Sandra Bullock, in Nürnberg aufgewachsen, ist derzeit das bekannteste fränkische Gesicht in Hollywood. (Bild: Wolfram Göll)
Tag der Franken

Schon immer von Einwanderung geprägt

Zu allen Zeiten war Franken Ziel- und Durchzugsland verschiedener Völker. Jeder „Ur-Franke“ hat eine familiäre Migrationsgeschichte, wenn man nur tief genug gräbt. Dabei haben die Einwanderer das Land entscheidend geprägt. Die Ausstellung „Fremde in Franken“ in der Hugenottenkirche Erlangen macht das deutlich – und bereitet gleichzeitig den Tag der Franken am Sonntag, 5. Juli, vor.

Unter dem Motto „Fremde in Franken – Migration und Kulturtransfer“ lädt eine kurzweilige Schau aus 21 Bildertafeln zu einem Spaziergang durch 1500 Jahre Migrationsgeschichte in Franken ein: Von der Völkerwanderung und die iroschottische Missionierung über die Hugenotten und die anderen Glaubensflüchtlinge bis hin zu den Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, den amerikanischen GIs sowie den sesshaft gewordenen Gastarbeitern. Denn auch die Franken lebten keineswegs „schon immer“ in dem Land, das ihren Namen trägt. Sie sind zugewandert, wie so viele andere Bevölkerungsgruppen vor und nach ihnen.

Der Ort der Ausstellung, die Hugenottenkirche in Erlangen, ist kongenial ausgewählt: Sie liegt nicht nur zentral mitten in der Erlanger Neustadt – dem heutigen Stadtzentrum – und in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof, sondern ist als religiöses Zentrum der protestantischen Glaubensflüchtlinge aus Frankreich im 17. Jahrhundert quasi auch selbst Teil des Themas. Der Schirmherr der Ausstellung, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), erinnerte bei der Eröffnung daran, dass die ausgezehrte Erlanger Bevölkerung nach dem Dreißigjährigen Krieg nur noch aus 500 Menschen bestand, ehe Markgraf Christian Ernst 1686 beschloss, 1500 Hugenotten, französischen Calvinisten, in Erlangen eine neue Heimat zu geben. Ende des 17. Jahrhunderts waren also drei Viertel der Erlanger französische Glaubensflüchtlinge.

Von Karl dem Großen bis Sandra Bullock

Die Geschichte der fränkischen Migration beginnt indes schon viel früher: Die mittelalterlichen „Franken“ sind irgendwann ab dem vierten Jahrhundert aus Salischen Franken und Rheinfranken entstanden, beherrschten einige Jahrhunderte lang Mitteleuropa (Stichwort Karl der Große). Das bekannteste Überbleibsel dieses Großreichs, sozusagen der Nach-Nach-Nachfolger des West-Frankenreichs, nennt sich heute noch „Frankreich“. Nebenbei bemerkt: Die Schweizer zahlen bis heute in „Schweizer Franken“, eine interessante Umkehr des Begriffes „Fränkische Schweiz“.

Doch in der Ausstellung geht es nur nebenbei um solch wirre Gedankenspielereien. Viel mehr steht die wechselnde Bevölkerung des heutigen Franken im Mittelpunkt, das mit der großen Herrlichkeit des alten Frankenreichs – zugegeben – ja nicht mehr allzu viel gemein hat. Der heutige Franken-Begriff speist sich vor allem aus dem fränkischen Reichskreis im Heiligen Römischen Reich, der wie alle Reichskreise um 1500 eingeführt wurde und bis zum Ende des Reiches 1806 Bestand hatte.

