Konzerthaus der Superlative
Ob Architektur oder Klang - die Hamburger Elbphilharmonie beeindruckt in vieler Hinsicht. Nach zehn Jahren Bau wird die Eröffnung gebührend gefeiert. In der spektakulären Glasfassade steckt auch ein Stück bayerische Ingenieurskunst.
Elbphilharmonie

Konzerthaus der Superlative

Ob Architektur oder Klang - die Hamburger Elbphilharmonie beeindruckt in vieler Hinsicht. Nach zehn Jahren Bau wird die Eröffnung gebührend gefeiert. In der spektakulären Glasfassade steckt auch ein Stück bayerische Ingenieurskunst.

Eine kühn geschwungene Dachlandschaft – an der höchsten Stelle 110 Metern hoch -, eine mehrere zehntausend Tonnen schwere Glasfassade auf dem Sockel eines ehemaligen Kaispeichers. Nach zehn Jahren Bau hat Hamburg ein neues Wahrzeichen: die Elbphilharmonie an der westlichen Spitze der Hafencity. Die Eröffnung am Abend des 11. Januars begleitet nicht nur das NDR Elbphilharmonie Orchester. Auch die Musiker des Chores des Bayerischen Rundfunks sind zu hören.

Bundespräsident Joachim Gauck, Architekt Jacques Herzog und Intendant Christoph Lieben-Seutter sprechen bei dem Festakt zu 2100 geladenen Gästen, unter ihnen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Außerdem haben sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und zahlreiche Politiker aus Bund und Ländern angekündigt. Zu den Prominenten gehören Regisseur Fatih Akin, Modeschöpferin Jil Sander, die Schauspieler Hannelore Hoger, Charly Hübner und Armin Mueller-Stahl sowie der Bauunternehmer und Präsident von Real Madrid Florentino Pérez. Nach der Eröffnung soll die Hamburger Elbphilharmonie nach Worten von Bürgermeister Olaf Scholz ein Gebäude für alle Bürger sein.

Ich habe mir fest vorgenommen, dass es auch so sein soll, dass alle Kinder, die in Hamburg zur Schule gehen, einmal ein Konzert in der Elbphilharmonie gehört haben.

Olaf Scholz, SPD-Politiker und Bürgermeister von Hamburg

Die erste Konzertsaison bis Anfang Juli ist bereits nahezu ausverkauft. Doch die Hamburger Elbphilharmonie ist weit mehr als nur ein Konzerthaus. Der Kulturkomplex birgt zwei Konzertsäle, ein Hotel auf der Ostseite mit 244 Zimmern und 44 Eigentumswohnungen auf der Westseite. An der Schnittstelle zwischen Speicher und Neubau befindet sich eine öffentlich zugängliche Plattform in 37 Metern Höhe – die Plaza. Sie ist mit 4000 Quadratmetern fast so groß wie der Hamburger Rathausmarkt und über eine 82 Meter lange Rolltreppe oder Aufzüge erreichbar.

Panorama von der Plaza

Bereits kurz nach der Eröffnung der Plaza Anfang November war der Ansturm der Menschen auf die öffentliche Aussichtsplattform zwischen dem historischen Kaispeicher und dem gläsernen Neubau enorm. Da die Kapazität begrenzt ist, müssen die Besucher vorher Tickets ziehen, nur Konzertbesucher kommen ohne Ticket zur Plaza. Von hier kommen die Besucher über geschwungene Treppen zum Großen und zum Kleinen Konzertsaal, zur Gastronomie und zur Lobby des Hotels. Durch riesige Windschotts gelangt man zum Balkon, der einmal rund um die Elbphilharmonie führt. Von hier haben die Besucher Aussicht auf den Hafen, die Alster und die Hamburger Innenstadt.

Der wellenförmige Glasbau der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron ist an der höchsten Stelle 110 Metern hoch – fast so hoch wie der Hamburger Michel mit 132 Metern. Der gläserne Aufbau über dem Kaispeicher wiegt 78.000 Tonnen. Insgesamt wiegt das Gebäude sogar 200.000 Tonnen. Das entspricht etwa 722 A380-Flugzeugen. Die Glasfassade erstreckt sich über 16.000 Quadratmeter. Dafür wurden 1100 unterschiedlich gebogene und bedruckte Glaselemente angefertigt, jedes von ihnen wiegt 1,8 Tonnen.

