Das Wissen um die Bedeutung christlicher Feste wie Pfingsten, Ostern oder Weihnachten nimmt stetig ab. (Foto: imago/epd)
Glauben

Ohne Gott und Gewissen droht das Chaos

Gastbeitrag Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin: Der Bundeslandwirtschaftsminister und Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CSU, Christian Schmidt, betont den Stellenwert christlicher Feiertage und des Glaubens in unserem Alltag. Wer einen wertegebundenen Dialog mit anderen kulturellen oder religiösen Anschauungen führen will, braucht einen Standpunkt, an dem er sich orientieren kann.

Was bedeutet Pfingsten? Laut einer Umfrage des evangelischen Magazins „Chrismon“ konnte im Jahr 2012 nur geringfügig mehr als die Hälfte der Deutschen erklären, was der geistlich-religiöse Hintergrund des Pfingstfestes ist. Es ist zu befürchten, dass dieses und andere christlichen Feste zwar durch den Feiertagseintrag im Kalender, aber nicht durch ihre religiöse Bedeutung wahrgenommen werden. Ob die Ausgießung des Heiligen Geistes (Pfingsten) oder die Auferstehung Christi (Ostern): Geht uns in unserer Zeit das Skelett des Wertegerüsts verloren, in der wir es zur Stabilität besonders brauchen?

Am Ostersonntag war in Bremen zu einer vom bremischen Senat geförderten Veranstaltung eingeladen worden, bei der über den Islam informiert und für seine Bräuche geworben werden sollte. In der Berichterstattung war zu sehen, dass „Ostersonntag“ lediglich als Datumskennzeichnung gebraucht worden ist. War denn niemand auf den Gedanken gekommen, umgekehrt die Muslime einzuladen, über unser christliches Festjahr und das höchste Fest, Ostern, zu reden? Oder – noch viel schlimmer – hat es nicht mehr viele gegeben, die das hätten erklären können?

Unsere Informationskampagne des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CSU hat erfreulicherweise in Bayern bessere Erfahrungen zutage gefördert. Der aber durchaus wahrnehmbare Trend, die Benennung unserer Feiertage zu ändern (z.B. Sankt-Martins-Tag zu Lichterfest, Weihnachten zu einem Jesus-losen Winterfest oder Ostern zum Frühlingsfest) und der zurückgehende Anteil von Menschen mit Kirchenmitgliedschaft in unserem Land, sind Zeichen für gesellschaftliche Verflachung und Beliebigkeit.

Schattengesellschaften darf es nicht geben

Wer einen wertegebundenen Dialog mit anderen kulturellen oder religiösen Anschauungen führen muss, braucht selbst einen Standpunkt, an dem er sich und seinen Gesellschaftsentwurf orientiert. So wie Toleranz zu unserem Wertekanon immanent dazugehört, so muss aber eben auch diese Werteorientierung den gesellschaftlichen Rahmen geben. Diesen Rahmen nenne ich Leitkultur. Unsere Grundwerte und auch die daraus entstandenen Grundrechte unserer Verfassung mit der Achtung der Individualität jedes Menschen und seinen Freiheiten unabhängig von Geschlecht, Alter und gesellschaftlicher Position bedarf der allgemeinen Anerkennung. Schattengesellschaften kann es daneben nicht geben.

Unser Staatswesen und unsere Gesellschaftsordnung fußen nach Überzeugung des Grundgesetzes auf der christlich-abendländischen Tradition.

Christian Schmidt

Dies ist auch für die christlichen Kirchen eine große Herausforderung. Auch sie müssen ihren Beitrag leisten, die Grundlinien einer christlich-jüdisch strukturierten Gesellschaft zu erhalten. Gerade im Sinne des Pfingstfestes sehe ich eine über die religiöse Betreuung hinausgehende Aufgabe, eben auch Verkündigung zu betreiben. Wir wissen, welch enorme Bereicherung unsere Gesellschaft durch die Kirchen und den Glauben erfährt. Staat und Bürger sind nicht Verkündiger von Gottes Wort. Aber auch sie können (und in unserer Partei, der CSU, müssen auch) die gesellschaftlich prägenden Aspekte unseres Glaubens und der christlichen Tradition hervorheben und für mehr Mut zum Glauben, für mehr Fröhlichkeit im Glauben werben! Nach wie vor bekennen sich rund zwei Drittel aller Deutschen zu einer der christlichen Kirchen. Noch immer besuchen sonntags mehr Menschen die Gottesdienste als Fans am Samstag die Fußballstadien. Im Christentum steckt viel mehr Leben und Kraft, als uns die Medien oft glauben machen möchten. Man muss es nur alltäglich leben und bekennen.

Unser Staatswesen und unsere Gesellschaftsordnung fußen nach Überzeugung des Grundgesetzes auf der christlich-abendländischen Tradition. In seiner Präambel heißt es, dass sich das deutsche Volk dieses Grundgesetz „in der Verantwortung vor Gott und den Menschen“ gibt. In der Bayerischen Verfassung steht, dass eine „Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen“ zum Chaos geführt habe. Sie gibt zudem der Religion eine besondere Bedeutung: Durch den allgemeinen Bildungsauftrag sollten Kinder in den Schulen unter Wahrung der religiösen Empfindungen nach den Grundsätzen des christlichen Bekenntnisses unterrichtet und erzogen werden, zum Respekt vor religiösen Überzeugungen.

