Honkong landet im internationalen Vergleich auf der Spitzenposition. (Bild: imago/ Hans Blossey)
Wettbewerbs-Ranking

Deutschland rutscht ab

Zwar hat Deutschland eine gut ausgebildete Arbeitnehmerschaft, doch durch seine Steuer- und Ausgabenpolitik rutscht die Bundesrepublik im internationalen Ländervergleich aus den Top Ten auf den zwölften Platz. Künftig wird es immer schwerer, im vorderen Feld mitzuspielen. Die Effizienz des öffentlichen Sektors wird in Osteuropa immer besser.

Deutschland ist nicht mehr unter den zehn wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt. Im internationalen Ranking der 60 leistungsstärksten Staaten, welches das schweizerische IMD World Competitiveness Center veröffentlichte, liegt die Bundesrepublik nur noch auf dem zwölften Platz. Zwei Plätze büßte sie im Vergleich zum letzten Jahr ein. Eine Position im vorderen Spielfeld zu verteidigen wird immer schwerer, denn nicht nur asiatische Länder drängen nach vorn.

Auch osteuropäische EU-Staaten wie die Balten, Polen und Slowenen beeindrucken durch zunehmende wirtschaftliche Stärke und Effizienz der Verwaltung. Innerhalb der EU machten die Niederlande und Irland den größten Sprung nach vorne. An der Spitze der Rangliste stehen wie schon im vergangenen Jahr Hongkong, die Schweiz, Singapur und die USA. Zur Gruppe der Top Ten zählen zudem die EU-Mitglieder Schweden, Dänemark, Irland und die Niederlande sowie die Norweger und Kanadier.

Topmanager geben null Punkte

Das Ranking spiegelt neben der momentan noch guten ökonomischen Situation in Deutschland auch die Einschätzung der künftigen Konkurrenzfähigkeit wieder. Da fährt Deutschland erhebliche Minuspunkte ein.

Die schlechte Performance hat mehrere Gründe: Knackpunkt ist die Steuer- und Ausgabenpolitik. Platz 52 und null Punkte für das deutsche Steuersystem von mehr als 5400 Topmanagern, deren Standortbewertungen in das Ranking eingingen. Selbst die Franzosen, die ebenfalls ein Hochsteuerland sind, kommen noch auf rund zwölf Prozent positiver Einschätzung. Offenbar schreckt die Kompliziertheit des hiesigen Steuerrechts die Unternehmen noch mehr als die Belastung.

Schlechte Noten für Infrastruktur und Regierung

Rund 340 Kriterien flossen in das Ranking mit ein. Dabei hat die Exportstärke der hiesigen Unternehmen gelitten. Und auch die Perspektive der Langzeitarbeitslosen hat sich eingetrübt. Erheblich abgerutscht ist Deutschland bei der Wirtschaftsleistung im Verhältnis zum Kapital. Das ist vor allem auf die höheren Arbeitskosten zurückzuführen. Negativ schlagen sich auch die vergleichsweise hohen Energiekosten der Industrie in der Gesamtwertung nieder. Straßen, Brücken und andere Infrastruktur wird immer maroder, das Bildungssystem schneidet nur mäßig ab (Platz 23) und auf dem Feld der wissenschaftlichen Institutionen, die traditionell als einer der wichtigsten Standortvorteile gelten, rutschen die Deutschen um zwei Ränge auf Platz sechs ab.

Insgesamt bewerten die Forscher die Entscheidungen der Regierung aktuell negativer als im Vorjahr. Und auch das Risiko politischer Instabilität wird größer eingeschätzt. Der Grund dürfte in der stark nachlassenden Zustimmung in der Bevölkerung für die Volksparteien SPD und Union liegen. So ist die Zustimmung der Deutschen zur großen Koalition nach einem Bericht der Bild-Zeitung in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa erstmals unter die Marke von 50 Prozent gesunken.

Gutes Klima für Start-Ups

Wichtigster Standortvorteil sei Deutschlands gut ausgebildete Arbeitnehmerschaft. Positiv wirkte sich zudem die Zahl der genutzten Patente aus. Auch das Klima für Gründer hat sich laut IMD verbessert. Zudem wird die künftige Energiesicherheit wieder etwas positiver gewertet als noch vor einem Jahr. Bessere Noten gibt es auch für die öffentlichen Finanzen, zumal nicht nur der Bund, sondern auch der Staat insgesamt 2015 mit einem Einnahmeüberschuss abgeschlossen hatte.

Ebenfalls schlägt positiv zu Buche: Die starke Zuwanderung von jungen Leuten – sie mildere die Alterung der Gesellschaft ab, urteilen die Forscher. Pluspunkte gibt es für die hohe Kreditwürdigkeit des Landes, das im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern am Kapitalmarkt nach wie vor mit der Bestnote Triple A bewertet wird.

Der Osten holt auf

In Osteuropa verbessert sich die Effizienz des öffentlichen Sektors immer mehr. Noch schafft es zwar kein ehemaliger Ostblockstaat unter die Top 20. Doch angesichts des positiven Trends werde dies nicht mehr lange dauern, prognostiziert der Direktor des Forschungsinstituts, Arturo Bris. So hätten Lettland, die Slowakei und Slowenien jeweils ihre Position um sechs Plätze verbessert. Weltweit könnten nur die Niederlande und Irland eine derartige Verbesserung vorweisen. Die Tschechische Repuplik steht mittlerweile schon auf Platz 27 und damit ebenso wie Litauen (Rang 30) und Estland (31) auf einem besseren Platz als die Franzosen, die auf dem 32. Platz stagnieren. Vor allem der starre Arbeitsmarkt, die überbordende Staatstätigkeit sowie die fehlende Reformbereitschaft schwächen die Wettbewerbsfähigkeit des zweitgrößten Euro-Landes.

Aus Stars werden Sorgenkinder

Mit Argentinien, Brasilien und Venezuela sind einstige Wachstumsstars wegen politischer Unruhen tief in die Krise gerutscht. Auch der einstige Hoffnungsträger China schaffte es nur auf Platz 25. Die weltweit stärkste Wirtschaft bescheinigte das IMD den USA. Den Spitzenplatz nimmt Hongkong ein, wegen der Effizienz seines Bankensektors, der Börse und des liberalen Arbeitsmarktes. Im Vergleich zu Deutschland lobten Topmanager das unternehmensfreundliche Steuersystem.