Am 10. Dezember 1948 erschien die erste Ausgabe des BAYERNKURIER-Vorläufers "Der gerade Weg". (Foto: ACSP)
Presse

Aus dem Geist des Widerstands

Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin: Vor 70 Jahren wurde der Vorläufer des BAYERNKURIER gegründet. Die Parteizeitung „Der gerade Weg“ stand in der Tradition der christlichen Opposition zu Adolf Hitler. Von Prof. Wolfgang Vogl.

Vor 70 Jahren hatte im Dezember 1948 der CSU-Vorsitzende Josef Müller (1898–1979) das erste Parteiorgan, „Der gerade Weg“, begründet, das seit 1950 durch den „Bayernkurier“ fortgeführt wird. Josef Müller hatte den Titel „Der gerade Weg“ bewusst gewählt, weil er in der Nachkriegszeit für das Erbe des christlichen Widerstands gegen den Nationalsozialismus stand, an dem er selbst maßgeblich beteiligt war.

Das Wort vom „geraden Weg“ ist eine biblische Metapher, mit der im Alten Testament die rechte Beziehung zwischen Gott und seinem Volk beschrieben wurde.

Die Bezeichnung „Der gerade Weg“ geht auf die gleichnamige Wochenschrift zurück, die der katholische Journalist Fritz Gerlich (1883–1934) ab 1932 unter dem prägenden Eindruck der Konnersreuther Mystikerin Therese Neumann (1898–1962) herausgegeben hatte. Da seine Zeitschrift „Der gerade Weg“ zu einem der wichtigsten Kampfblätter gegen Adolf Hitler geworden war, ermordeten die nationalsozialistischen Machthaber Gerlich am 1. Juli 1934 im Konzentrationslager Dachau. Während die Diözese Regensburg für die Konnersreuther „Resl“ schon am 13. Februar 2005 das Verfahren zur Seligsprechung eingeleitet hatte, wurde für Gerlich der Seligsprechungsprozess als Märtyrer am 16. Dezember 2017 im Münchner Liebfrauendom eröffnet.

Das Wort vom „geraden Weg“ ist eine biblische Metapher, mit der im Alten Testament die rechte Beziehung zwischen Gott und seinem Volk beschrieben wurde. Israel soll den von Gott vorgeschriebenen Weg gehen (vgl. Dtn 5,33), „ohne ihn rechts oder links zu verlassen“ (Dtn 2,27). Der von Gott berufene Richter Samuel sagt zum Volk, er werde ihm „den guten und geraden Weg weisen“ (1 Sam 12,23). Im Neuen Testament wird Jesus Christus als der menschgewordene Sohn Gottes selbst zum „Weg“ (Joh 14,6), der zum Vater führt. Weil aber Gott die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,16), besteht in dieser Tugend der alles übersteigende „Weg“ zu Gott (vgl. 1 Kor 12,31). Schließlich wird auch die junge Kirche zum „neuen Weg“ (vgl. Apg 9,2; 22,4), der die Menschen zum Heil führt.

Recherche in Konnersreuth

Bevor der „gerade Weg“ für Fritz Gerlich zur Richtschnur seines Lebens und Wirkens werden konnte, hatte der in einer calvinistischen Stettiner Kaufmannsfamilie geborene Journalist und Historiker bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Gerlich promovierte in München in Geschichte, bewarb sich dann für den bayerischen Staatsdienst, wurde 1907 Assessor im Geheimen Staatsarchiv und heiratete 1920 seine Frau Sophie Botzenhart. Im gleichen Jahr wurde der damals deutschkonservativ eingestellte Gerlich Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“, der heutigen „Süddeutschen Zeitung“. Nach dem Putschversuch von 1923 distanzierte sich Gerlich entschieden von Adolf Hitler.

Von September bis Oktober 1927 und um die Jahreswende 1927/28 hielt sich Gerlich in Konnersreuth in der nördlichen Oberpfalz auf, um den „Fall“ der seit Frühjahr 1926 stigmatisierten und nur von der Eucharistie lebenden Mystikerin Therese Neumann zu untersuchen und dem von ihm vermuteten „Schwindel auf die Spur zu kommen“. Gerlich fand aber keinerlei Anhaltspunkte für einen Schwindel, sondern wurde in Konnersreuth zu einem überzeugten Christen.

