Das Kreuz im bayerischen Himmelslicht: Blick nach oben in der neuen Kirche von Holzkirchen, die aus Holzbalken konstruiert ist. (Foto: Erzbischöfliches Ordinariat/F.Ihmig)
Glaube

Die Holz-Kirche in Holzkirchen

Erstmals seit zehn Jahren weiht Kardinal Reinhard Marx wieder ein Gotteshaus im Freistaat ein: In Holzkirchen im Landkreis Miesbach steht eine neue Kirche. Natürlich aus Holz. Zwei aufragende Kegel erinnern an die bergige Landschaft im Voralpenland.

Eine Nachbarin, hochschwanger, umrundet das Bauwerk. Ihr Blick fährt die Kegelformen der Kirche und der Kapelle ab. Umweht von würzigem Odelgeruch. Wie manche Holzkirchner hat sie sich noch nicht richtig mit der modernen Architektur arrangiert. „Also na, wirklich schön find‘ ich es nicht“, sagt die werdende Mutter. Als „Atomkraftwerk-Kühltürme“ bezeichnen einige im Ort die beiden Teile des neuen Gotteshauses. „Aber innen drin sind sie wunderschön“, lobt die Dame, „sehr karg, modern, viel Holz.“

Kleiner Boom bei Kirchenbauten

Mit einem feierlichen Morgen-Gottesdienst hat am Sonntag Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof der Diözese München und Freising, den aufsehenerregenden Bau im Landkreis Miesbach eingeweiht. Die erste neue Kirche im Freistaat seit zehn Jahren. Im Juni folgt dann noch die dem Jesuitenpater Rupert Mayer zugedachte Kirche in Poing, Landkreis Ebersberg. Ein kleiner Bau-Boom der bayerischen Katholiken nach langer Enthaltsamkeit, die wohl auch darauf beruht, dass zwischen den 1960er- und 80er-Jahren besonders viele Gotteshäuser errichtet wurden.

Eine Holzkirche für Holzkirchen also, dieser Kalauer kursiert nun allenthalben. Denn der Münchner Architekt Eberhard Wimmer hat die beiden schindel-bedeckten Kegel fast vollständig aus dem nachwachsenden Baum-Material errichten lassen. 650 Kubikmeter Holz sind verbaut, rund 11,5 Millionen Euro hat das Gebetshaus gekostet. Pfarrer Gottfried Doll schätzt die minimalistische Innenwelt von St. Josef, die dank des Naturstoffes dennoch eine „sehr warme Ausstrahlung“ besitze, „bei den Temperaturen ebenso wie in der Atmosphäre“. Denn Holz hilft dank erstaunlicher Dämmwerte auch beim Heizkosten-Sparen.

Kirchenbau ist die Königsdisziplin.

Eberhard Wimmer, Architekt

Das Vorgänger-Bauwerk von 1962 von Architekt Franz Ruf, einem Bruder des legendären Baumeisters Sepp Ruf, musste aufgrund statischer Unsicherheit abgerissen werden. Eine Problematik, die es mit der Kreuzkirche in Nürnberg-Schweinau teilt, die wegen Einsturzgefahr auf unbestimmte Zeit geschlossen ist. Nur Rufs eckiger Kirchturm in Holzkirchen steht noch – nun eben neben Wimmers beiden rundlichen Holz-Kegeln.

Zur Bauform hat den Planer die Alpenlandschaft seiner bayerischen Heimat inspiriert. „Überall stehen solche Bergkegel. Und wenn die Sonne durch ein Loch in den Wolken fällt, dann bildet sich genau so ein Lichtkegel“, schwärmt er. Durch das waagerechte 70-Quadratmeter-Fenster im von außen scheinbar abgeschnittenen Kegelkopf flutet Tageslicht herein und lässt die weiß getünchte, wabenartige Holzbaustruktur hell und lebendig wirken. „So ein Raum muss die Möglichkeit schaffen, Transzendenz zu erfahren – das gilt für kein anderes Bauwerk“, sagt Wimmer.

Kegel auf der Elipse

Pfarrer Doll ist von der Wirkung überzeugt. Er findet, „die Architektur reißt den Blick nach oben“. Bei schöner Sonneneinstrahlung erscheint es Doll, „als berühren sich Himmel und Erde“. Der moderne Bau der Kirche und der kleineren Kapelle nebenan, die beide auf eliptischem Grundriss entstanden, lade dazu ein, Neues auszuprobieren. So will der Holzkirchner Hirte für seine 6500 Katholiken demnächst auch einen „Preacher-Slam“ anbieten, eine Art Wettpredigen also für christliche Rhetoriker.

Mich erinnert die Kirche an das Alpenpanorama, das man von unserem Ort aus sieht.

Gottfried Doll, Pfarrer

Ob auch die skeptische Nachbarin mit dem großen Baby-Bauch zu so einer innovativen Bibelstunde kommt, das weiß sie noch nicht genau. „Aber die Taufe, die halten wir ganz bestimmt da drin ab“, versichert sie bei einem abschließenden Blick auf die Holzkirchner Holzkirche. Und damit hätte ihr Pfarrer schon eines seiner Ziele erreicht. Er will das Gotteshaus speziell für „Familien-Gottesdienste“ nutzen.