieren sowohl die Industrie durch attraktive Güterverkehrswege als auch die Menschen, deren Mobilität durch die Verbindungen bedeutend erhöht wird“, erklärt Holmeier in einer Analyse.

Tschechische Teilstrecke bis Taus könnte bereits bis 2025 fertig sein

Gleichzeitig könnte mit einer schnellen Bahnverbindung beispielsweise sogar ganz Westböhmen den Münchner Franz-Josef-Strauß-Flughafen als internationale Drehscheibe für sich entdecken, da die beiden internationalen Flughäfen in Prag als nicht besonders leistungsfähig und schwer erreichbar gelten. Der Donauhafen Regensburg und der Moldauhafen Prag wären potenzielle Verknüpfungspunkte für sogenannten „multimodalen“ Güterverkehr, also für die Verladung von Bahn oder Lkw aufs Schiff.

Wie auch bei der Autobahn Prag-Waidhaus-Nürnberg, deren tschechischer Teil viele Jahre vor dem deutschen Abschnitt fertig war, schreiten die Tschechen auch bei der Bahnlinie rascher voran als die westlichen Nachbarn. Wie man aus Prag hört, kann demnächst schon der Bau beginnen – die ersten Züge von Prag über Pilsen bis zur Grenze bei Taus (Domažlice) könnten dann bereits 2025 rollen.

(obx/PM/wog)