Gegner Hitlers

Nachdem Gerlich im Februar 1928 mit der Verlagsleitung der „Münchner Neuesten Nachrichten“ gebrochen hatte und im Januar 1929 in den bayerischen Archivdienst zurückgekehrt war, gab er 1929 seine Nachforschungen zur Glaubwürdigkeit der Konnersreuther „Resl“ in zwei Bänden heraus. In dieser Zeit schloss sich Gerlich dem Eichstätter Freundeskreis um Therese Neumann an, der sich ab 1930 als Gruppe entschiedenster Gegner Hitlers gebildet hatte. Zu diesem katholischen Widerstandskreis gehörten unter anderem der in Eichstätt als Professor für Altes Testament lehrende Franz Xaver Wutz, Fürst Erich von Waldburg-Zeil, die Äbtissin des Eichstätter Walburgklosters Benedicta von Spiegel, Johannes Steiner und der Eichstätter Kapuzinerpater Ingbert Naab, der im Mai 1924 die Monatsschrift „Der Weg“ für katholische Schüler höherer Lehranstalten begründet hatte. Am
29. September 1931 wurde Gerlich durch Pater Naab im Eichstätter Kapuzinerkloster „bedingungsweise“ katholisch getauft, am 9. Oktober 1931 mit seiner Frau Sophie kirchlich getraut und am 9. November 1931 durch Kardinal Michael Faulhaber in München gefirmt.

Tod im KZ

Nachdem Therese Neumann zu Gerlich und Pater Naab gesagt hatte: „Ihr zwei müsst kämpfen. Helfen wird es ja nichts, aber ihr müsst es doch tun!“, empfanden sie dies als ermutigende Aufforderung zum publizistischen Widerstand gegen Hitler. So intensivierte Gerlich seinen geistigen Kampf gegen die nationalsozialistische Ideologie in der von ihm im Oktober 1930 übernommenen Wochenzeitung „Illustrierter Sonntag“. Diese Wochenschrift publizierte Gerlich in Anlehnung an Naabs Monatsschrift „Der Weg“ ab dem 3. Januar 1932 unter dem Titel „Der gerade Weg. Deutsche Zeitung für Wahrheit und Recht“. Während Fürst Erich von Waldburg-Zeil den „geraden Weg“ finanziell unterstützte, war Johannes Steiner als Verlagsleiter tätig.

Nach der Machtergreifung am 30. Januar 1933 wurde Gerlich am 9. März 1933 bei einem Überfall von SA-Leuten auf die in der Münchner Innenstadt gelegenen Redaktionsräume des „geraden Weges“ schwer misshandelt. Während Gerlich in das Münchner Polizeigefängnis gebracht und dort auch gefoltert wurde, konnte Naab, der Gerlichs wichtigster literarischer Mitarbeiter im „geraden Weg“ war, am 5. Juli 1933 noch im letzten Augenblick vor der Gestapo in die Schweiz fliehen und starb später am 28. März 1935 im Kloster Königshofen bei Straßburg.

Der inhaftierte Gerlich versuchte sein Schicksal als Kreuz auf dem „Weg“ der Leidensnachfolge Christi anzunehmen. So fertigte er sich im Gefängnis aus Zigaretten-Stanniolpapier ein Kreuz an und konnte ab August 1933 erwirken, dass ihm wöchentlich durch einen Münchner Kapuzinerpater die heilige Kommunion gebracht wurde. Schließlich wurde Gerlich im Zusammenhang mit dem „Röhm-Putsch“ in der Nacht des 30. Juni 1934 zusammen mit anderen Regimegegnern nach Dachau gebracht, wo er am 1. Juli 1934 erschossen wurde.

