Bei einem seiner Experimente stieß Wilhelm Conrad Röntgen zufällig auf die heute nach ihm benannten Röntgen-Strahlen. Fotos: Deutsches Röntgen-Museum
Wissenschaft

Als Wilhelm Röntgen zufällig Geschichte schrieb

1895 hat Wilhelm Conrad Röntgen die X-Strahlen entdeckt. Für die Medizin war das ein Meilenstein. Noch heute sind die Röntgen-Strahlen aus der Wissenschaft nicht wegzudenken. Im Entdeckungsort Würzburg begeht man den Jahrestag mit einer mehrmonatigen Veranstaltungsreihe.

Eigentlich wollte der kauzige Professor in seinem Labor an der Universität Würzburg nur kurz die schönen Lichterscheinungen eines längst bekannten Physik-Experimentes mit Kathodenröhren bewundern. Doch zufällig stellt Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) dabei fest, dass in einiger Entfernung zu seinem Versuchsaufbau ein weiteres Glas strahlt. Doch Kathodenstrahlung reicht eigentlich nicht so weit. Röntgen hält schwarzes Papier dazwischen, das Glas strahlt weiter. Ein Brettchen – die Strahlung bleibt sichtbar.

Röntgen veränderte die Wissenschaft

Im Grunde war es der erste dokumentierte Strahlungsunfall. „Seine wissenschaftliche Leistung war, das als ungewöhnlich zu erkennen und daran weiterzuforschen“, sagt Roland Weigand, Mitglied des Röntgen-Kuratoriums in Würzburg. Der Verein hat die berühmte Wirkungsstätte des Physikers mit Originaleinrichtung und -geräten wieder entstehen lassen.

Am 8. November jährt sich die bahnbrechende Entdeckung Röntgens zum 120. Mal.

Nach diesem Abend soll sich Röntgen sechs Wochen lang in seinem Labor eingeschlossen haben, um weiter zu experimentieren – obwohl sich seine Wohnung direkt über seinen Arbeitsräumen befand. In dieser Zeit fand er heraus, dass die bislang unbekannte Strahlung durch fast alles dringt. Er nannte sie X-Strahlen. Das wohl erste Röntgenbild eines menschlichen Körperteils war die Aufnahme der Hand seiner Frau von Ende Dezember 1895.

Mit der Entdeckung der X-Strahlen revolutionierte er das Krankenhauswesen. Mit mobilen Röntgen-Geräten waren Diagnosen auf einmal blitzschnell und zuverlässig möglich. Im Ersten Weltkrieg wären ohne den Einsatz dieser Technik deutlich mehr Menschen gestorben. Auch heute noch sind die Röntgenstrahlen nicht aus der medizinischen Praxis wegzudenken.

Man muss einfach anerkennen, dass die meisten Diagnosen nach dem Einsatz von bildgebenden Verfahren wie Röntgen gestellt werden.

Helmut Altland, Radiologe und Nuklearmediziner

Bis heute sind die Strahlen Bestandteil zahlreicher Therapien

Die Röntgenstrahlen seien nach wie vor wichtig in der Medizin. „Aber wir ergänzen sie auch durch modernere Techniken, wie die strahlungsarme Computertomographie oder die strahlenersetzende Kernspintomographie“, sagt Altland.

So könnten unter Röntgenkontrolle beispielsweise Laserstrahlen gegen Tumore an die exakt richtige Position gebracht werden. „So wird der Patient schonend behandelt und man spart sich die große Operation. Das ist ein Riesenfortschritt und wird in Zukunft einen wichtigen Stellenwert haben.“

Auch in der Industrie sind Röntgenstrahlen unabdingbar. In der Lebensmittel-Industrie helfen die Geräte beispielsweise Verunreinigungen zu finden und Befüllungen zu kontrollieren.

In der Sicherheitstechnik durchleuchten sie Gepäckstücke, in Maschinenhallen prüfen sie Werkstoffe auf Risse und Archäologen untersuchen mit Hilfe der X-Strahlen Fossilien und Gesteine.

So kann man in den Menschen hineinschauen, ohne ihn aufzuschneiden.

Helmut Altland, Radiologe und Nuklearmediziner

Er war ein bescheidenes Genie

Röntgen ist weltweit berühmt. Die Gedächtnisstätte in Würzburg ist dennoch eher unscheinbar. In einem Gebäude der Hochschule für angewandte Wissenschaften unterhält der Verein „Röntgen-Kuratorium Würzburg“ das ehemalige Labor des Forschers. Eine Inschrift an der Hauswand, ein Film, Schautafeln, Urkunden und Geräte im Gebäude – wer die Stätte nicht explizit sucht, wird an dem historisch so wertvollen Ort schlicht vorbeilaufen.

Wer ihn dennoch findet, kann das Mini-Museum kostenlos besuchen. „Wir bieten aber auch Führungen – von der Schulkasse, über die Ärztegruppe bis hin zu den Landfrauen. Rund 60 Anmeldungen haben wir pro Jahr“, sagt Roland Weigand.

Diese Bescheidenheit passt zu Röntgens Art. Er hat aus seiner Entdeckung nie Profit schlagen wollen, meldete absichtlich keine Patente darauf an. Seinen kompletten schriftlichen Nachlass ließ er ungelesen verbrennen. Von seinem wissenschaftlichen Geist sind deshalb nur die offiziellen Veröffentlichungen erhalten. „Medizingerätehersteller, Röhrenhersteller, Radiologen – sie alle verdienten Geld mit den X-Strahlen, nur der Entdecker selbst nicht“, sagt Weigand dazu.

Röntgen starb 1923 an Darmkrebs. Auf seine Arbeit mit den für den menschlichen Körper schädlichen Röntgenstrahlen ist das Weigand zufolge nicht zurückzuführen. „Er befasste sich nur einen relativ kurzen Zeitraum mit diesen Strahlen und die Strahlen selbst waren noch nicht so energiereich.“

Quelle: Christiane Gläser/dpa