Angezapft: Betrüger haben beim Automobilzulieferer Leoni AG einen Millionenschaden verursacht. (Bild: LEONI AG)
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Betrüger prellen Leoni AG um 40 Millionen Euro

Das ist bitter: Nicht genug, dass der Nürnberger Automobilzulieferer Leoni im laufenden Jahr einen deutlichen Gewinnrückgang hinnehmen muss. Jetzt ist der Hersteller von Drähten, Kabeln und Bordnetzsystemen auch noch Opfer eines groß angelegten Betrugs geworden: 40 Millionen Euro sind weg.

Die im MDax gehandelte Aktiengesellschaft war gestern alles andere als ein Gewinner im Börsenbarometer. Als die Ad-hoc-Mitteilung hinausgegangen war, kam es fast schon zu Panikverkäufen. Um bis zu neun Prozent verloren die Leoni-Papiere zeitweise an Wert. Der Grund: „Die Leoni AG hat erkannt, dass sie Opfer betrügerischer Handlungen unter Verwendung gefälschter Dokumente und Identitäten sowie Nutzung elektronischer Kommunikationswege wurde“, hieß es in der Mitteilung des Konzerns. In der Folge seien Gelder des Unternehmens auf Zielkonten ins Ausland transferiert worden. Der Vorstand habe umgehend eine Untersuchung der Vorfälle eingeleitet und prüfe derzeit Schadenersatz- und Versicherungsansprüche, so das Unternehmen. Bei der Kriminalpolizei sei zudem Anzeige erstattet worden, der Schaden belaufe sich „auf einen Abfluss an liquiden Mitteln von insgesamt zirka 40 Millionen Euro“. Nähere Details zu dem Vorgehen der Täter konnte ein Sprecher aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht herausgeben. Nur so viel, dass die IT-Infrastruktur sowie die Datensicherheit nicht von den kriminellen Aktivitäten betroffen sei.

Kein großer Hacker-Angriff

Ein breit angelegter Hacker-Angriff war es also nicht, der da über die Nürnberger beziehungsweise deren EDV hineinbrach. Doch in den Medien wurde gestern eifrig spekuliert, wie 40 Millionen Euro verschwinden können. Hat dazu möglicherweise schon eine getürkte E-Mail gereicht? Die Deutsche Presseagentur (dpa) will aus dem Umfeld der Firma erfahren haben, dass sich jemand gegenüber Beschäftigten als Leoni-Mitarbeiter ausgegeben und behauptete hatte, „besondere Befugnisse zu haben“. So habe er „bestimmte Geschäftsvorgänge“ vorbereiten lassen können. Das Besondere sei dabei nicht das Vorgehen, sondern die Höhe des Schadens, hieß es.

Ein Loch in der Bilanz

Für die Firma ist das einerseits peinlich, andererseits könnte der Betrug ihr auch ein unangenehmes Loch in die Bilanz reißen. „In welchem Umfang der Schaden das prognostizierte Jahresergebnis beeinflusst, kann derzeit nicht abgeschätzt werden“, hieß es dazu gestern bei Leoni. Große Sorgen müssen sich die Aktionäre aber offensichtlich keine machen: Die Liquiditätslage des Leoni-Konzerns sei nicht wesentlich beeinträchtigt, das operative Geschäft laufe „prognosekonform“.

Das Manager Magazin fragte nun, wie es möglich sei, ein großes MDax-Unternehmen mit einer solchen Masche um 40 Millionen Euro zu prellen. Das werfe ein Schlaglicht auf offenbar fehlende Sicherheitssysteme, bemängelte das Magazin, und stellte die Frage, wie es um das interne Controlling bei dem Autozulieferer bestellt sei. Allerdings ist diese Diagnose womöglich verfrüht, da noch zu wenig über die genaue Vorgehensweise der Betrüger bekannt ist.

Die zweite Hiobsbotschaft

Für die Nürnberger ist der Betrug bereits die zweite Hiobsbotschaft innerhalb eines Jahres, die sie verkünden mussten. Im Oktober 2015 war es zu einem noch heftigeren Kursrutsch gekommen, als Leoni den Markt mit einer Gewinnwarnung für 2015 und 2016 schockte. Sie wurde mit einer geringeren Nachfrage und Problemen im Bordnetzgeschäft begründet. Nach einem Bericht des Handelsblatts hatte sich der Konzern in der Bordnetzsparte, die 60 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht, verhoben. Ein Werk in Rumänien habe wegen „hausgemachter Probleme“ die Auftragsflut nicht stemmen können. Kurzfristig wurden Tausende zusätzliche Mitarbeiter gebraucht, die Kostenexplosion verhagelte dem Konzern die Rendite. Für dieses Jahr hat sich Leoni einen Umsatz von 4,4 Milliarden Euro vorgenommen, der Gewinn wird mit 105 Millionen Euro voraussichtlich ein Drittel unter dem des Vorjahres liegen.