Christlicher Widerstand

Zum christlichen Widerstand gegen den Nationalsozialismus gehörte auch Josef Müller, alias „Ochsensepp“, der 1943 in Berlin von der Gestapo verhaftet wurde. Müller wurde von Berlin in das Konzentrationslager Buchenwald verlegt, wo er zusammen mit anderen politischen Häftlingen im Kellerbunker eingesperrt war, unter anderem mit dem dort seit dem 7. Februar 1945 inhaftierten evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Am 3. April 1945 wurden die Buchenwalder Häftlinge in das oberpfälzische Konzentrationslager Flossenbürg verbracht, wo kurz darauf am 9. April 1945 Dietrich Bonhoeffer erhängt wurde.

Müller kam von Flossenbürg nach Dachau und wurde von dort mit einer Gruppe von 130 „Sonder- und Sippenhäftlingen“ als Geisel nach Südtirol gebracht, wodurch er überleben konnte. Während der gemeinsamen Haftzeit waren der Katholik Müller und der Protestant Bonhoeffer zur Überzeugung gekommen, dass man für den Aufbau Deutschlands nach dem Krieg die noch in der Weimarer Republik vorherrschende konfessionelle Zersplitterung in der Politik durch die Gründung einer gemeinsamen christlichen Partei überwinden müsse. So wurden im Sommer 1945 sowohl die CDU als auch die CSU nicht mehr als katholische, sondern als überkonfessionelle Parteien gegründet.

Neugründung als Parteiorgan

Obwohl Josef Müller als erster, von 1946 bis 1949 amtierender, Parteivorsitzender großes Interesse an einem eigenen Parteiorgan hatte, bereitete ihm die strenge Pressepolitik der amerikanischen Militärregierung Schwierigkeiten, da von ihr nur parteipolitisch neutrale Zeitschriften gefördert wurden. Als es Müller gelang, im Dezember 1948 eine Wochenschrift als Parteizeitung herauszugeben, gab er ihr in Erinnerung an den christlichen Publizisten und Märtyrer Fritz Gerlich den Titel „Der gerade Weg“. Freilich musste diese Neuauflage des „geraden Weges“ bereits 1949 aus finanziellen und personellen Mängeln, aber auch wegen der inhaltlichen Konzeption wieder eingestellt werden, da man die Zeitschrift für zu intellektuell und zu wenig volksnah hielt. So trat am 3. Mai 1950 der „Bayernkurier“ die Nachfolge des „geraden Weges“ an.

In Konnersreuth, wo die geistigen Wurzeln des christlichen Widerstands Fritz Gerlichs und damit auch des „geraden Weges“ lagen, kam es am 15. Januar 1946 im alten Schulhaus neben der Pfarrkirche St. Laurentius zur Gründung eines Ortsverbands der CSU. Zu den Gründungsmitgliedern zählten auch der seit 1909 in Konnersreuth als Pfarrer und Seelenführer von Therese Neumann wirkende Joseph Naber und Ferdinand Neumann, der jüngste Bruder der „Resl“. Bis 2020 wird in Konnersreuth ein Dokumentationszentrum eingerichtet werden, in dem auch die Zusammenhänge zwischen Therese Neumann, Fritz Gerlich und dem katholischen Widerstand aufgezeigt werden.

Nie mehr ohne Gott

Das 70-jährige Gründungsjubiläum des ersten Parteiorgans ist Anlass, sich an die gesellschaftspolitischen Neuanfänge Bayerns nach dem Zweiten Weltkrieg zu erinnern, die angesichts der schrecklichen Erfahrungen der gottlosen nationalsozialistischen Diktatur von der Notwendigkeit einer christlichen Grundlegung des künftigen Staatswesens geprägt waren. Davon kündete bereits die am 8. Dezember 1946 in Kraft getretene Bayerische Verfassung, die in ihrer Präambel festschrieb, dass es in Bayern „angesichts des Trümmerfelds“ des durch den Nationalsozialismus verursachten Krieges nie mehr eine „Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott“ und damit ohne Achtung des Gewissens und der Menschenwürde geben darf.

Aus der gleichen Geisteshaltung heraus erfolgte dann zwei Jahre später im Dezember 1948 die Gründung des Parteiorgans „Der gerade Weg“, das mit seinem Titel gewissermaßen die Nachfolge der gleichnamigen Wochenschrift des christlichen Märtyrers Fritz Gerlich antreten wollte.

Wolfgang Vogl ist Professor für Theologie des geistlichen Lebens an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg.