Die Landesausstellung zu Kaiser Karl IV. in Nürnberg wird ab 20. Oktober für die Öffentlichkeit zugänglich sein. (Foto: Wolfram Göll)
Karl IV. in Nürnberg

Der Kaiser und seine Stadt

Am 19. Oktober werden die Ministerpräsidenten Seehofer und Sobotka die bayerisch-tschechische Landesausstellung zu Karl IV. in Nürnberg eröffnen. Bei einer Vorbesichtigung lobten Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, Richard Loibl, sowie der Direktor der Prager Nationalgalerie, Jiří Fajt, die Präsentation im Germanischen Nationalmuseum.

„Nürnberg steht symbolisch für die Verbindung zwischen dem Kern des Heiligen Römischen Reichs und Böhmen. Deshalb bietet sich die ehemalige Reichsstadt geradezu an, hier eine Bayerische Landesausstellung zu Kaiser Karl IV. zu zeigen. Ich begrüße es sehr, dass das Haus der Bayerischen Geschichte und die Natio­nalgalerie Prag Hand in Hand eine Landesausstellung ganz besonderer Art erstellt haben“, betonte Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle bei einer Vorbesichtigung in Nürnberg. Man wolle mit der großartigen Präsentation im Germanischen Nationalmuseum dem mittelalterlichen Kaiser auch „historische Gerechtigkeit widerfahren“ lassen, so Spaenle.

Lobend erwähnte der Kultusminister, dass die Planung und Umsetzung der gemeinsamen Landesausstellung, die die Ministerpräsidenten Horst Seehofer und Bohuslav Sobotka persönlich vereinbart hatten, eine enge kulturelle Zusammenarbeit und den Dialog zwischen beiden Nachbarländern gefördert habe. „Dieser dauerhafte Dialog drückt die Normalität im tschechisch-bayerischen Verhältnis aus“, sagte Spaenle. Bayern sei durch die Nachbarschaft zu Böhmen stark geprägt.

Des Kaisers Lieblingsstädte: Prag und Nürnberg

Richard Loibl, Direk­tor des Hauses der Bayerischen Geschichte, beschreibt die Ausstellung so: „Freuen Sie sich auf eine außergewöhnliche Schau, mit Spitzenexponaten aus den Weltmu­seen, wie man sie in dieser Exklusivität in Sonderausstellungen nur selten bewun­dern kann.“ Seine Mitarbeiter lobt Loibl ausdrücklich: „Realisiert wurde diese erste gemeinsame tschechisch-bayerische Lan­desausstellung in Rekordzeit. 2013 zwischen den Ministerpräsidenten von Tsche­chien und Bayern vereinbart, wurde sie bereits am 14. Mai 2016 in Prag und jetzt am 19. Oktober 2016 in Nürnberg eröffnet. Das ist außergewöhnlich!“

Das 14. Jahrhundert war eine Krisen- und Umbruchzeit: Die Pest wütete in weiten Teilen Mitteleuropas – allerdings wurde gerade Böhmen weitgehend verschont – Naturkatastrophen und Hungersnöte forderten viele Opfer. Zeitgleich erlebten Architektur, Technik, Kunst und Kultur einen Aufschwung, be­sonders in den mit Karl verbundenen Reichs- und Bischofsstädten. Prag erhielt die erste Universität Mitteleuropas und entwickelte sich zur Metropole. Die Prager Hofkunst wirkte stilbildend. Auch die freie Reichsstadt Nürnberg, sein zweithäu­figster Aufenthaltsort nach Prag, hat Karl erheblich durch Stiftungen gefördert. Seine hohe Bildung machte ihn zu einem Kaiser des Schwertes und der Feder: Als erster Herrscher verfasste er eine Autobiographie.

Große Verehrung vor allem in Böhmen

Die Nürnberger Schau präsentiert Leben und Wirken Karls IV. in zwölf Abschnitten: Von seiner Herkunft und Abstammung über seine Jugend in Prag, Paris und Italien, seine Bedeutung als Regent, der Erlass der Goldenen Bulle mit der Einsetzung der sieben Kurfürsten, die als grundlegendes Verfassungsdokument des Alten Reiches bis 1806 Bestand hatte, dann die geistliche Seite seines Wirkens als eifriger Sammler von Heiligen- und Christus-Reliquien, die Gründung der Goldenen Straße Nürnberg-Prag, die Förderung der Kunst auch als Mittel der Außendarstellung – modern würde man das „PR“ nennen –, über die berühmten Bauten Karls wie die Prager Neustadt und den Veitsdom, die Burg Karlstein und das Wenzel-Schloss in Lauf, bis hin zu seiner Nachwirkung im historischen Blick der Gegenwart.

Vor allem in der Tschechischen Republik wird Karl bis heute ungewöhnlich stark verehrt. Er diente den tschechischen Nationalisten des 19. Jahrhunderts als Gegenentwurf zu den verhassten Habsburger Herrschern und als Projektionsfläche für die Schaffung eines tschechischen Nationalgefühls gegen die Deutschen und Juden, die anderen beiden Völker Böhmens. „Wir Tschechen müssen langsam anerkennen, dass Karl IV. nicht nur Böhmischer König war, sondern im Hauptberuf römisch-deutscher König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches“, sagte Jiří Fajt, der Direktor der Tschechischen Nationalgalerie in Prag, bei der Vorbesichtigung in Nürnberg.

Karl IV. sprach fünf Sprachen und disputierte mit Wissenschaftlern

Karl war als Sohn von Johann von Luxemburg und Elisabeth von Böhmen eine wichtige Figur im politischen Spiel. Als Gegenkönig des Wittelsbachers Ludwig der Bayer konnte Karl die Unterstützung des Papstes gewinnen und damit den Kampf um die römisch-deutsche Krone. Seine Krönung 1355 in Rom bedeutete die Er­neuerung des Kaisertums im Heiligen Römischen Reich. Und er schaffte ein epo­chales Werk: Die Goldene Bulle von 1356 wurde zu einer Art Reichsgrundgesetz und regelte für viereinhalb Jahrhunderte die Wahl des Römischen Königs durch die Kurfürsten.

Als Kaiser stützte er sich weniger auf militärische Gewalt als auf Diplomatie – und auf erhebliche Geldsummen, mit denen er die Zustimmung der Kurfürsten erkaufte. Die reichen Silbervorkommen Böhmens, die Förderung des Handels sowie die effiziente Verwaltung und Nutzung seiner Territorien ermöglichten den Erfolg des ebenso frommen wie berechnenden Kaisers. Wie der Direktor der Nationalgalerie Prag, Jiří Fajt, aufzählte, sprach Karl fünf Sprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch, Latein und Tschechisch.

„Vater des Vaterlandes“ in Böhmen

Daneben betrieb der Kaiser geschickte Hei­ratspolitik: Bei seinen vier Ehen wie bei der Ver­heiratung seiner Kinder spielte die Mehrung seiner Hausmacht stets die wichtigste Rolle. So bildete die Mitgift der Wittelsbacherin Anna von der Pfalz die Grundlage für Karls „Neuböhmen“ in der Oberpfalz. Weil er für seine Hausmachtpolitik in großem Umfang Reichsgut verpfändete, sa­hen national denkende deutsche Historiker Karl IV. lange als „Vater Böhmens, aber Erzstiefvater des Reiches“, während er in Böhmen bis heute als „Vater des Vater­landes“ gilt.

In den Ausstellungsräumen des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg werden etwa 80 Prozent der Exponate der Prager Ausstellung gezeigt. Die Bayerisch-Tschechische Landesausstellung wirft mit über 180 (Prag: 260) hochrangigen Kunst­werken, Urkunden, kulturhistorischen und alltagsgegenständlichen Zeugnis­sen und medialen Inszenierungen einen neuen Blick auf den facettenreichen Herr­scher und seine Zeit. Das Konzept wurde von der Nationalgalerie Prag und dem Haus der Bayerischen Geschichte Augsburg in Zusammenarbeit mit Wissen­schaftlern des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) Leipzig, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissen­schaften, des Deutschen Historischen Instituts Rom, der Heinrich-Heine-Universität Düssel­dorf und der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde St. Martha Nürn­berg erarbeitet.

Begleitprogramm zur Landesausstellung

Das Centrum Bavaria Bohemia in Schönsee und die Metropolregion Nürnberg ha­ben begleitend zur Bayerisch-Tschechischen Landesausstellung eine Vielzahl an Festen, Konzerten, Themenabenden und weiteren Veranstaltun­gen organisiert. So laden während des gesamten Ausstellungs-Zeitraums über 300 grenzübergrei­fende Veranstaltungen entlang der Goldenen Straße zwischen Nürnberg und Prag ein, sich auf Spurensuche zu begeben. Im Wenzelschloss in Lauf beispielsweise werden die Bauten Karls IV. in einer eigenen Ausstellung dargestellt (der Bayernkurier berichtete).

(PM/wog)