Religionsfreiheit: ein bewusster Entschluss zum Glauben

In Artikel 4 des Grundgesetzes ist die „Religionsfreiheit“ verankert. Jeder Mensch hat die Freiheit, sich selbst demjenigen Glauben anzuschließen, den er für sich selbst, für seinen Lebensweg als den richtigen, den – im wahrsten Sinne des Wortes – Glückseligmachenden erachtet. Anders als früher ist mit einem Kirchenaustritt keine gesellschaftliche Ächtung mehr verbunden, und es erfolgt keine Ausgrenzung. Umgekehrt entscheiden sich die Menschen heute umso bewusster für ihren Glauben. Die Taufe, ob in Kindes- oder insbesondere im Jugend- und Erwachsenenalter, versinnbildlicht heute mehr denn je eine bewusste Entscheidung.

Für einen offenen und respektvollen Umgang mit anderen Religionen ist es hilfreich, in seinem eigenen Glauben fest verankert zu sein.

Christian Schmidt

Das Leben in unserer Gesellschaft ist nach wie vor vom christlichen Glauben geprägt. Ihre christliche Prägung erhalten nach wie vor viele Menschen bereits in der Kindheit durch Rituale wie die Taufe, Kindergottesdienste, die Konfirmation oder religiöse Feste wie beispielsweise das Pfingstfest. Auch wenn es immer wieder Lebensphasen gibt, in denen die Bedeutung des eigenen Glaubens etwas in den Hintergrund tritt, so gibt es genauso Zeiten einer stärkeren Rückbesinnung auf Kirche und Glauben. Bei der Gründung einer eigenen Familie etwa rückt die Religion häufig wieder in den Fokus. Auch in persönlichen Krisenzeiten sind Menschen nicht selten dankbar, wenn sie sich am Glauben mit seinen Ritualen und Gewohnheiten festhalten können.

Selbstbewusst den Glauben leben

Ich selbst verstehe mich als evangelisch-lutherischen Christen und bin in meinem Glauben tief verwurzelt. Ich lebe seine Bräuche und Traditionen, begehe die Kirchenfeste bewusst, beschäftige mich mit dem Hintergrund der Feiertage und gehe sonntags gerne in den Gottesdienst. So gefestigt in meinem Glauben interessiere ich mich gleichzeitig auch für andere Religionen und freue mich für Menschen aus anderen Kulturkreisen, wenn auch sie ihre Feste und Bräuche hier bei uns begehen. Für einen offenen und respektvollen Umgang mit anderen Religionen ist es hilfreich, in seinem eigenen Glauben fest verankert zu sein. Glaube ist dabei keineswegs nur Privatsache. Er sollte selbstbewusst in der Öffentlichkeit gelebt werden. Es sollte wieder selbstverständlich sein, sich als Christ in der Öffentlichkeit zu bekennen. Ein schönes Beispiel ist für mich der Bayerische evangelische Kirchentag am Pfingstmontag auf dem Hesselberg im südlichen Mittelfranken. Seit Jahrzehnten besuchen ihn jedes Jahr viele tausend Menschen und feiern diesen.

Kampagne „Bewusst christlich“

Als Evangelischer Arbeitskreis der CSU wollen wir unseren politischen Beitrag leisten, den Glauben weiter zu stärken, indem wir die Bürger dazu auffordern, sich wieder mehr unserer Werte und Traditionen bewusst zu werden und diese auch zu leben. Praktisch umgesetzt haben wir dieses Bestreben durch eine entsprechende Kampagne. In meinem Interview im Bayernkurier vom Januar dieses Jahres habe ich bereits auf unsere Kampagne „Bewusst christlich“ hingewiesen. In einer kleinen Broschüre werden alle christlichen Feiertage mit ihrem Ursprung und Brauch erklärt. Zudem sind Postkarten zu den wichtigsten Feiertagen im Umlauf, um mal mit einem ernsten oder weniger ernsten Ton an die Festtage und ihre eigentliche Botschaft zu erinnern. Die hohe und durchwegs positive Resonanz hat uns positiv überrascht, uns in unserer Arbeit gestärkt und gezeigt, dass es hier einen Bedarf gibt. Mit der Aktion wollen wir auch Neuankömmlingen die Möglichkeit geben, unsere Religion und Kultur kennenzulernen. Auch sie sollen wissen, warum an Festtagen dieses oder jenes geschmückt ist oder warum wir einen Feiertag jeweils begehen und dafür den gesetzlichen Feiertagsschutz genießen. Die Broschüre wird so stark nachgefragt, dass wir überlegen, sie in andere Sprachen zu übersetzen und zu ergänzen. (Weitere Informationen zur Kampagne finden Sie hier)

Das Lutherjahr: eine große Chance

Ein Jahr vor dem Reformationsjubiläum sehe ich eine große Chance in der vor uns liegenden Zeit in besonderem Maße auf den christlichen Glauben aufmerksam zu machen. Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, dass jeder spätestens am 31. Oktober 2017 weiß, warum wir diesen Feiertag begehen, und dass möglichst viele Menschen ihn zusammen feiern – nicht nur evangelische Christen. Mit dem Jubiläum jährt sich zum 500. Mal die Veröffentlichung der 95 Thesen, die Martin Luther der Überlieferung nach an die Türe der Schlosskirche in Wittenberg genagelt haben soll. Während in früheren Jahren die konfessionelle Abgrenzung im Vordergrund stand, soll das kommende Reformationsjubiläum von Offenheit, Freiheit und Ökumene geprägt sein. Das Fest ist eine Chance, dass sich Katholiken und Protestanten gemeinsam daran machen, das Evangelium von Jesus Christus für heute neu zu entdecken und sich dabei neu für den Glauben inspirieren zu lassen. Es wäre schön, wenn wir auf diesem Weg einen weiteren Schritt aufeinander zugehen, uns gegenseitig helfen und voneinander lernen würden. Dann würde es ein Reformationsfest für alle werden und ein glaubwürdiges Zeugnis für die Einheit der Christen.