Deutscher Symbolbaum vor blauem Himmel: winterlich eingeschneite Stieleichen im Spessart. (Foto: Imago/Blickwinkel)
Nationalpark

Diskussion mit Sinner und Sinner

Die Kontroverse spaltet Familien im Spessart: Soll die Region Bayerns dritten Nationalpark bekommen? Die CSU Main-Spessart hat zwei prominente Brüder zum friedlichen Streitgespräch gebeten – den früheren Staatskanzlei-Chef Eberhard Sinner und seinen jüngeren Bruder Karl Friedrich, Ex-Leiter des Nationalparks im Bayerischen Wald.

Der Ast fiel bei beiden Herren nicht weit vom Stamm, ließe sich über die Sinner-Brüder Eberhard, 72, und Karl Friedrich, 70, sagen: Die zwei Franken kommen aus der Familie eines Forstamtsleiters, beide haben Forstwissenschaften studiert, zum Thema „Wald“ können sie ebenso kompetent wie kontrovers debattieren. Den Älteren zog es in die Politik, für die CSU fungierte er als bayerischer Gesundheits-, später Europaminister und als Leiter der Staatszkanzlei in München. Der Jüngere leitete selbst mehrere Forstämter und später die Verwaltung des Nationalparks „Bayerischer Wald“.

Pro und Contra einer Umweltschutz-Frage

Bei allen Parallelen in der Sozialisation – in einem Punkt stehen die Brüder in direktem Gegensatz zueinander: Soll ihre Heimat, der Spessart, zum dritten Nationalpark im Freistaat werden? Die Staatsregierung plant ein solches weiteres Naturschutzgebiet, in dem Holzwirtschaft nur mehr sehr eingeschränkt möglich wäre, neben den Parks im Bayerwald und in den Berchtesgadener Alpen. Der Spessart kommt als Kandidat dafür in Frage, entschieden ist aber noch gar nichts. Auch die Rhön wurde schon als Möglichkeit genannt. Der CSU-Kreisverband Main-Spessart hat die beiden Sinners deshalb für ein friedliches Streitgespräch auf’s Podium gebeten – eine öffentliche Familien-Debatte zum Pro und Contra des Nationalpark-Projekts.

Karl Friedrich Sinner eröffnete sein Pro mit einer kleinen Liebeserklärung an den Landstrich: „Der Spessart ist eine liebenswerte Mittelgebirgslandschaft.“ Ebenso wie in seinem Garten daheim, wo er auch einen kleinen Teil dem Wildwuchs der Pflanzen überlasse, könne man das auch in einem ganzen Landstrich handhaben: Von den 100.000 Hektar Wald ließen sich in der nordbayerischen Region 10.000 als Reservat ausweisen, meint der Baum-Experte. „Zehn Prozent, um mehr geht es nicht.“ Auf der übrigen Fläche ließe sich weiterhin „alles tun, was traditionell im Spessart geschieht“.

Wir reden von 100.000 Hektar Wald im Spessart – und von 10.000 davon für einen Nationalpark.

Karl Friedrich Sinner, Forstwissenschaftler

Mit dem ökonomischen Contra von Eberhard Sinner war zu rechnen. Dieser hatte schon in Zeitungsartikeln argumentiert, die Eiche würde von Buchen überwuchert, würde man die Waldwirtschaft einschränken und den Spessart dem natürlichen Kreislauf eines Nationalparks überlassen. Von der Verarbeitung des qualitativ hochwertigen Eichenholzes, das nur durch die intensive Bewirtschaftung der Forstbetriebe entsteht, leben in der Region Waldbesitzer, Sägewerke, Schreinereien, Möbelhersteller. „Die Eiche ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, das wir hier im Spessart haben“, rief der Ex-Staatskanzlei-Chef. Den derzeitigen Gesamtwert der Eichenbestände bezifferte er auf 213 Millionen Euro. „Dann wäre das ein gewaltiger Wertverlust. Vor allem für die Firmen, die als Furnierwerker in der Region angesiedelt sind“, warnte Sinner, der Ältere. Die Eiche sei „im Spessart das Flaggschiff“.

Fakten gegen Fakten

Sein jüngerer Bruder jedoch hatte ebenfalls Zahlen parat. Mit einem Flächenanteil von nur 0,6 Prozent für Nationalparks stehe Deutschland im europäischen Vergleich „an letzter Stelle“, kritisierte Sinner, der Jüngere. Beim Umweltschutz gelte hierzulande schnell der Grundsatz „not in my backyard“ – „nicht in meinem Hinterhof“. In der Dritten Welt, so Karl Friedrich Sinner, „wollen wir die Wälder schützen, am Amazonas und in Indonesien“. Aber in unserer eigenen Heimat würde im Zweifel die Bevölkerungsdichte als zu hoch angesehen, als dass Platz wäre für ein Naturschutzgebiet wie den Nationalpark.

Wer für einen Nationalpark ist, ist für die Ausrottung der Eiche.

Eberhard Sinner, Forstwissenschaftler und Ex-Minister

Bruder Eberhard nahm den Nachgeborenen mit gezielter Polemik auf‘s Korn: „Wer für einen Nationalpark ist, ist für die Ausrottung der Eiche.“ Er stimme mit seinem Bruder in nahezu allen Punkten überein. „Bis auf einen: die Eiche!“ Diese gelte es zu erhalten, das jahrhundertealte Naturprodukt der Wald-Kultivierung will er nicht im Dienste des Umweltschutzes verlieren.

Der Landtagsabgeordnete Thorsten Schwab aus dem Main-Spessart, der die innerfamiliäre Diskussion mit seinem Verband in die Öffentlichkeit gebracht hat, bilanzierte den Schlagabtausch der beiden Sinners: „Der Spessart hat das Gesicht, das er hat, eben weil er bewirtschaftet wird.“ Aber es gebe auch Flächen in den weitläufigen Wäldern, „auf denen ein Nationalpark möglich wäre“.