Adolf Fleischmann in seinem Studio in New York, 1956. (Foto: Nachlass Adolf Fleischmann)
Adolf Fleischmann

Grenzgänger zwischen Kunst und Medizin

Zum ersten Mal richten das Ingolstädter Museum für Konkrete Kunst und das Ingolstädter Deutsche Medizinhistorische Museum eine gemeinsame Ausstellung aus: Diese widmet sich Adolf Fleischmann (1892-1968), einem außergewöhnlichen Künstler des 20. Jahrhunderts, der sich sowohl als Vertreter der Konkreten Kunst als auch als medizinischer Zeichner und Moulagenbildner einen Namen gemacht hat.

Adolf Fleischmann (1892-1968) zählt zu einer der wenigen Künstlerpersönlichkeiten, die sich gleich in zwei Disziplinen einen Ruf von Weltrang erarbeitet haben: in der Malerei und in der Medizin. In der Kunstgeschichte gilt er mit seiner flirrenden, heiteren Malerei bis heute als ein wesentlicher Vermittler von europäischer Konkreter Kunst in den USA; und in der Medizingeschichte ist er vor allem durch naturgetreue Abformungen kranker Körperteile in Wachs, sogenannten Moulagen, und detailgenaue Zeichnungen mikroskopischer Gewebsbilder bekannt.

Zwischen Beruf und Berufung

Am 18. März 1892 in Esslingen am Neckar geboren, besuchte der künstlerisch veranlagte Fleischmann zunächst die Kunstgewerbeschule in Stuttgart und studierte daraufhin unter anderem bei Adolf Hölzel an der Königlichen Kunstakademie in Stuttgart, wo er sich erstmals mit der Kunst der Avantgarde auseinandersetzte. Nach kurzer Tätigkeit als angestellter Zeichner und Maler in Stuttgart beim Städtischen Ausstellungsamt für Gesundheitspflege sowie an der Werkstätte für Graphische Kunst wurde Fleischmann 1914 zum Kriegsdienst eingezogen. Im Folgejahr wurde er an der Ostfront so schwer verwundet, dass er aus dem Wehrdienst entlassen wurde. Danach entwarf er vorübergehend Buchumschläge bei der Deutschen Verlags-Anstalt und für die J. B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung, beide ebenfalls in Stuttgart ansässig.

Durch Fürsprache seiner Halbschwester Lotte Luise Volger, die als Moulageuse am Kantonsspital Zürich beschäftigt war, erhielt er dort 1917 eine Anstellung als wissenschaftlicher Zeichner, die er – mit Unterbrechungen – bis 1928 ausübte. Viele der von ihm damals hergestellten Moulagen sind bis heute erhalten geblieben und im Universitätsspital Zürich besichtigen.

Unruhige Zeiten

In den 1930er Jahren führte er ein rastloses Wanderleben zwischen Mallorca, Italien und Frankreich. Künstlerisch wurde er in dieser Zeit vor allem von den Kubisten und Konstruktivisten in Paris beeinflusst, wo er immer wieder, unterbrochen von Aufenthalten im Internierungslager in Südfrankreich, nach 1939 lebte. Zu Ende des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren hatte Fleischmann erstmals dann eine kurze „geometrische Phase“ im Sinne der Konkreten Kunst, die er aber bald wieder zugunsten weniger strenger Motive aufgab. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich unterdessen mit Entwürfen für Plakate, Zeitschriften-Titel, Tapeten und Stoffe, wie zum Beispiel für Dior. 1950 wandte sich Fleischmann erneut der geometrischen Form zu, allerdings weniger im Sinne der Konkreten Kunst, sondern eher im Rahmen serieller Malerei. Im Alter von nunmehr fast 60 Jahren hatte er damit seinen eigenen unverkennbaren Stil gefunden, der sich durch rhythmisch gruppierte schmale Streifen auszeichnet, die in schmale Winkel eingebunden sind.

