Blick von der Galerie in die Ausstellung und auf die umliegenden historischen Gebäude. (Bild: BK/dia)
NS-Dokumentationszentrum

Ort mit Geschichte für Geschichte

Am 1. Mai öffnete das NS-Dokumentationszentrum München offiziell seine Pforten für die Öffentlichkeit. Für jene soll es künftig einen Lern- und Erinnerungsort zur Geschichte des Nationalsozialismus bilden. Gleichzeitig arbeitet die Stadt damit ihre braune Vergangenheit auf.

‚Bayerischer Sonderweg‘ in der NS-Zeit

Früher hatte die schöne, behagliche Stadt die besten Köpfe des Reiches angezogen. Wie kam es, daß die jetzt fort waren, daß an ihre Stelle alles, was faul und schlecht war im Reich und sich anderswo nicht halten konnte, magisch angezogen nach München flüchtete?

fragte sich 1930 der Schriftsteller Lion Feuchtwanger. Das ist ebenfalls die zentrale Frage, der das NS-Dokumentationszentrum mit seiner Dauerausstellung, verteilt auf rund 1000 Quadratmetern Fläche und vier Stockwerken und gegliedert in vier thematischen Abschnitten, nachgeht.

„Mit dem Mord an Kurt Eisner beginnt etwas, was Historiker als den ‚bayerischen Sonderweg‘ bezeichnen.“ Diese Erläuterung von Gründungsdirektor Winfried Nerdinger über die Anfänge des Nationalsozialismus im Freistaat könnte die knappste und vereinfachte Antwort darauf sein: Am 21. Februar 1919 war der damalige sozialistische bayerische Ministerpräsident in München von dem nationalistischen und antisemitischen Studenten Anton Graf von Arco auf Valley ermordet worden. Diese Tat radikalisierte die herrschenden politischen Gegensätze zwischen Revolution und Gegenrevolution und endete mit einem Sieg der reaktionären Kräfte. Dieses neue politische Klima bereitete wiederum den Boden für die Entstehung und den Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), deren Gründungsort München Adolf Hitler später zur „Hauptstadt“ dieser rechtsradikalen „Bewegung“ ausrief. Standort der nationalsozialistischen Keimzelle war ab 1931 das „Braune Haus“ an der Brienner Straße zwischen Königs- und Karolinenplatz – demselben Standort, wo jetzt das NS-Dokumentationszentrum – auch optisch in Form seiner puristischen weißen Beton-Würfel-Architektur – bewusst einen Kontrapunkt gegen die NS-Vergangenheit setzt. Dass ein Bruch mit dem „Zivilisationsbruch“, wie Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle die NS-Verbrechen bei der Ausstellungseröffnung bezeichnete, aber nicht möglich ist und sein soll, zeigen die zahlreichen länglichen Gebäudefenster: Sie holen die Vergangenheit in Gestalt der umliegenden historischen Gebäude förmlich in die Ausstellungsräumlichkeiten und bilden so ein plastisches Zeitfenster.

Königsplatz als Ort der NS-Machtdemonstration

Nach der Machtübernahme im Reich 1933 hatten die Nationalsozialisten den gesamten von Ludwig I. als Reminiszenz an die Antike konzipierten Königsplatz zum Parteiviertel der NSDAP umgebaut: Es entstanden der „Führerbau“ und südlich davon der „Verwaltungsbau“, flankiert von zwei „Ehrentempeln“. Die unter Ludwig I. bewusst schmucklos geplanten Rasenflächen erhielten einen Belag aus Granitplatten für Aufmärsche und propagandistische Massenkundgebungen. Der Platz diente als Kulisse des Partei- und Führerkults, der die Parteiverwaltung innerhalb von zehn Jahren auf fast 6000 Beschäftigte und 68 Gebäude in der Maxvorstadt anwachsen ließ.

Wir wissen um die besondere Rolle und historische Verantwortung Münchens in der NS-Zeit.

bekräftigte Spaenle – im Einklang mit Münchens OB Dieter Reiter – anlässlich der Hauseröffnung und betonte weiter im Hinblick auf den Jahrestag der Befreiung Münchens durch die US-Armee vor 70 Jahren:

Es ist die richtige Zeit, dass dieser Ort Gestalt angenommen hat.

Aufarbeitung durch und in Ausstellung

Seit 2012 setzt der ehemalige Münchner Architektur-Professor Nerdinger das Ausstellungs- und Bildungsangebot des Hauses zur NS-Geschichte von 1918 bis Kriegsende und darüber hinaus um. 33 LED-beleuchtete Text- und Fototafeln führen dabei als „Leitbilder“ durch die Ausstellung, wie Nerdinger erklärt und eineinhalb Stunden Zeitaufwand dafür veranschlagt. Vertieft, weitergeführt und exemplifiziert wird dieser „Leitfaden“ an Medientischen und -Stationen und durch Filme. Dabei war es den Ausstellungsmachern laut Nerdinger „ganz wichtig“, alle Texte zweisprachig – auf Deutsch und Englisch – zu präsentieren; Führungen gibt es insgesamt sogar in acht Sprachen. Das Haus will sich nicht nur im Hinblick auf die Vergangenheit offen zeigen.

Geöffnet ist von Di bis So 10 bis 19 Uhr. Bis 31. Juli ist der Eintritt frei; ab dann beträgt er 5 Euro (ermäßigt 2,50 Euro) für Erwachsene. Bis 30. August ist die Wechselausstellungsfläche dem Thema „Das Unsagbare zeigen. Künstler als Warner und Zeugen (1914-1945)“ gewidmet.