Napoleon flüchtet, Ölgemälde, Otto von Faber du Faur, 1869. Bild: fkn
Napoleon und Bayern

Segen und Fluch zugleich

Die Bayerische Landesausstellung ist eröffnet. Dieses Jahr widmet sie sich der bewegten historischen Beziehung Napoleons und Bayerns vor über 200 Jahren. Im Mittelpunkt stehen bei allen Fakten gleichwie Mythen, Klischees und Verklärungen aber vor allem die Menschen - Politiker, Soldaten, einfache Frauen und Männer...

Es gibt wohl keine zweite historische Persönlichkeit, an deren Aufenthalt in Bayern an so vielen Orten mit Gedenktafeln erinnert wird, wie an Napoleon. Dies galt nicht nur für Gefechtshandlungen, sondern auch für ganz triviale Aufenthalte Napoleons im heutigen Freistaat. So zum Beispiel, als er 1805 im Gasthof „Zum Goldenen Hirschen“ in Freising ganz bescheiden einkehrte. Darauf verwies kurz danach stolz der Wirt, indem er folgenden Text an seiner Hauswand anbringen ließ: „Als Kaiser Napoleon 1805 nach Freising kam, nahm er in diesem Haus Herberge. Er aß und trank wie ein Bürger.“

Die meisten Errungenschaften blieben bestehen

Der kleine „große Mann“ hinterließ großen menschlichen Eindruck bei den Bayern. Noch viel bedeutender und nachhaltiger aber war sein politischer. Denn nachdem sich das Kurfürstentum Bayern in den Koalitionskriegen zwischen Frankreich und Österreich auf die Seite Frankreichs schlug, machte Napoleon es in der Folge zum Königreich und zugleich zu einem der in fast allen Bereichen der Gesellschaft modernsten europäischen Staaten. So erhielt Bayern nicht nur die Königskrone, sondern auch einen straffer organisierten Staat, die für das Schulwesen elementare Einführung der Schulpflicht, mit der Konstitution von 1808 eine der fortschrittlichsten Verfassungen sowie erhebliche territoriale Zugewinne vor allem in Franken und Schwaben. Das meiste davon blieb bestehen, auch nachdem Napoleons Stern im Russlandfeldzug 1812 zu sinken begann und er schließlich 1815 abdankte und ins Exil auf Elba ging.

Erstaunlicherweise hat aber auch der Enthusiasmus für den französischen Kaiser selbst vielerorts die Russlandkata­strophe, seine bei aller zur Schau gestellten Bescheidenheit stark ausgeprägten imperialen Machtgelüste sowie seinen zwangsläufigen Sturz überdauert. Eine vorwiegend negative Rezeption Napoleons und der damaligen sogenannten Rheinbundzeit setzte sich in Bayern erst nach der Reichsgründung von 1871 unter dem Einfluss der preußisch-kleindeutschen Geschichtsinterpretation durch.

Dabei hätten die Bayern Grund genug gehabt, den Kaiser der Franzosen – von Beginn an – kritisch zu sehen: Als Verbündeter Frankreichs musste Bayern bei den französischen Feldzügen zigtausende Männer stellen; und ein Feldzug jagte den anderen. Der Blutzoll war hoch: Von den allein im berühmt-berüchtigten Russlandfeldzug eingesetzten über 30000 bayerischen Soldaten kehrten nur die wenigsten heim – ein beispielloser Verlust für ein Land, das damals nicht einmal vier Millionen Einwohner hatte. Bis heute ist dieses Ereignis im Gedächtnis vieler Menschen geblieben – auch oder gerade deswegen, weil es in Form von Votivtafeln, Gemälden, Tagebuchbuchaufzeichnungen und Gemälden verarbeitet und auf diese Weise tradiert worden ist.

Am Rande des Staatsbankrotts

Auch war Bayern damals selbst Aufmarsch- und Kriegsgebiet – geografisch zwischen den beiden mächtigen Kriegsgegnern stehend. Auch darunter hatte die bayerische Bevölkerung zu leiden. Ganz extrem zeigte sich dies am Beispiel des Aichacher Brauwirts Lorenz Aloys Gerhauser, der während der napoleonischen Kriege fast 15000 Soldaten und über 10000 Pferde einquartieren musste. Am Ende verlor er Haus und Hof.

Dieses Schicksal drohte mehr und mehr auch Bayern selbst: Die finanziellen Leistungen, die es im Laufe der Zeit für seinen teuren Bündnispartner erbringen musste, führten das Land bis an den Rand des Staatsbankrotts. Gerade noch rechtzeitig kehrte es Frankreich wieder den Rücken und koalierte mit Österreich und sicherte so seine Existenz. Dass dies nicht nur finanziell die richtige Entscheidung war, zeigte sich spätestens 1815, als Napoleon seine bekannte Niederlage bei Waterloo erlebte und danach abdanken musste.

Dieses einschneidende Ereignis vor genau 200 Jahren nahm das Haus der Bayerischen Geschichte zum Anlass, der Wechselbeziehung zwischen Napoleon und Bayern seine diesjährige Landesausstellung zu widmen. Auch das Neue Schloss in Ingolstadt als Ausstellungort ist bewusst gewählt: Auf Befehl Napoleons wurde die einstige Landesfestung niedergelegt und erst unter Ludwig I. wieder aufgebaut. Heute beherbergt sie das Bayerische Armeemuseum, das zu der Ausstellung viele der rund 400 Exponate, verteilt auf 1200 Quadratmetern in neun Abteilungen, beisteuerte. Aber auch Exponate aus österreichischen, russischen und französischen Museen sowie aus Privatbesitz, ergänzt von medialen Inszenierungen und Erlebnisstationen, zeigen die Politik eines aufregenden und für die Entwicklung Bayerns grundlegenden und wegweisenden Vierteljahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen bei allen Fakten gleichwie Mythen, Klischees und Verklärungen aber vor allem die Menschen, die – sei es als Politiker, als Soldaten, als einfache Frauen und Männer – diese Zeit erlebten und oft genug auch erlitten.

Mehr Informationen zur Besichtigung unter: www.hdbg.de