Da er in den USA bessere Arbeitsmöglichkeiten geboten bekam, übersiedelte er 1952 nach New York, wo er sowohl als angestellter Zeichner am College of Physicians and Surgeons der Columbia University als auch als freischaffender Maler tätig war. Einzelausstellungen und Experimente mit Pappe, Karton und ähnlichen Materialien begleiteten diese Zeit in New York.

Rückkehr nach Deutschland

Nach einigen Aufenthalten in Deutschland ab Ende der 1950er Jahre kehrte Fleischmann Mitte der 1960er Jahre der besseren medizinischen Versorgung wegen – 1965 hatte er einen schweren Schlaganfall erlitten – endgültig nach Deutschland zurück. Dort wurde er in den Folgejahren mit ersten wichtigen Einzelausstellungen bedacht – unter anderem 1966 mit einer Adolf-Fleischmann-Jubiläumsausstellung im Stuttgarter Württembergischen Kunstverein, die ihn schlagartig berühmt machte und seinen endgültigen Durchbruch in seinem Heimatland bedeutete. Am 28. Januar 1968 starb Fleischmann schließlich an den Spätfolgen seines Schlaganfalls; in den Jahren zuvor hatte er trotz seiner teilweisen Lähmung noch rund zwanzig reliefartige Collagen angefertigt. Beigesetzt wurde Fleischmann auf dem Ebershaldenfriedhof in seinem Geburtstort Esslingen am Neckar.

1973 folgten die ersten großen Adolf-Fleischmann-Retrospektiven im Ulmer Museum und im Westfälischen Landesmuseum Münster. 1987 wurden seine Werke in der Modernen Galerie des Saarlandmuseums in Saarbrücken ausgestellt.

Zusammenführung des Werks

Die letzte große museale Kunstausstellung zu Fleischmann fand im Jahr 1992 statt. Nun zeigen das Museum für Konkrete Kunst und das Deutsche Medizinhistorische Museum in Ingolstadt – erstmals gemeinsam – wieder eine Ausstellung zu Adolf Fleischmann. Die Ausstellung zeichnet Fleischmanns Lebensweg nach und führt dabei – ebenso erstmals – beide Seiten seines Schaffens zusammen: seine „Berufung“ als Künstler und seinen „Beruf“ als medizinischer Zeichner und Moulagenbildner. Die Ausstellung bezieht damit bewusst einen Aspekt mit ein, der bei Künstlerbiografien sonst meistens häufig unerwähnt bleibt: nämlich die Frage, wie Fleischmann seinen Lebensunterhalt bestritt. Diese Frage ist auch deshalb so interessant, weil er es auch in seinem Brotberuf zu beeindruckenden Leistungen brachte.

Und noch ein Aspekt ist dabei interessant: Sein künstlerisches Gesamtwerk spiegelt diese Zweiteilung seines Lebens wider: Während seine medizinischen Arbeiten durch die perfekte Nachbildung der Natur bestechen, sind seine Gemälde frei von jeder Abbildung und wirken nur über die Farb- und Formensprache. Lediglich die Oberflächen, die sogenannten Surfaces, stellen ein Bindeglied zwischen diesen extrem unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern dar.

„Surfaces. Adolf Fleischmann – Grenzgänger zwischen Kunst und Medizin“:

  • In der Ausstellung werden knapp 60 Kunstwerke aus privaten Sammlungen in Süddeutschland sowie elf Moulagen und 18 medizinische Zeichnungen aus dem Moulagenmuseum der Universität und des Universitätsspitals Zürich erstmals zusammen gezeigt.
  • Die Ausstellung ist bis 28. Februar 2016 im Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt zu besichtigen. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag von 10 Uhr bis 17 Uhr; der Eintritt beträgt regulär 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro.
  • Nach der Präsentation in Ingolstadt ist die Ausstellung vom 28. April 2016 bis 18. September 2016 im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité zu sehen.
  • Zur Ausstellung ist ein Katalog im Kerber Verlag erschienen.