1A-Lage mit Sternchen: Das Café Tambosi am Hofgarten zieht schon im Januar Sonnenhungrige an wie ein Magnet. Die Zukunft des Kaffeehauses ist ungewiss. (Bild: Imago/Westermann)
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Teuer, teurer, München!

München ist Bayerns beliebte Weltstadt mit Herz. Doch was die Mieten für Einzelhandel und Gastronomie betrifft, ist sie gnadenlos. In keiner anderen deutschen Metropole sind sie so hoch. Der ungebrochene Zuzug und die boomende Wirtschaft treiben die Pachten immer weiter in die Höhe. Die Folge: Traditionshäuser werden verdrängt.

Das Café Luigi Tambosi am Odeonsplatz samt seiner lauschigen Sonnenplätzen mit Blick auf die Feldherrenhalle gehört zu den traditionsreichsten Kaffeehäusern der bayerischen Landeshauptstadt: 1775 wurde es von dem Italiener Giovanni Pietro Sardi eröffnet, 1810 übernahm es Luigi Tambosi. Die Pächter wechselten, seinen Charme verlor das Haus nie, in dem sich seinerzeit Künstler, Adelige und das Militär trafen; also alle, die etwas auf sich hielten. Seit 20 Jahren führen Frank Waldecker und seine Ehefrau Andrea die Geschäfte. Ende dieses Jahres ist es damit vorbei: Der Pachtvertrag läuft aus, einen neuen werden die Waldeckers nicht unterschreiben. Der Wirt weiß, dass das Cafe im kommenden Jahr umgebaut wird. „Danach wird es das Traditionshaus in dieser Form nicht mehr geben“, schreibt er auf der Internetseite des Tambosi. Die Eigentümerin der Immobilie wünsche sich „ein modernes Brasserie-Konzept mit Nachtbetrieb, verbunden mit einer immensen Pachterhöhung“.

Traditionsreiches Kaffeehaus wird wird es in seiner Form nicht mehr geben

Ein anderes Münchner Traditionshaus, das sich offensichtlich auch der immer weiter nach oben drehenden Preisspirale beugen muss, ist die Karmeliten-Apotheke an der Schäfflerstraße. Von dem Schicksal des Geschäfts in der Altstadt berichtete jüngst die Münchner Abendzeitung. Mit der Schließung Ende September geht demnach ein knapp 400 Jahre altes Kapitel Münchner Apotheker-Geschichte zu Ende. „Hier soll eine Art Tagescafé rein“, sagte die Apothekerin Karen-Mareen Bereiter dem Blatt. Ihr Pachtvertrag läuft nach 20 Jahren aus. Eine Verlängerung gibt es nicht. Und das, obwohl sie „wahrlich keine Sozialmiete“ bezahlt habe.

12.500 Euro Warmmiete für 50 Quadratmeter Gastrofläche am Hauptbahnhof

Über genaue Summen reden die Betroffenen nicht, Deutschlands führendes Immobilienportal „ImmobilienScout24“, das 1998 in München gegründet wurde, kann aber relativ gut abschätzen, was auf die neuen Pächter zukommt. Teuerstes Pflaster ist demnach die Maxvorstadt, in deren „1-A-Lagen“ zum Beispiel Wirte für 100 Quadratmeter Gastraumfläche satte 14.000 bis 16.500 Euro monatlich auf den Tisch legen müssen. In Schwabing sind es 4500 bis 5200 Euro, in der Alt- und Ludwigvorstadt 3400 bis 4400 Euro. Vergleichsweise „günstig“ kommt da noch der Münchner Stadtteil Laim daher, in dem Wirte für 100 Quadratmeter Gastraumfläche 2800 bis 3400 Euro monatlich bezahlen müssen. Den Vogel ab schießen „hochfrequentierte Gegenden“ in Nähe des Hauptbahnhofs. Dort werden nach Angaben der Immobilien-Experten schon mal 12.500 Euro Warmmiete für gerade einmal 50 Quadratmeter fällig.

Nirgendwo in der Bundesrepublik findet man eine so zahlungsfähige Kundschaft wie in München.

Portal „Immobilienscout24“ über die Gründe der hohen Mieten

Und offensichtlich sind viele bereit, solch hohe Preise zu bezahlen: „Nirgendwo in der Bundesrepublik findet man eine so zahlungsfähige Kundschaft wie in München“, sagen die Immobilienexperten dazu. Die Stadt ziehe gleichermaßen Touristen, Zuzügler und Gewerbetreibende aus ganz Deutschland und der Welt an. München sei die drittgrößte Deutschlands und „die am dichtesten bevölkerte Gemeinde“. Zudem gelte sie als zweitwichtigster Finanzplatz des Landes, „und nach verschiedenen Umfragen“ sei die bayerische Landeshauptstadt „die lebenswerteste Deutschlands“. Das zieht freilich noch mehr Menschen an, die sich um immer weniger freien Wohnungen streiten. Den Wahnsinn untermauerte das Portal jüngst mit einer weiteren Studie: In München kämpft demnach ein Interessent mit durchschnittlich 77 weiteren Bewerbern um eine freie Wohnung. Zum Vergleich: In Berlin kommen auf eine Wohnung 33 Bewerber, in Augsburg 40. Die Wenigsten wollen in ostdeutsche Städte, die allerwenigsten davon nach Chemnitz: Dort interessieren sich für eine Wohnung gerade einmal zwei Bewerber.

Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht

In München ist das Ende der Fahnenstange offenbar noch lange nicht erreicht. Das gilt laut „Immobilienscout24“ vor allem auch für den Einzelhandel: „Die im Vergleich zu anderen Großstädten geringe Arbeitslosenquote und hohe durchschnittliche Kaufkraft führen dazu, dass die Kaufinger Straße und die Neuhauser Straße zu den am höchsten frequentierten 1A-Lagen der deutschen Einkaufsstraßen zählen“, heißt es. Das schlägt freilich auf die Mieten durch: 120 bis 360 Euro pro Quadratmeter sind für Flächen an der beliebten Fußgängerzone zu bezahlen, auch damit liegt München im bundesweite Ranking einsam an der Spitze.

Apothekerin setzt sich zur Ruhe, Wirt sucht etwas Neues

Die Apothekerin an der Schäfflerstraße hat den Kampf aufgegeben, sie setzt sich zur Ruhe, verriet Bereiter der AZ. Tambosi-Wirt Frank Waldecker und seine Frau wollen derweil die fünf Monate, die ihnen noch bleiben, genießen: „Wir hatten wunderbare Gäste, die sonnigste Sonnenterrasse, den idyllischen Hofgarten, die skurrilsten Samtsessel und natürlich jede Woche unsere Tambosi-Oper, also eine schöne Zeit“, heißt es wehmütig. Das Paar hat dem Kampf mit den Münchner Immobilienpreisen aber offensichtlich noch nicht ganz aufgegeben: „Wir freuen uns auf neue Aufgaben und Projekte.“