Der Grant der Bauern gegen Aldi, Norma und die Verbraucher
Über niedrige Erzeugerpreise klagen die Landwirte auf einem Aktionstag. Sie wettern gegen Discount-Supermärkte und bitten Verbraucher, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Agrarökonomie-Experte Ludwig Theuvsen erklärt: Die Bauern leiden weniger unter sparwütigen Konsumenten, als vielmehr unter sinkenden Weltmarktpreisen. Es gibt aber Auswege aus der Krise.
Landwirtschaft

Der Grant der Bauern gegen Aldi, Norma und die Verbraucher

Über niedrige Erzeugerpreise klagen die Landwirte auf einem Aktionstag. Sie wettern gegen Discount-Supermärkte und bitten Verbraucher, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Agrarökonomie-Experte Ludwig Theuvsen erklärt: Die Bauern leiden weniger unter sparwütigen Konsumenten, als vielmehr unter sinkenden Weltmarktpreisen. Es gibt aber Auswege aus der Krise.

Bundesweit sind Landwirte heute auf die Straße gegangen, um auf ihre missliche Situation hinzuweisen. „#BesserePreisefürBauern“, lautet ihre Losung. In Mühldorf am Inn protestieren sie auf dem Stadtplatz, am Oberen Markt in Weiden, vor der Stadtgalerie in Passau, vor dem Landshuter Rathaus oder in der Fußgängerzone von Nördlingen. „Wir stellen Lebensmittel her, können aber selbst nicht davon leben“, murrt Bayerns Bauernpräsident Walter Heidl. Die Preiskrise sei „mittlerweile dramatisch“, ergänzt sein Kollege Joachim Rukwied vom Deutschen Bauernverband. Die Existenz tausender Höfe stehe auf dem Spiel.

Viel zu wenig

Beim Verkauf von einem Kilo Mischbrot kommen bei den bayerischen Bauern nach ihren Berechnungen nur 14 Cent an. Von einer Halben Bier landen nur zwei Cent bei den Produzenten von Braugerste und Hopfen. Ein Liter Milch werfe im Schnitt nur 28 Cent ab. Den Großteil der Marge auf dem Weg zum Verbraucher streichen Vermarkter, Verarbeitungsbetriebe und der Handel ein, beschweren sich die Landwirte. Ihr Appell an die Konsumenten: Lieber die teurere Milch kaufen als die billige im Discount-Supermarkt, eher mal zu wertigerem Brot und Brezen greifen als zu den günstigen in den mittlerweile weit verbreiteten SB-Backshops.

Der Grant auf Aldi, Lidl & Co. ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Aber hängen die Probleme wirklich zentral mit dem Verhalten der einheimischen Verbraucher zusammen? „Die Schwierigkeiten für die Landwirte sind komplizierter“, meint Ludwig Theuvsen, Professor für Agrarökonomie an der Universität Göttingen. Die Europäische Union habe den Markt für landwirtschaftliche Produkte mittlerweile weitgehend liberalisiert, auch auf Betreiben vieler Bauernverbände. So traten sie erfolgreich für das Ende der Milchquoten ein. Nun sind sie stärker den Preisen am Weltmarkt ausgeliefert. Ungünstigerweise sinken die Rohstoffpreise aber derzeit auf breiter Front.

Beispiel Getreide: „Viele Länder weltweit haben gute Ernten eingefahren“, sagt Theuvsen. Das senke die Erlösmöglichkeiten, daran könne der einzelne Bauer nicht viel ändern. Wenn nun aber die Käufer bereit wären, mehr Geld für Brot auszugeben, dann behielten doch eher die Bäcker die höhere Gewinnspanne. „Ich habe große Zweifel, dass Preiserhöhungen durch die Wertschöpfungskette über die Getreidemühlen und Großhändler bis zu den Bauern weitergereicht werden.“

Die Folgen liberalisierter EU-Agrarpolitik

Noch ungünstiger ist die Entwicklung bei der Milch: Die großen Supermarktkonzerne bezahlen den gängigen Preis, und der sinkt kontinuierlich. Zu ihren Gunsten wirkt sich die Situation am globalen Handelsplatz aus, welche die Bauern selbst mit herbeigeführt haben. Auch bayerische Molkereien versuchen derzeit, ein Überangebot zu vermarkten. Die Landwirte in der EU produzieren steigende Milchmengen. „Während die großen Milchimporteure wie Russland oder China viel weniger kaufen“, erklärt Theuvsen. Russland führt spürbar weniger Käse und überhaupt wesentlich weniger landwirtschaftliche Produkte aus Europa ein, seit die EU-Sanktionen infolge der Ukraine-Krise wirken. China braucht weniger Rohmilch und Milchpulver, eine Folge der aktuellen ökonomischen Schwäche des Riesenlandes. Der Marktpreis von ehemals 42 Cent sank auf derzeit circa 30 Cent pro Liter Milch, rechnet der Agrarexperte vor.

Viele bayerische Bauern haben indes ihre Höfe vergrößert, um mehr zu erzeugen – und haben nun Probleme. „Wer in teure Infrastruktur investiert hat und mit einem Preis von 42 Cent pro Litere kalkuliert, steht schlecht da.“ Die Agrarwissenschaft gehe derzeit von zwei großen Trends aus: Langfristig, so Theuvsen, dürften die Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe steigen – allerdings kurz- und mittelfristig mit starken Schwankungen nach oben und unten.

Drei Ratschläge gibt er Bauern. Erstens: „Breiter aufstellen, nicht nur in Monokulturen produzieren. Also wenn möglich Milch, Fleisch und Getreide.“ Zweitens: Finanzielle Reserven bilden, als Puffer für Niedrigpreisphasen. „Viele Höfe haben momentan große Probleme, in den Marktschwankungen liquide zu bleiben.“ Und drittens: Dem Trend zur Direktvermarktung und zu regionalen Produkten folgen. Wochenmärkte für den Verkauf der eigenen Waren hätten zwar an Bedeutung verloren. Dafür haben manche Bauern mit so genannten Hofläden Erfolg, in denen sie für Produkte aus eigener Herstellung teils wesentlich höhere Preise erzielen können als über Molkereien und Supermarktvertrieb. Durch die Verarbeitung ihrer Rohstoffe, etwa die Herstellung von Wurst oder Marmelade, könnten Bauern auch größere Teile der Gewinnspannen aus der Wertschöpfungskette an sich ziehen. „Hofläden haben jedoch eine geografische Einschränkung. Standorte vor größeren Städten bieten sich dafür an. Aber je weiter draußen auf dem Land ein Bauer sitzt, desto schlechter funktioniert das.“