Edmund Stoiber als Gastredner beim Wiesn-Landesausschuss des RCDS Bayern. (Foto: RCDS Bayern)
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Stoiber zu Gast bei Wiesn-Landesausschuss

Bei seinem alljährlichen Wiesn-Landesausschuss konnte der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) in Bayern dieses Jahr den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber als Gastredner gewinnen. Dieser stellte sich bereitwillig den Fragen der jungen Zuhörer, die sich wie viele derzeit Gedanken über die aktuelle Asyl- und Flüchtlingssituation machen.

Wenn man Gastredner und Polit-Urgestein Edmund Stoiber und die jungen Teilnehmer des RCDS-Wiesn-Landesausschusses bei ihrem Treffen in München so beobachtete, suchte man einen politisch-inhaltlichen Altersunterschied vergeblich. Viele RCDS-Mitglieder erlebten Stoiber noch – beziehungsweise schon – als Ministerpräsident, und einige von ihnen fanden nach eigenem Bekunden sogar über ihn den Weg in die Begeisterung für Politik und politische Aktivität. Umgekehrt scheint Stoiber die Gedanken und Sorgen der jungen Leute so zu kennen, als wäre er einer von ihnen.

Und doch gab Stoiber zu Beginn seiner Rede einen jubiläumsbedingten geschichtlichen Rückblick über eine historische Zeitenwende, die die meist nach 1989 geborenen RCDS’ler noch nicht erleben konnten. Die Rede ist von der Wiedervereinigung vor 25 Jahren, die Stoiber als damaliger bayerischer Innenminister begleitete und ihn, wie er bei seinem Vortrag unumwunden zugab, noch heute bewege. Als er damals an die Zonengrenze bei Sonneberg an der bayerisch-thüringischen Grenze gefahren sei, habe er dort unglaubliche Szenen der Freude erlebt, was umso mehr beziehungsweise exemplarisch die große Bedeutung und Leistung der Wiedervereinigung unterstrichen habe. Allem voran sei die Wiedervereinigung, so Stoiber, eine „enorme Leistung“ Helmut Kohls gewesen. Aber auch weil es damals bereits die EU gegeben habe, sei die Wiedervereinigung – auf ihren letzten Etappen sogar „ganz schnell“ – möglich gewesen. Auch und gerade wegen dieser Leistung sei Deutschland heute „ein Land, das eigentlich ungewollt in die Führungsrolle Europas gedrängt wird“, urteilte Stoiber.

„Kanzlerin als Leaderin Europas“

Mit den Jahren 2007 und 2008 sprach der frühere Ministerpräsident eine weitere Zäsur für Deutschland, Europa, aber auch die Welt an: die Finanzkrise. Die Deutschen hätten infolgedessen einen Wachstumsrückgang von fünf Prozent erlebt. Die Deutschen seien, außer den Amerikanern, aber auch die Nation gewesen, die sich am schnellsten wieder davon erholt habe. Für Stoiber gilt sogar im Hinblick auf Jugendarbeitslosigkeit, Wachstumsstagnation und Schulden: „Wir entwickelten uns zu einem Land, das die Probleme der anderen Länder nicht hat.“ Auch deswegen – und damit wiederholte Stoiber seine Einschätzung über die Rolle Deutschlands in Europa – sei die Kanzlerin plötzlich unbestritten zur Leaderin Europas geworden. Ob die Deutschen dies in der Form wüssten und schätzten, stünde auf einem anderen Blatt Papier, so Stoiber:

Ich weiß nicht, ob den Menschen in Deutschland schon bewusst ist, dass Deutschland eine Verantwortung hat. Wir sind heute in einer Situation wie die Amerikaner in der Welt: nämlich Führungsmacht in Europa. Aber die Deutschen wollen das eigentlich nicht.

Edmund Stoiber

Gleichwohl könne Deutschland nicht unbegrenzt Flüchtlinge und Asylbewerber aufnehmen und Merkel die alleinige Retterin spielen, zeigte sich Stoiber überzeugt und gab damit gleichzeitig seinem Nachfolger im Amt, Ministerpräsident Horst Seehofer, in dessen Kritik zur Asyl- und Flüchtlingspolitik der Kanzlerin recht. Aber nicht nur zahlenmäßig, auch ideell werde der Asyl- und Flüchtlingszustrom ein „Dauerthema mindestens im nächsten Jahrzehnt“ sein: „Die Leute fliehen, weil sie natürlich sehen, wie bei uns die Lage ist.“ Und: „Heute spüren wir mit aller Härte, dass wir einen Beitrag leisten müssen, dass die Krisenregionen befriedet werden.“ Dazu gehöre auch, wie Stoiber weiter betonte, dass man das syrische Problem ohne Russland nicht lösen könne – „Sanktionen hin oder her“. „Es geht nur zusammen. Wenn es nicht zusammen geht, dann haben wir nochmal fünf Millionen Menschen, die aus diesem Land fliehen.“

Gleiche Bedenken bei Jung und Alt

Für die jungen RCDS’ler scheint die derzeitige außenpolitische Entwicklung ebenfalls eine bedenkliche Richtung genommen zu haben. Jedenfalls fürchten auch sie einen unkontrollierbaren Flüchtlingszustrom, der durch möglicherweise vereinzelt darunter befindliche Dschihadisten auch innenpolitische Gefahren bergen könne. Auch deswegen gilt für Stoiber mehr denn je, dass sich Deutschland nun verstärkt um die Krisenländer sowie deren Nachbarländer kümmern müsse:

Wir Deutsche sind unendlich daran interessiert, das Haus von innen immer schöner zu machen. Jetzt müssen wir uns ein bisschen um die porösen Außenmauern kümmern.

Edmund Stoiber

Dass Bayern den Flüchtlingszustrom derzeit für Deutschland nahezu im Alleingang schultere – darin waren sich die Anwesenden mit Stoiber ebenfalls einig: „Bayern hat hier eine Aufgabe übernommen, die eigentlich das Bundesinnenministerium hätte übernehmen sollen.“ Und auch darin waren sich Redner wie Zuhörer einig: Die aktuelle Situation werde die Gesellschaft in Deutschland in Zukunft verändern – auch politisch, bestenfalls aber nicht zugunsten von Pegida und anderen derartigen Bewegungen, lauteten die Hoffnungen der jüngeren wie älteren Generation beim Wiesn-Landesausschuss.