Migration spielt zentrale Rolle bei Kultur-Entwicklung

Die 21 Ausstellungs-Tafeln spannen thematisch einen sehr weiten Bogen: Von den mittelalterlichen „Franken und anderen Migranten“ über die iroschottischen Mönche, die Franken den christlichen Glauben brachten, über den Zug der leibeigenen Bauern in die Städte auf der Suche nach Freiheit sowie der Handwerksburschen auf der Suche nach Arbeit, Bier und Wissen, über die prominenten Einwanderer im Zuge von Königstrossen und adligen Hochzeiten, über eingewanderte Künstler, französische Hugenotten, österreichische Exulanten und andere Glaubensflüchtlinge, die in Franken ihre Heimat fanden, bis hin zu den Arbeits-Einwanderern in das industrielle Zentrum im Großraum Nürnberg im 19. Jahrhundert, zu den Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, zum „Valka-Lager“, dem zentralen Aufnahmelager für Displaced Persons, dem Nürnberg letztlich heute den Sitz des „Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge“ verdankt.

Weitere Themen der Ausstellung sind die genetischen Folgen der US-Militärpräsenz, als deren prominenteste Repräsentantin die amerikanisch-fränkische Hollywood-Schauspielerin Sandra Bullock die Ausstellung ziert, außerdem die in Folge der Vertreibung der Sudetendeutschen gegründeten Handwerkszentren wie Bubenreuth bei Erlangen als weltweites Mekka für den Geigen- und Gitarrenbau, aber auch die Gastarbeiter und ihre heimisch gewordenen Nachfahren sowie die zeitgenössischen EU-Einwanderer, Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge.

Bezirkstagspräsident Richard Bartsch (CSU) betonte, Migration habe stets eine zentrale Bedeutung beim Wandel bestehender und bei der Entstehung neuer Kulturen gehabt. „Jeder Migrant bringt ein Stück seiner eigenen Kultur mit. Diese Gemengelage ist bis heute prägend – auch für unsere Kultur.“ Franken sei immer ein Durchgangsland gewesen, sagte Bartsch. Manche Orte hätten ganz besonders von der Migration profitiert, wie eben auch Erlangen.

Integration kostet Anstrengung: Gemeinsame Gesellschaft muss entstehen

„Von 1686 bis 1822 hielten die Hugenotten ihre Gottesdienste auf französisch ab“, erinnerte Herrmann und fügte augenzwinkernd hinzu: „Integration braucht eben auch ihre Zeit.“ Aber solange friedliches Zusammenleben oder zumindest friedliche Koexistenz geherrscht habe, sei das zum Besten aller Beteiligten gewesen – der Neuankömmlinge wie auch der bereits hier Lebenden. Herrmann erinnerte auch an die Heimatvertriebenen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg hier ansiedelten, sowie an die Studenten, die nach Erlangen kamen, „teils freiwillig, teils von der ZVS gezwungen“, wie der Innenminister hinzufügte. Dann seien die Gastarbeiter gekommen, ab 1989 dann nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs die Aus- und Übersiedler aus dem Osten Deutschlands sowie aus Osteuropa.

„Es muss klar sein, dass wir in unsere Gesellschaft integrieren“, betonte Herrmann. Das Entstehen von Parallelgesellschaften lehnte er entschieden ab. Dass multikulturelle Parallelgesellschaften auf Dauer nicht funktionierten, zeige ein Blick in die französischen Vorstädte. Das Erlernen der deutschen Sprache sei wichtig, aber nur ein erster Schritt, so Herrmann. „Integration kostet Anstrengung. Die Spielregeln müssen klar sein. Es heißt: Zusammen-Leben, nicht isoliert nebeneinander her“, betonte er. Abschließend zitierte Herrmann einen ebenso simpel wirkenden wie doppelbödigen Satz von Karl Valentin: „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.“

Der Tag der Franken wird seit 2006 jedes Jahr in einem anderen fränkischen Regierungsbezirk gefeiert. Er erinnert an die Gründung des fränkischen Reichskreises innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation am 2. Juli 1500. Traditionell hält der bayerischer Ministerpräsident die Hauptrede. Die Öffnungszeiten der Ausstellung sind Samstag, 4. Juli, 15.00 bis 18.00 Uhr, sowie am Tag der Franken, also Sonntag, den 5. Juli, von 11.00 bis 18.00 Uhr.