Fassade aus Bayern

Beeindruckend ist nicht nur das Gewicht der Fassade. Sie ist eine der ersten weltweit, in der glasfaserverstärkter Kunststoff verarbeitet wird. Das Material ermöglicht die Gestaltung freier Formen wie die einer Stimmgabel. Gefertigt wurden wesentliche Teile der Außenflächen in Bayerisch-Schwaben. Dort, in Gundelfingen,  hat nämlich das Unternehmen Josef Gartner seinen Sitz, einer der weltweit führenden Fassadenbauer. Die Mitarbeiter des Traditionsunternehmens statteten die Fassaden-Elemente mit einem Inlet aus Edelstahl für die Tragkonstruktion sowie doppelt gewölbten Dreifachglasscheiben aus.

Insgesamt fertigte Gartner für die Elbphilharmonie Glasfassaden mit einer Fläche von 21.500 Quadratmeter. Ihre Bedruckung und Beschichtung erzeugt einzigartige Effekte. Denn die Gläser sind nicht nur beschichtet, sondern auch mit einem Raster aus basalt-grauen Punkten und Chrompunkten als Sonnenschutz bedruckt. Jedes Fassaden-Element ist ein Unikat. Eine weitere Besonderheit ist die Radardämpfung in der Fassade für den Hamburger Schifffahrtsbetrieb. Durch einen verstärkten Druckanteil auf der West- und Südseite in einer bestimmten Höhenlinie der Glasfassade, erkennen Radare der einlaufenden Schiffe die Elbphilharmonie.

Herzstück Konzertsaal

Der große Konzertsaal mit 2100 Plätzen liegt aus Schallschutzgründen auf 362 Federpaketen. Er ist 25 Meter hoch und nach dem Weinberg-Prinzip gebaut. Jeder Zuhörer soll nicht mehr als 30 Meter vom Dirigenten entfernt sein. Die Innenverkleidung des Saals, die sogenannte Weiße Haut, besteht aus 10.000 Gipsfaserplatten, die den Schall optimal im Raum verteilen sollen. An der Decke hängt ein riesiger Reflektor, der den aufsteigenden Klang verteilt.

Ein Stück Bayern steckt – wie bereits in der Fassade – auch im Konzertsaal. Mitarbeiter der Ackermann GmbH aus Wiesenbronn fertigten ein Akustikmodell, das die Grundlage des heutigen Baus ist. Das Modell im Maßstab von eins zu zehn hatte etwa die Größe einer Garage, sagte Frank Ackermann, Geschäftsführer der unterfränkischen Traditionsfirma für Innenausbau, dem Bayerischen Rundfunk.

Die Grundsteinlegung war am 2. April 2007, eröffnet werden sollte das Konzerthaus ursprünglich 2010. Die Bauzeit beträgt knapp zehn Jahre, die Kosten stiegen von 77 Millionen auf 789 Millionen Euro. Für Schaulustige wird die Musik optisch umgesetzt und als Lichtinstallation auf das spektakuläre Gebäude übertragen. Barkassenunternehmen laden zu Fahrten auf der Elbe ein. Das NDR Fernsehen überträgt die Feierlichkeiten live ab 18.00 Uhr.

BR-Chor in Hamburg

Nach der Einweihung der Hamburger Elbphilharmonie am Abend folgt am 12. Januar das zweite Eröffnungskonzert. Auf dem Programm steht wie am Vortag eine musikalische Zeitreise von der Renaissance bis zur Gegenwart, mit Werken von Beethoven, Wagner und einer Uraufführung von Wolfgang Rihm. Thomas Hengelbrock dirigiert das NDR Elbphilharmonie Orchester. Zuvor wird der Kleine Saal der Elbphilharmonie mit 550 Sitzplätzen vom Ensemble Resonanz mit einer Uraufführung des Werks „Release“ von Georg Friedrich Haas eröffnet.